Ein Code de déontologie pour les membres du gouvernement du Grand-duché de Luxembourg stand am Mittwoch ganz oben auf der Tagesordnung des Regierungskabinetts. Das ist die Lite-Version des Ministergesetzes, das Premier Jean-Claude Juncker im April 1998 als Reaktion auf die Dysfunktio[-]nen im Gesundheitsministerium versprochen hatte. Dass der Verhaltenskodex nun wieder auf die Tagesordnung kommt, ist die direkte Folge der im Zusammenhang mit den Immobiliengeschäften in Liwingen und Wickringen erhobenen Vorwürfe gegen einzelne Minister. Während der Parlamentsdebatten vergangene Woche hatte selbst Premier Jean-Claude Juncker, wie einst Jacques Chirac, Zuflucht in der Anosognosie suchen müssen, bevor er einen Verhaltenskodex für Regierungsmitglieder ankündigte. Was den Verdacht aufkommen lassen könnte, dass ein solches Regelwerk für Minister immer in der einen oder anderen „Affäre“ angekündigt wird, um die Gemüter zu beruhigen, und dann schnell wieder in Vergessenheit gerät.
Diesmal machte vielleicht auch die neue französische Regierung ihren Luxemburger Kollegen Mut, als sie Mitte Mai eine Charte de déontologie unterzeichnete. Diese reicht von der Pflicht zur politischen Solidarität und zur Offenlegung wirtschaftlicher Interessen über den Verzicht auf Geschenke von mehr als 150 Euro und Einladungen zu Urlaubsreisen bis hin zu eher demagogischen Auflagen, sich an die Straßenverkehrsordnung zu halten und vorzugsweise Zug zu fahren.
Es ist keineswegs so, als ob die Luxemburger Minister nur den kategorischen Imperativ in sich selbst verspürten. Schon vor vier Jahren hatte Jean-Claude Juncker die Vereidigung seiner Regierungen folgendermaßen beschrieben: „Déi, déi mat mir an enger Regierung waren, wëssen, dass, wa mer vum Grand-Duc aus dem Palais bei mech an de Büro kommen, fir Schampes ze drénken – dat ass esou eng Gewunnecht, ech weess net, ob se gutt ass –, ech ëmmer froen: Wien huet Aktien? Wou huet hien Aktien? Ech wéisst dat gär.“ Es gibt also schon Verhaltensregeln – aber wie das dem CSV-Staat nützlich ist, sind sie Chefsache.
Ein Verhaltenskodex kann durchaus ein zweischneidiges Schwert sein. Denn er kann alleine schon durch seine Existenz den Eindruck aufkommen lassen, dass demokratisch legitimierte Politiker, die im öffentlichen Dienst stehen – anders als die Vertreter privater Interessen, von Aktiengesellschaften bis ONG – , prinzipiell Verdächtige sind. Schließlich heißt seit bald 30 Jahren die Losung, die Staatsquote zu senken; sollen die am besten über allen Verdacht erhabenen Minister gleichzeitig Handlungsreisende im Interesse der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sein; verlangen selbsternannte Saubermänner im Namen der Transparenz und des Kampfs gegen die passive Korruption einseitig Rechenschaft von Vertretern gemeinschaftlicher Interessen.
Auf der anderen Seite kann ein allgemeiner Verhaltenskodex für Minister das Vertrauen des wahlberechtigten Souveräns in seine gewählte Repräsentanten stärken. Ohne dass er wirklich schwerwiegende Korruption oder Vorteilnahme verhindern dürfte, die ohnehin unter das Strafgesetz fallen und seit dem Rücktritt von Premier Félix de Blochausen doch selten sind. Aber es gibt auch Politiker, die im Laufe der Jahre leichtfertig geworden sind, die sich von freundschaftlich verbundenen Unternehmern zur Jagd oder zu Sportveranstaltungen einladen lassen, die zuvorkommend ausländische Botschafter ins Vertrauen ziehen oder in Verwaltungen anrufen, um Verwandten einen Arbeitsplatz zu beschaffen – und das alles für selbstverständlich halten.