Das neue Agrarzenter der Verband-Gruppe soll auf den von den Promotoren vorgeschlagenen Standort In den Laengten nahe Pettingen bei Mersch kommen. Das ist das Ergebnis der strategischen Umweltprüfung (SUP), das der Verband vergangenen Freitag vorstellte. Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen sind erbost. Umso mehr, da der Verband ein Angebot für ein Grundstück ablehnte, das, anders als In den Laengten, nicht mitten in einer Grünzone liegt. Doch nicht nur sie sind sauer. Auch der Conseil supérieur de l’aménagement du territoire (CSAT) widersetzt sich dem Projekt und kritisiert die Auswahlmethoden. Der Druck auf das Nachhaltigkeitsministerium steigt, doch dessen Verantwortliche halten sich bedeckt.
Die SUP, auf Initiative der Promotoren durchgeführt, die damit ihren Willen zur Transparenz bekunden wollten, hatte zum Ziel, den besten verfügbaren Standort für eine zukünftige Niederlassung des Agrarzenters „aus einer Reihe von Standortalternativen herauszufiltern“, heißt es im SUP-Zwischenbericht. Der neue Standort wird gebraucht, so steht unter Punkt eins, weil der Entwicklungsplan der Gemeinde Mersch die Verlagerung der agro-industriellen Aktivitäten vom Merscher Bahnhofsviertel, wo derzeit Getreidelager, Futtermittelwerk und Saatbaufabrik angesiedelt sind, in eine Randlage vorsieht. Zudem solle das Verwaltungsgebäude von De Verband in Gasperich in absehbarer Zukunft abgerissen werden, um der Erschließung des Ban des Gasperich zu weichen. „Der Eigentümer des Grundstücks hat Eigenbedarf angemeldet.“ Außerdem brauche die Biobauerngenossenschaft Biog ein Distributionslager. Auch das soll im neuen Agrarzentrum unterkommen.
So weit, so ungut. Denn ist es auch wenig umstritten, dass die derzeit genutzten Anlagen am Merscher Bahnhof veraltet sind und die Luxemburger Landwirtschaft neue, moderne Infrastrukturen braucht, so geht die SUP auf die komplizierten Besitzverhältnisse im Merscher Agrocenter nicht ein. Dabei müssen Futtermittel-, Saatgutfabrik und Silos von dort vor allem auch deshalb weichen, weil die Grundstücke der Centrale paysanne (Cepal) gehören, die sie verkaufen und zu Geld machen will, das sie braucht, um sich endgültig finanziell zu sanieren. Ein Agro-Industrieller jagt den anderen von seinem Grundstück.
Den Verband dürfte das nicht schocken, jagt er sich doch selbst vom eigenen Grundstück. Das Areal an der Cloche d’Or in Gasperich, wo die Verwaltungsgebäude von De Verband sowie der Gartenzubehörhandel Gamme Vert implantiert sind, dessen Eigentümer laut SUP-Bericht Eigenbedarf angemeldet haben, gehört der Firma Immo De Verband, die laut Firmenregister de Verband gehört. Dort wird der Wert der Liegenschaft auf rund 52,5 Millionen Euro geschätzt. Allerdings wird Immo De Verband seit vergangenem Oktober vom Investor und Promotor Flavio Becca geleitet, und auf Nachfrage des Land räumt Verband-Direktor Jos Jungen ein, die Besitzverhältnisse in der Firma hätten sich entsprechend geändert. Das Geld ist bereits auf dem Konto der Verband-Gruppe und wurde laut Jahresbilanz 2009 dazu genutzt, die Kreditlinien von 43 Millionen Euro (2008) auf 6,6 Millionen Euro zu reduzieren. 1
Die Biog ist den Aussagen ihres Geschäftsleiters Änder Schanck zufolge in der Zwischenzeit aus dem Projekt ausgestiegen und hat in Munsbach eine Distributionshalle angemietet. Der Mietvertrag geht über zehn Jahre und Schanck ist nicht wenig erleichtert, der Polemik um den Agrarzenter-Standort auf diese Art zu entgehen.
Doch nicht nur die Ausgangsbasis der SUP ist zweifelhaft, auch die vom SUP-Team festgelegten Standortkriterien muten sonderbar an. Das gesuchte Gelände musste eine zusammenhängende Fläche von mindestens zehn Hektar umfassen. Weshalb das Gelände so groß sein muss, geht im Detail nicht aus den Unterlagen hervor. Durch dieses Kriterium wurde allerdings das rund sieben Hektar große Areal nahe dem Fahrzentrum in Colmar-Berg ausgeschlossen, das der Verband ursprünglich dem Staat abkaufen wollte – der dazu auch bereit war (d’Land 09.10.2009, 15.01.2010). Eine Option, die der Verband früheren Aussagen seiner Vertreter zufolge, aufgrund der feindlichen Haltung des Colmar-Berger Schöffenrates fallen ließ, nicht weil das Gelände zu klein gewesen wäre. Dass die Biog, für die 1,5 Hektar reserviert waren, abgesprungen ist, wurde nicht berücksichtigt. Jungen zufolge hält man ihr dennoch einen Platz frei. Außerdem, sagt er, müsse der derzeit in Angelsberg angesiedelte Landmaschinenhandel und Reparaturbetrieb dort aus Platzgründen wegziehen und aus finanziellen Interessen – „20 Millionen Euro in zehn Jahren“ – ins Agrarzenter integriert werden.
