Ihre Werke wurden von zehn Harfenspieler unter Dinosaurierskeletten im Natural History Museum vorgetragen, sie spielte mit der britischen Indie Band The Wedding Present einige John-Peel-Sessions bei der BBC ein und Studenten im Manchester Konservatorium proben derzeit eines ihrer Werk für ihr Abschlussexamen. Doch es hätte anders kommen können. Denn die Luxemburgerin Catherine Kontz fing nach ihrem Abitur zunächst ein Wirtschaftsstudium an. Nach drei Jahren auf der Pariser Sorbonne brach sie dieses jedoch ab. „Das war eine ganz andere Welt, und ich wollte mein Leben nicht so verbringen“, erinnert sie sich. „Ich hatte davor bereits den ersten Preis im Konservatorium in Luxemburg abgeschlossen, doch hatte mir bis dahin nicht vorgestellt, dies professionell zu machen.“
1999 reiste sie nach London, wo sie sich an der Goldsmiths Universität zum Bachelor of Music einschrieb. Erst acht Jahre später, nach einem Master in akustischer Komposition und einem Doktorat in Komposition, schloss sie ihr Studium ab und blieb weiterhin in London. Dass Catherine Kontz diese Studiengänge auf der gleichen Uni belegte, hatte seinen Grund. „Goldsmith ist eine der liberalsten Musikuniversitäten in England, man kann dort viel experimentieren“, meint die Pianistin. Dies macht ihre Abschlussarbeit deutlich. Catherine Kontz begnügte sich nämlich nicht, Musik zu komponieren, sondern schrieb eine „stumme Oper“, in der 39 Musiker, sechs Mimen, ein Akrobat und ein Zauberer die Geschichte von Mie und MrO, der beiden Hauptfiguren, erzählen. Dieses Verbindung von Theater, visueller Kunst und Musik ist zum Markenzeichen der Komponistin geworden. „Wenn ich bei Aufträgen die volle Freiheit habe, verbinde ich am liebsten Performancekunst mit Musik.“ Momentan studiert Catherine Kontz die Struktur von Luftschiffen und inspiriert sich so für ein elektronisches Stück, das sie für das Projekt Piano+ schreibt.
Doch als eigenständige Musikerin genießt man nicht immer alle gestalterische Freiheit. Neben dem Komponieren gibt die Pianistin und Cellistin auch an drei Tagen in der Woche Privatunterricht. „Ich bekomme zwar immer Aufträge, doch die sind natürlich unterschiedlich bezahlt. Die rund 20 Schüler, die ich unterrichte, erbringen dagegen ein regelmäßiges Einkommen. Zudem sind die Lehrzeiten flexibel, falls ich gleichzeitig an einem größeren Projekt arbeite“, so Catherine Kontz. Während es in London für Musiker normal ist, Unterricht zu geben, sei dies auf dem Kontinent manchmal verpönt, meint die Komponistin. „In Luxemburg heißt das für viele, dass man es nicht fertig bringt, von seiner Kunst zu leben. Doch hier unterrichten auch große Legenden.“
Außerdem genießt es Catherine Kontz, „jeden Tag von Musik umgeben zu sein“, denn viele Musiker arbeiten nebenbei als Buchhalter oder in Bars. „Es gibt natürlich auch die, die nicht gerne unterrichten und lieber auf Hochzeitsfeiern spielen. So was interessiert mich zum Beispiel überhaupt nicht.“ Catherine Kontz erwähnt die finnische Musikszene, die sie durch Henri Vaxbi, ihren Ehemann, ein wenig kennen gelernt hat. „In Finnland ist die Szene klein, da kann man als Hochzeitsmusiker schon mal gute Kontakte knüpfen. Da spielen Leute, die am vorigen Abend mit Amy Winehouse auftraten, am nächsten Tag auf einer Hochzeitsfeier. Hier in London sind das zwei verschiedene Szenen.“
Bekanntschaften und Netzwerke sind für jeden Musiker wichtig, sie führen zu Konzerte und Kollaborationen. Catherine Kontz spielte so zum Beispiel unter anderem John-Peel-Sessions mit The Wedding Present ein, und als ein Kurator des National History Museums auf ihre Stücke Anthill, Salmon Stories und Flyways aufmerksam wurde, wurden diese sogar im Museum unter Dinosauriergebeinen aufgeführt. Ein passender Schauplatz, denn diese Werke beschäftigen sich auf originelle Weise mit Verhaltensmuster verschiedener Tierarten.
In Anthill stellen sich zehn Harfenspieler das Leben in einer Ameisenkolonie vor. Die Noten lesen die Musiker von ausmalbaren A1-Plakaten. Auf dem abgebildeten musikalischen Laufweg, der einem Brettspiel ähnelt, schlagen die Musiker individuelle Wege ein. Genau wie in richtigen Ameisenkolonien müssen die Harfenspieler auf ihrem Ausflug auf Nahrungssuche gehen. Den Verlauf des Beutefangs kann man an der Anzahl der Blätter oder Korken beobachten, die im Laufe des zehnminütigen Stücks zwischen die Saiten des Instruments geklemmt werden.
Für Catherine Kontz war der Übergang vom Studium ins berufliche Leben sehr fließend. „Während meines Master-Studiums fing ich an zu unterrichten, im Doktorat kamen dann die ersten Aufträge“, erinnert sich Catherine Kontz. Tea Ceremony wurde von Harfenspieler Rhodri Davies beauftragt, der es am Melbourne Festival in Derbyshire vorstellte. Danach wurde es im Londoner Spitalfields Festival, am Huddersfield Contemporary Music Festival, während dem Thessaloniki Film-Festival in Griechenland und in der Galerie Nosbaum [&] Reding in Luxemburg gespielt. „Tea Ceremony wird sogar in der Musikhochschule in Manchester im Examen abgefragt“, lacht die Komponistin.
Das Stück hat Catherine Kontz zudem bei Harfenspielern sehr beliebt gemacht. Es folgten weitere Aufträge. „Ich hatte nie geplant, speziell für Harfen zu schreiben, das hat sich so ergeben“, bemerkt Catherine Kontz. Auch in Luxemburg werden bald wieder Werke von ihr zu erleben sein. Für Lucilin, Luxemburgs zeitgenössische Kammerensemble, schreibt sie gerade an einem Stück über einen transparenten Kalzit aus Island, welches voraussichtlich im Herbst aufgeführt wird.
Ein größeres Projekt ist eine geplante Oper, die sich an einem Roman von Maxence Fermine inspiriert. Obwohl die Komposition erst in 2013 im Grand Théâtre in Luxemburg präsentiert wird, arbeitet Catherine Kontz bereits diesen Sommer in ihrer Wohnung im Londoner East End an dem Auftrag. „Im August habe ich Zeit für solche Projekte, denn ich gebe dann keinen Unterricht. Ich denke, ich kann das Stück in eineinhalb Monaten schreiben“, prognostiziert sie. Weitere Projekte stehen in den Startlöchern. Mit French for Cartridge, der Band, die sie mit ihrem Mann gründete, schreibt sie momentan ebenfalls neue Lieder. „Bis zum Ende des Jahres werde ich noch sehr beschäftigt sein“, lächelt die Komponistin zufrieden.