Seit mindestens 20 Jahren wird angekündigt, dass die nächste Volkszählung die „letzte traditionelle“ sein wird. Das heißt, dass zum letzten Mal rund 2 000 Freiwillige ausschwärmen sollen, um Fragebögen an alle Haushalte zu verteilen und nach zwei bis drei Wochen wieder einzusammeln. Wie es nun wieder zum Stichdatum vom 1. Februar nächsten Jahres der Fall sein wird. Doch bis diese als altmodisch angesehene Erhebungsweise abgeschafft ist, soll es noch einmal 20 Jahre dauern, gab Statec-Direktor Serge Allegrezza diese Woche zu verstehen.
An der Notwendigkeit von regelmäßigen Volkszählungen gibt es im Zeitalter der universellen Quantifizierung kaum Zweifel. Sie dienen dazu, die Zahl der Gemeinderäte und der Majorzgemeinden, der Apotheken und Schankhäuser festzulegen, kommunale bis europäische Steuereinnahmen aufzuteilen, Infrastrukturen zu planen und die Datengier des statistischen Amts der Europäischen Union zu befriedigen. Doch manches spricht dafür, das Volk mit anderen Mitteln zu zäh-len, als wie seit dem 19. Jahrhundert üblich. Denn eine Volkserhebung ist aufwendig, selbst wenn das Volk sehr klein ist. Die Vorbereitung einer Zählung wie auch ihre Auswertung durch das statistische Amt des Wirtschaftsministeriums dauert Jahre. Sie mobilisiert während der Erhebung Tausende von Menschen, die eigens geschult werden müssen. Entsprechend teuer ist auch eine Volkszählung: Die letzte Zählung kostete rund 2,5 Millionen Euro.
Folglich ist die Idee nicht neu, die traditionelle Erhebung durch das Abgleichen bestehender Datenbanken, wie diejenigen der kommunalen Einwohnermeldeämter, der Sozialversicherung, des Erziehungsministeriums und des Arbeitsamts, zu ersetzen. Auf diese Weise, nach der schon die Dänen, Schweden, Finnen und Österreicher durch die Vernetzung von Dutzenden von nationalen Datenbanken gezählt werden, könnten viel Zeit und Geld gespart werden.
1991 war vorübergehend ein zusätzliches Argument zur Beendigung der traditionellen Zählung unter Beteiligung der Gezählten aufgetaucht: Damals hatten die noch nicht wieder vereinigten grünen Parteien auch die gerade jüngste Mode aus Deutschland übernommen und zum Boykott der Volkszählung aufgerufen, die den „totalen Überwachungsstaat“ symbolisieren würde. Der Boykottaufruf blieb unbeachtet.
Das Problem beim Gebrauch bestehender Datenbanken zur Durchführung einer Volkszählung sind aber nicht nur Datenschutzbedenken, sondern vor allem die Unzuverlässigkeit dieser Datenbanken. Trotzdem tauchte bei der bisher letzten Volkszählung etwas überraschend ein weiteres Argument zur Abschaffung der traditionellen Erhebungsweise auf: die zahlreichen Fehler und Widersprüche, welche die Unterlagen enthielten, die dem Statec aus den Gemeinden zugestellt wurden.
Laut den Unterlagen des kommunalen Einwohnermeldeamts hätten 238 Leute in Esch-Sauer wohnen müssen, laut Volkszählung waren es aber 316. Was für ein winziges Nest wie Esch am Lach eine Fehlerquote von 33 Prozent bedeutete, auch wenn sie sich teilweise mit der hohen Zahl der Sommergäste erklären ließ. Aber auch anderswo schienen die befragten Haushalte, die im Akkord entlohnten Volkszähler und die Gemeindeverwaltungen es nicht immer so genau genommen zu haben. Die Auswertung der Volkszählung sollte viel länger dauern, als geplant, um die vielen Irrtümer gerade zu biegen. Damals war der Statec entschlossen, dass dies die letzte traditionelle Volkszählung war.
Doch zehn Jahre später muss noch einmal auf die Fragebogenaktionen von Tür zu Tür zurückgegriffen werden. Denn nach mehr als einem Jahrzehnt war es bis heute nicht möglich, aus dem nationalen Bevölkerungsregister ein zuverlässiges Nationales Register der natürlichen Personen zu machen. Ein solches Register ist aber nötig, um eine möglichst vollständige Liste aller hierzulande wohnenden Personen aufzustellen, die Voraussetzung für eine Volkszählung durch das Zusammenlegen bestehender Datenbanken ist.
Eine der Ursachen für die Schwierigkeiten bei der Erstellung einer solchen Liste ist die starke Migrationsbewegung. 43 Prozent der Einwohner sind Ausländer und sie melden sich nicht immer ordnungsgemäß an oder ab, so dass es in den personenbezogenen Datenbanken viele Karteileichen gibt. Sie können nur aufgespürt werden, wenn die Daten der Gemeinden mit denjenigen der Sozialversicherung und anderer Datenbanken abgeglichen werden.
Dadurch konnte das geplante Nationale Register der natürlichen Personen nicht rechtzeitig zur Vorbereitung der Volksbefragung von 2011 in Betrieb genommen werden. So dass die Gelegenheit genutzt wird, um noch schnell Angaben für den Aufbau eines nationalen Gebäude- und Wohnungsregisters zu sammeln. Und zum Trost dürfen Internet-Surfer ihren Fragebogen mittels Luxtrust ausfüllen – auch wenn nicht ausgeschlossen ist, dass sich dies bloß als teuere Spielerei entpuppen wird.
Für die Erhebung im Februar 2021 soll das zuverlässige Personenregister ganz bestimmt fertig sein, so dass sie in einer Übergangsphase als Zwitterding organisiert werden soll: Auf der Grundlage des neuen Registers sollen Vordrucke mit der Post an alle Einwohner im Land verschickt und anschließend von Zählern an der Haustür eingesammelt werden. 2031 soll dann auf die Zähler verzichtet und völlig auf die bestehenden Datenbanken zurückgegriffen werden. Auch wenn die Abgleichung der Datenbanken von Zeit zu Zeit durch großangelegte Stichproben überprüft werden könnte.