Arcelor-Mittal

Männergespräche

d'Lëtzebuerger Land vom 11.05.2012

„Arcelor-Mittal bekennt sich ganz stark und ganz fest zum Standort Luxemburg“, versuchte Vorstandsmitglied Michel Wurth am Donnerstag aus der Defensive zu kommen. Eine Situation, in die er geraten war, nachdem am Montag die CSV-Fraktion vom Konzern verlangt hatte, als Gegenleistung für die staatlichen Gelder, mit denen der Personalabbau beim Stahlkonzern begleitet wird, solle der dem Staat umsonst Grundstücke abtreten, und dem Unternehmen vorwarf, wegen der Werksstilllegungen ungenutzte Verschmutzungszertifikate gewinnbringend zu verkaufen. Nachdem am Dienstagmorgen die Sprechchöre der protestierenden Beschäftigten des eingemotteten Hochofens in Florange auf der Avenue de la Liberté die Jahresversammlung am Hauptsitz begleiteten. Und, nachdem am Dienstagnachmittag Staatsminister Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Nation nicht nur die Argumente der CSV-Fraktion übernahm. Sondern Michel Wurth persönlich angriff, weil er als Vorsitzender der Union des entreprises luxembourgeoises (UEL), zwar die Abschaffung allzu großzügiger Vorruhestandsregelungen fordert, die Regelungen aber als Unternehmenschef in Anspruch nimmt, anstatt dass Arcelor-Mittal den Stellenabbau in den Werken aus den Milliardengewinnen im Konzern finanziert (d’Land, passim). Dazwischen war bekannt geworden, dass Arcelor-Mittal sowohl seine Beteiligung beim Ingenieurbetrieb Paul Wurth, wie beim Energiekonzern Enovos abstoßen werde, was den Bekenntnissen zum Standort Luxemburg nicht unbedingt mehr Glaubwürdigkeit verlieh. Michel Wurth gab sich Mühe, Haltung zu bewahren, und erklärte, „der Premier hat sich innnerhalb des politischen Umfelds ausgedrückt, in dem wir sind (...) und man kann nicht davon ausgehen, dass sich diese Aussagen primär an Arcelor-Mittal wenden.“ Anders ausgedrückt könnte das heißen, besagter Premier habe seinem Publikum nach dem Mund geredet. Damit hat Wurth wahrscheinlich nicht ganz Unrecht. Denn dass die CSV und ihr Staatsminister ausgerechnet jetzt solch barsche Töne gegenüber dem Stahlkonzern anschlagen, da der neue LSAP-Wirtschaftsminister Etienne Schneider und sein Parteikollege Arbeitsminister Nicolas Schmit beim Abschluss der Stahltripartite vor wenigen Wochen Arcelor-Mittal überhaupt einmal konkrete Engagements im Gegenzug für staatliche Gelder abrangen (d’Land, 30.03.2012), sieht ein bisschen danach aus, als wolle die CSV die beiden LSAP-Minister nun von links überholen. 

Michel Wurth sagte am Donnerstag, er wolle einen Termin für ein Gespräch zwischen Jean-Claude Juncker und dem Konzernvorsitzenden und Mehrheitsaktionär Lakshmi Mittal verein-baren, damit Lakshmi Mittal das Bekenntnis zu Luxemburg persönlich wiederholen könnte. Kommende Woche habe man einen Termin mit CSV-Nachhaltigkeitsminister Marco Schank, um ihm detaillierte Informationen in Sachen EU-Emissionshandel und Verschmutzungsrechte der Luxemburger Stahlwerke vorzulegen. „Schon jetzt ist klar, dass wir für die Periode 2013 bis 2020 nicht genug CO2-Zertifikate haben werden“, so Wurth. Deswegen würden die ungenutzten Zertifikate der Luxemburger Werke auf diese Periode des Emissionshandels übertragen und nicht verkauft. Er selbst habe mit Finanzminister Luc Frieden (CSV) schon über die Grundstücksthematik gesprochen, erklärte Wurth weiter. Von einer „Nationalisierung“ von Grundstücken sei dort nicht die Rede gewesen, obwohl man „offene Gespräche“ führe. Als Verwaltungsratsvorsitzender von Paul Wurth blieb ihm nur, zu bestätigen, was Etienne Schneider aus dem fernen Kanada verlautbart hatte: Die Beteiligung von Arcelor-Mittal am Hochofenbauer (von über 48 Prozent) werde an die deutsche SMS-Gruppe verkauft, die ihrerseits Stahlwalzwerke baut. Für die Veräußerung der 23,48-prozentigen Beteiligung von Arcelor-Mittal am nationalen Energieunternehmen Enovos wird der Konzern von Axa Private Equity 330 Millionen erhalten – wodurch die Bewertung des Konzerns insgesamt bei 1,4 Milliarden Euro liegen würde. Die anderen Teilhaber – Eon, RWE, Electrabel, GDF Suez und die öffentlichen Luxemburger Teilhaber – hätten nicht von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen wollen, bestätigte Wurth. 

Michèle Sinner
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