7,6 Millionen Zuschauer verfolgten vergangenes Wochenende den Auftakt der sechsten Staffel Downton Abbey auf dem britischen Sender ITV. Die Serie ist ein absoluter Quotenhit. Was überraschen kann, handelt sie doch vom Schicksal einer aristokratischen Familie zu Zeiten Edwards VII. und von ihrem Personal. Also beispielsweise von jungen Frauen, deren Hauptaufgabe es ist, ihre Tugendhaftigkeit unter Beweis zu stellen und einen geeigneten Mann zu heiraten, der dann anstelle des Vaters über sie entscheidet – nicht unbedingt der Stoff, aus dem Träume selbstbestimmter Mädchen und Frauen des 21. Jahrhunderts sind. Und vom Gesinde der Familie, das im quasi feudalen System nicht nur für sie putzt, kocht, sie fährt, sondern sie badet, sie anzieht, ihnen körperlich also näher kommt, als dies die Schamhaftigkeit, wäre es denn kein Personal, zulassen würde.
Allerdings gibt es vielleicht mehr Parallelen zwischen dem in Downton Abbey dargestellten England Edwards und der heutigen Gesellschaftsstruktur, als die schönen Kostüme vermuten lassen. Die Aufgaben zwischen den Herrschaften – sich fortpflanzen, unterhalten, verwalten, musizieren, ... – und dem Personal – keine Beziehungen führen, von früh bis spät arbeiten, loyal sein – waren klar eingeteilt.
Das ist der Spezialisierung auf verschiedene Aufgaben zwecks Produktivitätssteigerung in der heutigen Arbeitswelt nicht ganz unähnlich. Wohnte das Personal damals unter dem Dachstuhl, outsourct der moderne Mensch zunehmend persönliche Pflichten an externe Dienstleister. Was abstrakt klingt, setzten in Luxemburg fast alle Haushalte um, seit es portugiesischen Gastarbeitern erlaubt ist, ihre Familien mitzubringen: sie engagieren eine Putzfrau. Und seit auch Frauen verstärkt zur Steigerung des Bruttoinlandsprodukt beitragen, indem sie ihre Kompetenzen einsetzen, um einer bezahlten Beschäftigung nachzugehen, boomt der Kinderbetreuungssektor. In Downton Abbey betreut die Nanny die Kinder in der Nursery, damit die Frauen ihren gesellschaftlichen Pflichten nachkommen können.
Von der Zustellung von Einkäufen und der Lieferung von Mahlzeiten abgesehen, wächst hierzulande das Angebot an persönlichen Dienstleistungen. Beim Termin zur Haarentfernung kommt die Kosmetikfachkraft den Kunden oft näher als ihr Lebenspartner. Doch weil sie eine geldwerte Dienstleistung anbietet, hält sich die Scham dabei in Grenzen.
Ganz so intim geht es nicht immer zu. Doch wer hätte in der Synthetik-Schweißband- und Trimm-dich-Zeit der 70-er und 80-er gedacht, dass man Fremden Geld dafür geben würde, damit sie einen beim Sport begleiten? Seit acht Jahren arbeitet der Sportlehrer Yannick Bianchini unter dem Firmennamen Fitby auch als Personal Trainer. Er bereitet Sportmannschaften körperlich auf die neue Saison vor und bietet Firmenfitness an. Er verwaltet firmeninterne Fitnesszenter und bietet Web-basierte Trainingseinheiten und Informationen für die Mitarbeiter von KMU an, die sich keinen Geräteraum leisten. Daneben betreut er individuelle Kunden. Der Service variiert je nach Kundenwunsch. Manche wollen einfach ein bisschen fitter werden, andere abnehmen oder sie bereiten sich auf ein bestimmtes Event, beispielsweise den Schiurlaub oder die Teilnahme an einem großen Rennen, vor. Yannick Bianchini erstellt Trainingsprogramme, gibt Ratschläge. Mit manchen Kunden trainiert er ein bis zweimal, danach setzen sie das Programm alleine fort. Andere sieht er regelmäßig. „Sie brauchen jemanden, der mit ihnen arbeitet, weil sie sonst die Motivation nicht finden“, erklärt er. Mancher Kunde gibt unumwunden zu: „Ich bezahle dich, weil ich zu faul bin.“ Zwischen 60 und 90 Euro für die individuelle Trainingsstunde berechnen Personal Trainer laut Bianchini in Luxemburg. Sie fahren zum Kunden, bringen Material mit, so dass der Trainer oft zwei Stunden beschäftigt ist, wenn er eine Stunde Sport in Rechnung stellt. Wer sich auch nur einmal die Woche vom Personal Trainer anspornen lässt, braucht dafür ein monatliches Budget von mindestens 240 Euro.
