Die Übernahme ist abgeschlossen. Im Frühjahr 2018 wechselte die Berufsdiplomatin Sasha Baillie aus dem Kabinett von Wirtschaftsminister Etienne Schneider an die Spitze der nationalen Innovationsagentur Luxinnovation. Gleichzeitig übernahm Mario Grotz, ebenfalls leitender Beamter in Schneiders Ministerium, vom ehemaligen Unternehmensberater Raymond Schadeck die Präsidentschaft der Agentur. Der doppelte Wechsel an der Spitze kündigte an, dass in dem Public-Private-Partnership (PPP) künftig „Public“, also der Staat, die Zügel in die Hand nehmen würde. Mit der Vorstellung des Geschäftsberichtes 2018 bestätigt sich die Entscheidung als richtig. Denn die Ergebnisse zeigen, dass die Privatwirtschaft längst nicht alles besser kann als der Staat und seine Vertreter – sogar, was die Unternehmensberatung betrifft.
Im Ökosystem Wirtschafts- und Innovationsförderung konnte man in den vergangenen Jahren angesichts der Fülle von mehr oder weniger seriösen Initiativen und Angeboten, beziehungsweise der großen Anzahl von staatlichen, parastaatlichen und privaten Akteuren leicht den Überblick darüber verlieren, wer wofür zuständig ist. Ein Countdown zum Firmenstart in dieser Institution, ein Fitness-Programm von jener Agentur, ein Gesundheits-Check-up und ein Inkubator in einem anderen „House“ – immer mehr Unternehmen brauchen Hilfsmaßnahmen und Fördergelder, um in der Marktwirtschaft zu bestehen, auch wenn ihre Chefs in ihren Arbeitgeberorganisationen fordern, individuelle Sozialleistungen zu kürzen.
Wer konnte in diesem Gefüge von Verbänden, Föderationen und Häusern noch wissen, welche Rolle Luxinnovation spielt? Offenbar wusste das Luxinnovation selbst nicht mehr so genau, nachdem die Agentur seit ihrer Gründung immer größer wurde. Nachdem Sasha Baillie, wie sie sagt, im ersten Jahr viel zugehört hat, sowohl den Mitarbeitern als auch der Privatwirtschaft, hat sie deshalb eine „Vision“ festgehalten: „Trusted partner for entrepreneurs to find pramatic solutions for their innovative business development ventures in line with the objectives of the government to develop Luxembourg’s economy in a sustainable manner through innnovation and research.“ Im Klartext soll das heißen: Luxinnovation hilft, die von der Regierung definierte Strategie zur Weiterentwicklung der Wirtschaft konkret umzusetzen, indem es Unternehmen beim Innovieren unterstützt und innovative Firmen nach Luxemburg bringt. Sozusagen als „operativen Arm“ der Wirtschaftspolitik versteht das Baillie.
Damit ein wenig deutlicher wird, was das Ganze soll, hat sich Luxinnovation im vergangenen Jahr eine neue Struktur mit drei großen Abteilungen gegeben: Company relations and support – Firmenconsulting für bestehende Unternehmen –, R&D and Innovation support – Hilfe bei Anträgen für die Forschungs- und Innovationsförderung – und Business development – Suche nach und Ansiedlung von neuen Unternehmen aus dem Ausland und Start-Up-Förderung.
Die neue Struktur wirkt. Das Diagnose-Programm Fit 4 Digital, das KMU hilft, die Digitalisierung zu schaffen, durchliefen 2018 68 Firmen, während es im Vorjahr 15 waren. Die Berater von Luxinnovation wurden 140 Mal bei Unternehmen vorstellig im Vergleich zu 100 Besuchen im Jahr davor. Fast 700 Mal Geschäftskontakte vermittelte die Agentur 2018, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr.
Die Abteilung R&D and Innovation Support – so umbenannt, damit Firmen verstehen, dass Luxinnovation selbst keine Forschungsgelder verteilt – kann ebenfalls mit guten Resultaten aufwarten. Nicht nur, dass deutlich mehr Unternehmen geholfen wurde, erfolgreiche Anträge für nationale Fördermaßnahmen zu stellen. Besonders stolz ist Baillie auf die Erfolgsrate von 23,7 Prozent bei der Anfrage von Geldern aus dem europäischen Programm Horizon 2020. Ein Spitzenwert, der in anderen EU-Ländern nicht nur Eifersucht auslöst, weil die Erfolgsquote 2018 im Schnitt bei 17,75 Prozent betrug. Sondern auch weil Luxemburg die eigene Erfolgsquote innerhalb eines Jahres von 13,60 Prozent deutlich steigern konnte. Rund 33 Millionen Euro Horizon-Mittel sicherten sich Luxemburger Unternehmen vergangenes Jahr mit der Hilfe von Luxinnovation.
