Wurden für die bisherigen Photomeetings alljährlich internationale Persönlichkeiten wie James Nachtwey, Herlinde Koelbl oder John G. Morris nach Luxemburg geholt, bleibt man in der elften Auflage, die diese Woche startete, unter sich: Im Kontext der Présidence, so Marita Ruiter, Inhaberin der Galerie Clairefontaine und Organisatorin der Photomeetings, bleibe der Fokus auf Luxemburg beschränkt. Unter dem Motto Six Lives in Photography werden bis Mitte Oktober Werke Luxemburger Fotografen ausgestellt, die in ihrem Schaffen „einen Weg zurückgelegt haben“, so Ruiter.
Historisch bedeutsam ist dabei das Werk Edward Steichens, dem der Espace 1 der Galerie Clairefontaine mit einer Auswahl ikonischer Motive gewidmet ist, während in der Galerie Beim Engel eine Gruppenausstellung Werke fünf zeitgenössischer Fotografen zeigt. Ein Dialog der Bilder dieser Fotografen mit dem Werk Steichens wurde von der Galeristin in Form einer Zusammenstellung von Motiven etabliert und ist im Espace 2 zu sehen.
Die Auswahl im Espace 1 reicht von Steichens piktorialistischen Anfängen, wie etwa der Selbststilisierung als Lichtmaler mit Pinsel, über Porträts bekannter Persönlichkeiten bis hin zu Modefotografien für Vogue und Vanity Fair, deren Kompositionen noch immer Referenzen zur Malerei aufweisen.
Von den zeitgenössischen Fotografen ist beispielsweise François Beschs Werk zu sehen. Wie im Katalog der Photomeetings zu lesen ist, stellt für Besch die Retro-App Hipstamatic, die Handybilder mittels Filter mit einer analog anmutenden Imperfektion versieht, einen zeitgemäßen Ersatz für die Polaroid-Technik dar, die ihn in den Neunzigern aufgrund ihrer unverfälschten Unmittelbarkeit reizte. Dieser Vergleich ist nicht unproblematisch, bilden doch digitale Handyfotos im Gegensatz zu Polaroids die Basis für beliebige Vervielfältigungs- und Bearbeitungsmöglichkeiten. Besch zeigt in seinen charaktervollen Porträts von Personen des Kulturbetriebs einen geübten Blick auf Menschen. Die immergleiche treppenartig abgestufte Vignettierung und die Pixelhaftigkeit ist den Motiven wenig zuträglich. Diese Ästhetik ist aus überbordenden Instagram-Feeds bekannt, wo sie Selfies und anderen Schnappschüssen zu Genüge übergestülpt wird. Neben den Porträts sind Beschs Fotografien von Spaziergängen durch die Luxemburger Landschaft zu sehen, die thematisch gut zur regionalen Ausrichtung der Photomeetings passen.
An den Bildern des gebürtigen Spaniers Andrés Lejona besticht die handwerkliche Präzision, insbesondere in seinen Studioporträts. Lejona versucht, durch Hinzufügen von Symbolen, wie etwa eines Stricks anstelle einer Krawatte, oder durch Verfremdungen, wie bemalte und beschriftete Fotografien, Geschichten zu erzählen und seinen Bildern inhaltlich Tiefe zu geben. Nicht selten wirft er einen humorvollen Blick auf die Motive, der schmunzeln lässt. So ist ein scheinbar verlängertes Stretch-Schaf gezeigt, das aus zwei Tieren besteht, teils durch einen Pfeiler verdeckt. Lejonas Bilder zählen aufgrund ihrer unkonventionellen Darstellungsweise zu den experimentelleren Arbeiten der Ausstellung, was etwa am Porträt eines verstümmelten Kolumbianers deutlich wird, der sich mit seinen Armstümpfen gegen ins Foto eingezeichnete, herabregnende Fischgräten wehrt. Obwohl Lejonas Bilder viel Interpretationsfläche liefern, gestaltet sich der Zugang zu den teils hermetischen Bildern nicht leicht.
Skurril geht es in den Arbeiten Michel Medingers zu. Seine Reliquienbilder aus den Sechzigern von Puppen in Holzkästen, drapiert mit Schnüren, Knochen und welken Blüten, gleichen einem bizarren Kuriositätenkabinett. Aufgenommen wurden die Bilder mit der Magnum-Polaroid-Kamera, einer der größten Polaroid-Kameras der Welt. Einem ähnlichen Stil entsprechen seine späteren Aufnahmen getrockneter oder welker Blüten in Holzkästen. Was Medingers Werk neben dieser Skurrilität prägt, sind die handwerklichen Besonderheiten. Sie beginnen bei der seltenen Aufnahmetechnik, zeigen sich jedoch vor allem in den fotografierten Arrangements, die aufwändig komponierten Skulpturen gleichen.
Lé Sibenaler leistet eine direkte Verknüpfung alter und neuer Werke, die er in einem Dreiklang aus Porträt, Landschaft und Minimalismus zu Triptychen vereint. Die BeautyFotografien aus den späten Sechzigern, auf denen Models – teils ganz im Twiggy-Stil – zu sehen sind, werden mit digitalen Aufnahmen aus der Landschaft kombiniert. Stimmig gerät hierbei das Zusammenspiel der Formsprache in den Posen der Mädchen und den Details aus der Natur. Sibenaler gelingt zudem durch die Verwendung kontrastreicher Schwarzweiß-Bilder auch eine Fügung analoger und digitaler Fotografie.
Marc Wilwert, mit 38 Jahren der jüngste Teilnehmer der diesjährigen Photomeetings, setzt hingegen auf starke Farben. Die Serie Ellipse zeigt Pole-Tänzerinnen, Schmetterlinge, Strip Clubs und Mondphasen, allesamt vor tiefschwarzem Hintergrund. Dem verworren geratenen Begleittext über das Leben als elliptischem Kreislauf um die Sonne glaubt man entnehmen zu können, dass Wilwert von der anziehenden Wirkung des Lichts fasziniert ist und er das Leben als Tanz um selbiges interpretiert. So herrscht viel Dunkelheit in seinen Bildern, was wiederum die Leuchtkraft der strahlenden Farben, wie Neon-Schriftzüge oder angeleuchtete Tänzerinnen, verstärkt und die Motive dabei plastisch wirken lässt. Die Kombination der Bilder ergibt Bezüge zwischen den aufgespießten Schmetterlingen und den gleichsam an ihrer Stange aufgespießten Tänzerinnen. Wie sich die Schmetterlinge jedoch darüber hinaus zu den anderen Nachtgestalten fügen, bleibt offen. Stilistisch bringen Wilwerts Bilder durchaus Frische in die Auswahl der Gruppenausstellung.
Die Ausstellungen der diesjährigen Photomeetings bilden einen ausgewählten Einblick in das Schaffen einiger, aber sicher nicht aller, etablierter Fotografen Luxemburgs, die sich in vielfältiger Ausprägung um das fotografische Erbe Steichens gruppieren. Schade, dass in dieser geschlossenen Gesellschaft der internationale Input dieses Jahr ausbleibt.