Gigja Birgisdottir machte sich 2012 als Image Consultant selbstständig. Das ehemalige Mannequin, das vor seinem Berufswechsel 15 Jahre in der Finanzwelt tätig war, hat dazu ein Diplom am London Image Institute erworben. „Wir arbeiten an der Oberfläche“, sagt sie, „aber die Leute fühlen sich danach innerlich besser“. Besonders Frauen hätten oft ein negatives Selbstbild, schätzten ihren Körper völlig falsch ein. Bei einem ersten Termin bei ihrer Firma Gia in Style, ermittelt die Beraterin die Farbpalette, die zu Hautton und Haarfarbe passt. Danach erstellt sie für die Kunden ein Buch mit Farbenmustern, das sie zum Einkaufen mitnehmen können.
Für mehrere Stunden Farbberatung und Buch berechnet sie 190 Euro. Wer will, kann bei einem weiteren Termin für 140 Euro seine Modepersönlichkeit ermitteln lassen und lernen, welche Schnitte die eigene Figur zur Geltung bringen. Dass ihr Service nur etwas für Wohlhabende sei, bestreitet Birgisdottir entschieden. „Wenn man nur noch Kleider kauft, die einem tatsächlich stehen, ist das Geld schnell eingespart. Und wer die richtigen Farben trägt, braucht weniger Make-up.“ Somit ist ihr Service eigentlich nichts für Modeopfer. Eher das Gegenteil davon, weil er darauf abzielt, unabhängig von Trends den Kleidungssteil zu finden der zur Person und zum Anlass passt. Sie erklärt Geschäftsleuten, welche Kleider die notwendige Seriosität vermitteln. Auf Wunsch kauft Birgisdottir auch mit Kunden ein, die sie bereits kennt. Sie macht dazu eine Vorauswahl in den Geschäften. Statt sich durch den ganzen Laden zu arbeiten, probieren die Kunden also nur noch die Stücke an, die ihnen wahrscheinlich stehen. Daneben hilft die Image Beraterin auch beim Ausmisten des Kleiderschranks, sortiert aus, was nicht in die Farbpalette passt oder nicht die richtige Größe hat und stellt auf Basis des Vorhandenen neue Kombinationen zusammen.
In der neuen persönlichen Dienstleistungsgesellschaft ist es darüber hinaus möglich, Teile des Gefühlslebens an Fremde auszulagern. Hochzeitsplaner suchen den optimalen Rahmen und die Musik für den Heiratsantrag oder die Hochzeitsfeier aus. Damit der sprichwörtlich schönste Tag im Leben stressfrei verläuft, stellt ein Außenstehender die Feier zusammen, sorgt mit personalisiertenm Service für die Romantik. Den glücklichen Gesichtern in den Fotogalerien der Luxemburger Wedding Planner nach zu urteilen, lohnt sich die Investition.
Eine bessere Illustration dafür, wie der heutige Arbeitsrhythmus dafür sorgt, dass nicht nur Haushaltsarbeiten, sondern auch emotionale Bindungen ausgelagert werden als die Entstehungsgeschichte des Hundespazierdienstes Dogwalker.lu gibt es kaum. Luciano Da Conceição Afonso, der mit seinem verstorbenen Hund Chica eine wirklich enge Verbindung hatte, konnte den Border Collie nach einem Jobwechsel nicht mehr so versorgen, wie er das eigentlich wollte. Er fand nicht wirklich jemanden, dem er die Hündin anvertrauen wollte. So entstand die Idee, sich als Dogwalker selbstständig zu machen. Da Conceição Afonso hat damit 2011 in Luxemburg einen neuen Berufsstand gegründet. Dogwalker.lu beschäftigt drei Mitarbeiter Vollzeit und eine Halbzeitkraft. Zusammen führen sie im Schnitt rund 60 Hunde täglich aus. Mit kurz Gassi gehen, hat das nichts zu tun. An einem Hundespaziergang durch Wald und über Wiesen von bis zu 1,5 Stunden nehmen maximal fünf Hunde teil. Wer diesen Service in Anspruch nimmt, zahlt dafür 360 Euro im Monat und vertraut dem Dogwalker-Team neben dem Hund auch seine Hausschlüssel an, damit sie das Tier abholen und zurückbringen können. Neben Hundefriseur-Diensten bietet Dogwalker auch eine Hundetagesstätte an oder Iron-Dog-Spaziergänge, bei denen 30 Kilometer absolviert werden an. „Ich verstehe immer besser, warum der Service ein Erfolg ist“, sagt der Gründer von Dogwalker.lu, der geografisch am Expandieren ist und beobachtet, dass die Konkurrenz zunimmt. „Wer hat denn wirklich Zeit, sich so um seinen Hund zu kümmern, wie es notwendig wäre?“ Während des Interviews führte einer der Kollegen seine beiden Hunde Zoé und Georges aus...