Skurril ist zudem, dass laut SUP das Projekt unbedingt so nah wie möglich am geografischen Mittelpunkt des Landes angesiedelt werden muss, der zentralen Lage wegen. Ob das für die Mehrheit der Kunden des Agrarzenters tatsächlich kurze Wege und Anfahrtszeiten nach sich zieht, wird nicht dargelegt.
Dass das SUP-Team via Zeitungsannoncen nach Standort-Vorschlägen gesucht hat, mag ungewöhnlich klingen und könnte als Methode von mittelmäßiger Effizienz betrachtet werden. Dass man auf diese Vorgehensweise angewiesen war, liegt aller Wahrscheinlichkeit aber daran, dass unter anderem der Sektorplan Gewerbezonen, der freie Gewerbeflächen ausweisen soll, immer noch nicht vorliegt und es deshalb kein Instrument gibt, das erlauben würde, mit etwas mehr System nach Niederlassungsmöglichkeiten zu suchen. Ein Umstand, den auch der CSAT in seiner rezenten Stellungsnahme kritisiert und dafür die Regierung in die Verantwortung nimmt. Der CSAT fordert deswegen, dass in besagtem Sektorplan eine der Argraindustrie speziell gewidmete Zone ausgewiesen wird, wo sich das Agrarzenter niederlassen können soll.
In der Folge untersuchte das SUP-Team vier Standorte nach ihrer Auswirkung auf die Bevölkerung, die Biodiversität und die Lebensräume von Fauna und Flora, Wasser, Landschaft, Boden, Luft, Klima und Sachwerte, darunter die „Respektierung bestehender nationaler Flächenwidmungen“: Die von den Promotoren vorgeschlagene Liegenschaft In den Laengten nahe Pettingen, Am Seif, nahe der Luxlait auf dem Gelände der Gemeinde Bissen und Jauchwiss, ebenfalls auf Bissener Gelände, gegenüber des Colmar-Berger Fahrzetrums westlich der N7, und zum Vergleich der aktuelle Standort am Merscher Bahnhof. In der durch das SUP-Team erstellten Hitparade belegte Am Seif – im allgemeinen Bebauungsplan der Gemeinde Bissen bereits als Gewerbefläche ausgewiesen – den 1. Rang. In den Laengten und Jauchwiss, belegten die Ränge 1. bis 2. (sic), Schlusslicht der Tabelle war das Gelände am Merscher Bahnhof.
In der Bewertung berücksichtigte das Team, dem auch Beamte des Nachhaltigkeitsministeriums angehörten, und die, unterstreicht Jungen, beim Ranking mitdiskutierten, dass In den Laengten in der größten im Vorentwurf des Sektorplans Landschaften ausgewiesenen Coupure verte liegt, durch die eine weitere Zersiedlung des Alzettetals vermieden werden soll. „Die Bewertung wird aus diesem Grund sehr negativ eingestuft“, heißt es im Zwischenbericht und dass die Auswirkungen nicht durch Gegenmaßnahmen kompensierbar sind. Ein expliziter Hinweis darauf, dass ein rechtskräftiger Sektorplan die Bebauung dieser Flächen illegal und unmöglich machen würde, fehlt hingegen.
Somit entspricht das am Freitag vorgestellte Resultat der SUP nicht dem durch die Prozedur aufgestellten Ranking. Die Erklärung hierfür blieb Jos Jungen nicht schuldig. „Ein Eigentümer in der Jauchwiss will nicht verkaufen. Der Standort Am Seif ist zu teuer“, so Jungen. Ein solches Resultat – dass eine Standortalternative wegen zu hoher Grundstückspreise ausgeschlossen wird – kann bei einer Prozedur, die darauf angelegt ist, die Umweltauswirkungen eines Projektes zu prüfen, doch überraschen. In der Tat, waren Grundstückspreise, ob hoch oder niedrig, kein Kriterium für die Bewertung. Weshalb auch? Deren Auswirkung auf die Umwelt sind begrenzt.