Auch in der Unternehmensprospektion gab Luxinnovation vergangenes Jahr Gas. Schon 2016 hatte Luxinnovation diese Aufgabe von der aufgelösten Initiative Luxembourg for business geerbt und sich daraufhin neu aufgestellt. Bereits unter ihren Vorgängern leistete sich die Agentur daraufhin kostspielige Wirtschaftsdatenbanken und betreibt nun Marktforschung und -analyse. Mit ihren Datenbanken hat Luxinnovation vergangenes Jahr nicht nur eine solche Analyse der Biotech-Branche erstellt – Branchenanalysen, wie sie bisher in Luxemburg aufgrund des Statistikgeheimnisses und anderer Hürden nicht existieren. Die Agentur hat ihren Datenschatz auch eingesetzt, um festzulegen, wohin Prospektionsreisen führen sollen und welche Unternehmen dabei angeworben werden sollen, damit sie, wie Baillie sagt, die Wertschöpfungskette in der heimischen Wirtschaft ergänzen. Allein 2018 hatte Luxinnovation Kontakt mit 147 ausländischen Firmen, die sich für den Standort Luxemburg interessierten, organisierte Besuche und Termine für 42 von ihnen. Ein Dutzend Firmen ließ sich schließlich mit der Unterstützung von Luxinnovation in Luxemburg nieder – im Vorjahr waren es zwei.
Dieses Tätigkeitsgebiet von Luxinnovation ist gleich aus mehreren Gründen besonders interessant. Erstens wegen der großen Knauf- und Fage-Debatte darum, welche Unternehmen unerwünscht und welche willkommen sind. Und es nun an Luxinnovation ist, Letztere zu identifizieren. Zweitens weil sich hier die Parallelen zu der Entwicklung bei der Werbeagentur Luxembourg for Finance zeigen. Ebenfalls ein Public-Private-Partnership und gleichzeitig mit LFB gegründet, hatte es LFF in den Anfangsjahren an einer klaren Ausrichtung gefehlt, auch weil die privaten Aktionäre, die Berufsverbände der Finanzbranche unterschiedliche Interessen hatten. Bereits vor sechs Jahren wurde bei LFF mit Nicolas Mackel ein Diplomat und Beamter CEO. Er setzte dort um, woran Baillie derzeit bei Luxinnovation arbeitet: Neue Strategie, neue Struktur, Wirtschaftsförderung, die allgemeine, keine Partikularinteressen bedient.
Was die Analysten von Luxinnovation treiben, ist darüber hinaus nicht unwichtig, weil erst vergangene Woche die neue Fedil-Präsidentin Michèle Detaille der Handelskammer vorwarf, keine Marktintelligenz zu besitzen und bei ihren Wirtschaftsmissionen, die Luxemburger Firmen neue Exportmöglichkeiten erschließen sollen, planlos vorzugehen (d’Land, 3. Mai 2019). Gegenüber dem Land erklärte Sasha Baillie diese Woche, es gebe zwischen Luxinnovation und der Handelskammer konkrete Gespräche, um eine künftige Zusammenarbeit in Sachen market intelligence auszuloten. Wie sich eine solche Zusammenarbeit im Endeffekt gestaltet, ist nicht ganz unerheblich, da die Handelskammer jedes Jahr zweistellige Millionenbeträge von ihren Mitgliedern kassiert, wovon sie einen großen Teil auf die hohe legt, während die zu 90 Prozent vom Staat finanzierte Luxinnovation die Investition in die kostspieligen Datenbanken getätigt hat.
Immerhin fast zehn Millionen Euro betrug das Budget von Luxinnovation vergangenes Jahr, wobei sich die Personalkosten für die mittlerweile 65 Mitarbeiter auf rund sieben Millionen Euro beliefen. Da die Agentur damit eigentlich selbst ein Unternehmen mittlerer Größe ist, kann es überraschen, dass erst Baillie und Grotz es notwendig fanden, den Posten eines Verwaltungs- und Finanzchefs zu schaffen. Die Stelle ist derzeit noch unbesetzt.