„Ich wollte immer etwas im Bereich der Kunst machen. Viele entschieden sich, bildende Künste zu studieren, um nachher zu unterrichten. Doch Lehrerin wollte ich nie werden. Glücklicherweise kann man nach dem Kunststudium auch andere Wege einschlagen“, erzählt Annick Wolfers. Die in London lebende Fotografin und Filmemacherin hat Motorräder in atemberaubenden Landschaften fotografiert. Und Paul Weller sowie Pete Doherty für Vogue Italia abge-lichtet. Nun will sich die Luxemburgerin ihrem eigenen Projekt widmen.
Während des Studiums an der Université Marc Bloch in Straßburg konzentrierte sie sich zuerst auf Malerei. Dann stieg ihr Interesse für die Fotografie. In den Dunkelkammern der Uni lernte sie das Medium kennen. Trotz der neu entdeckten Leidenschaft war Annick in Straßburg nicht zufrieden. „Mir war dort ein wenig langweilig und ich hatte nicht das Gefühl, im Ausand zu sein, weil dort so viele Luxemburger studieren. Außerdem wollte ich Videos machen und suchte deshalb nach einer lebendigen Videoindustrie, einem Ort, an dem sich regelmäßig Ausstellungen und neue Werke ansehen kann.”
Im Jahr 2000 gab sie ihre Abschlussarbeit in Portraitmalerei ab und schrieb sich für ein Zusatzstudium am Central St. Martins College in London ein. Doch vom Fotografiekurs war sie ein wenig enttäuscht. Praktische Einsichten in die Industrie wurden an der Uni unzureichend geboten. Nach dem Studium ergatterte die frischgebackene Fotografin eine Stelle als Assistentin in einem Studiokomplex in Old Street. Sie blieb anderthalb Jahre. „Ich machte ein bisschen von allem, vom Management bis hin zur Bildbearbeitung.“ Etwas reicher an Erfahrung und mit gutem Kontakten im Adressbuch, wagte sich Annick in die Welt der Freiberufler. Mit Erfolg: Vier Jahre lang reiste Annick für ihren Job um die ganze Welt, half beim Aufbau von Kunstausstellungen und assistierte anderen Fotografen. „Ich habe in Spanien, Südafrika, Amerika, Frankreich, Australien und vielen anderen Ländern gearbeitet, bin für drei bis vier Fotografen regelmäßig im Einsatz.“
Vor allem an die Zusammenarbeit mit einem Spezialisten für Motorradwerbung erinnert sich Annick gerne. „Mit ihm habe ich Shoots für Harley Davidson in Amerika absolviert. Das eigentlich nicht unbedingt meine Art von Fotografie. Aber die extremen Landschaften, die in diesen Werbungen als Hintergrund dienen, haben mich sehr inspiriert“, erzählt sie. „Ich lernte, wie man Kameras auf Autos montiert, oder aus einem Helikopter heraus fotografiert. Das ist fürs Filmen natürlich sehr interessant.“ Professionelle Erfahrung als Kamerafrau hat Annick Wolfers bereits gesammelt. Nicht in der Luft oder in schnellen Autos, sondern beim Portraitdreh mit Indierocker und Skandalnudel Pete Doherty für die Italienausgabe der Modezeitschrift Vogue.
Auch jetzt arbeitet Annick regelmäßig für Modemagazine und macht Werbephotos für Musiker. Daneben verfolgt sie ihre eingenen Projekte. Musikvideos und ein Dokumentarfilm über eine Gruppe von Performance-Künstler sind geplant. Für die nötige Finanzierung wirbt Annick noch, die Dreharbeiten haben bereits begonnen.
„Mich interessieren Roadtrips und Reisen. Wenn ich gerade bei einem Shooting bin, denke ich mir surreale Geschichten aus, die an dem Ort passiert sein könnten“, verrät sie. Sie selbst sieht sich nicht als Konzeptkünstlerin. „Natürlich basieren meine Projekte immer auf einer eigenen Idee. Aber dahinter steht nicht unbedingt ein philosophisches oder intellektuelles Konzept. Meine Fotos sind was sie sind. Mein Werk ist visuell. Ich finde man muss nicht immer alles erklären.“ Annick Wolfers Portfolio ist melancholisch und ausgefallen zugleich. In ihrer Serie Roadtrips sagen die verzweifelten Blicke junger Frauen, die unter rostigen Motel-Schildern und laublosen Bäumen stehen, das Unheil voraus, das am Ende des Highways wartet. Das Mode-Element ist immer vorhanden; ungewöhnliche Kopfbedeckungen und spärliche Bekleidung erwecken den Eindruck, in der Wüste New Mexikos entwischten diesmal statt Thelma und Louise, Lady Gaga und Kate Moss der Polizei.