Hinzu kommt, dass Industriebau-Promotor Valeres am Standort Am Seif (Platz 1.) erhebliche Vorarbeit geleistet hat. Valeres hat sich die Grundstücke – unabhängig von der Agrarzen-ter-Problematik – durch Verkaufsabsichterklärungen gesichert und dem Verband angeboten. Jean-Pol Clart, Leiter von Valeres Luxemburg, will den Preis zwar nicht nennen, versichert hingegen aber, nur eine geringe Marge gefordert zu haben. Denn Valeres, die diese Woche am Grundstück Am Seif Zu-verkaufen-Schilder anbringt, unterstützt durch ihre Immobilientransaktionen lediglich die Auftragslage im Hauptgeschäftsfeld: dem Bau von Industrieanlagen. Fairer Preis gegen Bauauftrag, lässt sich das Angebot zusammenfassen.
Auch Jungen will nicht sagen, wieviel Valeres haben wollte. Nur so viel: „Das können wir uns nicht leisten.“ Sollte aber Valeres allen Eigentümern den gleichen Betrag geboten haben, lässt sich die Größenordnung aus dem Preis herleiten, den ein Grundstücksbesitzer dem Mouvement écologique genannt hat: 17 000 Euro pro Ar.2 Schlägt Valeres hypothetische fünf Prozent drauf, ergibt sich für die rund 14 Hektar am Seif ein geschätzter Kaufpreis von rund 25 Millionen Euro. Die Hälfte der Summe, die der Verband insgesamt ins Projekt Agrarzenter investieren will und welche die Firma durch Grundstückverkäufe in den vergangen Jahren eingenommen hat, weswegen sie derzeit weitgehend schuldenfrei aber mit immer noch wenig Eigenkapital dasteht.
Verwirrend ist der Ausgang der SUP aber auch deshalb, weil im Umkehrschluss das Ergebnis erstellt wird: Das Grundstück, das man sich leisten kann, ist geeignet. Jungen verteidigt die verquere Logik: „Es ist das einzige Grundstück, das übrig blieb.“ Wer sich die finanzielle Situation der Verband-Gruppe, die vergangene Woche für 2009 einen Verlust von 373 529 Euro bekannt gab, ansehe, müsse daraus doch die richtigen Schlüsse ziehen, fordert er. Ob er das tut, wenn er schlussfolgert, wer sich in der Gewerbezone kein Grundstück leisten kann, baut in die Grünzone? Vielleicht müsste die Beurteilung lauten: Wer nicht genug Geld hat, um in die Gewerbezone zu ziehen, baut überhaupt nicht.
Bedenklicherweise wird das Ergebnisder SUP nun auch indirekt vom Nachhaltigkeitsministerium mitgetragen, das an der SUP mitgewirkt hat.Daran lässt sich erkennen, wie geschickt De Verband sich mit der freiwillig durchgeführten SUP strategisch aufgestellt hat. Die Prämissen sind nur bedingt nachvollziehbar, die Vorgehensweise bedingt wissenschaftlich, das Resultat unglaubwürdig. Doch wie soll das Nachhaltigkeitsministerium im Rahmen der Flächenneuausweisung, die In den Laengten nötig ist, damit dort gebaut werden darf, seine Landesplanungsziele noch verteidigen, wenn es sie im Rahmen der SUP bereits ausverkauft hat? Eine Stellungnahme der zuständigen Minister, Claude Wiseler und Marco Schank (CSV) konnte bis Redaktionsschluss nicht eingeholtwerden.
Dass die SUP unter der Führung des Verbands stattfand, liegt Jungen zufolge daran, dass es eine „vorgelagerte Prozedur“ war. Sie konnte nicht, wie es das Gesetz über die SUP vorsieht, unter Leitung der Gemeinde durchgeführt werden, deren Flächennutzungsplan geändert wird, weil sie der Standortsuche gedient habe, und deswegen noch nicht feststand, um welche Kommune es sich handeln würde. Ob also im Kontext der Flächenneuausweisung In den Laengten demnach eine neue SUP unter der Regie der Gemeinde Mersch fällig wird? Jungen bejaht widerwillig. Das muss er auch, denn die rechtliche Basis der von ihm veranlassten Prozedur ist bröselig, auch wenn der Verband versucht, sie in der Öffentlichkeit als offiziell und den Ausgang als unumstößlich darzustellen.
Dass er diese Neuausweisung auf jeden Fall veranlassen will, hatte der Merscher Bürgermeister Albert Henkel dem Land schon vor Monaten gesagt. Ob der Umstand, dass mittlerweile die Hälfte der Wahlberechtigten der Gemeinde Mersch die Petition gegen das Agrarzenter Pettingen unterschrieben haben, wie Busna behauptet, kurz vor den Gemeindewahlen Henkels Leidenschaft für das Projekt Agrarzenter in Pettingen erkalten lässt, auch das bleibt abzuwarten.