„Der frühere CSV-Familienminister und heutige CSV-Präsident Marc Spautz hat jahrelang eine soziale Selektivität beim Kindergeld gefordert. Wenn das eine Besteuerung des Kindergelds heißen soll, damit sind wir auf jeden Fall nicht einverstanden,“ hatte Premierminister Xavier Bettel (DP) vor 14 Tagen entschieden erklärt. Das wäre dann das Ende der sozialen Selektivität beim Kindergeld, wie sie nicht nur in den Wahlprogrammen, sondern noch im Koalitionsabkommen angekündigt worden war.
Der Minister für Erziehung, Kindheit und Jugend, Claude Meisch (DP), erklärte einen der Gründe für den Meinungswechsel: „Eine Familie mit drei Kindern, die zu zweit arbeitet und ein mittleres Einkommen hat, damit an der Spitze auch schon mit dem Spitzensteuersatz von 40 Prozent besteuert wird, die würde über 5 000 Euro jährlich verlieren, wenn wir das Kindergeld besteuern würden.“ Das heißt, die von der DP besonders umworbenen leistungsfreudigen Mittelschichtenfamilien würden erwartungsgemäß besonders zur Kasse gebeten.
Allerdings ist Meischs Rechnung schon ein Extrembeispiel. Denn laut Berechnungen der Generalsinspektion der sozialen Sicherheit würde die Besteuerung des Kindergelds jede Familie im Durchschnitt 1 400 Euro jährlich kosten.
Zudem sei die Besteuerung „technisch extrem aufwendig und schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, weil wir einen Arbeitsmarkt haben, der so ist, wie er ist, weil wir ganz viele Leute haben aus Haushalten, von denen vielleicht einer hier arbeitet, und einer, der im Ausland arbeitet oder nicht arbeitet. Deshalb ist es ganz schwierig, wie der Teil Kindergeld, der aus Luxemburg kommt, besteuert werden soll. Weil man von Luxemburger Seite aus das Gesamteinkommen des Haushalts von dieser Seite aus auch nicht kennt.“ Die Generalsinspektion der sozialen Sicherheit errechnete allerdings, dass die Steuerlast der Einheimischen um neun Prozent, diejenige der Grenzpendler aber um das Doppelte, um 18,7 Prozent erhöht würde. Dafür würde der Staat 148 Millionen Euro zusätzliche Steuern einnehmen.
Der Verzicht auf die lange auch von der LSAP geforderte Besteuerung des Kindergelds ist ein wenig das Spiegelbild des vor zwei jahrzehnten von CSV und LSAP begonnenen Bemühens, schrittweise die Kinderermäßigung auf der Einkommenssteuer zu senken und parallel das Kindergeld zu erhöhen. Denn von der Steuerermäßigung profitierte am meisten, wer viel verdiente und viele Steuern zahlte. CSV und DP beendeten den Trendwechsel mit ihrer großen Steuerreform 2002. Als die DP wieder in der Opposition war, schufen CSV und LSAP die Kinderermäßigung und die davon abhängigen Steuerklassen, die 1a1, 1a2, 2.1, 2.2 ..., ab und ersetzten sie durch eine Kindergelderhöhung, die auch die Bezieher niedriger Einkommen erreichte. Die CSV nannte diese Kindergelderhöhung werbewirksam „Kinderbonus“, die LSAP sogar irreführend „Negativsteuer“.
Am Ende bleibt der Versuch, die soziale Selektivität wenigstens beim Kinderbonus spielen zu lassen. Das LSAP-Wahlprogramm wollte, dass er „an die Einkommenssituation und Zusammensetzung der Familien angepasst und ähnlich wie bei der ‚Chèque-service’-Regelung im Sinne der sozialen Gerechtigkeit gestaffelt“ werde. Während der Koalitionsverhandlungen ging auch die Rede von der Besteuerung des Kinderbonus. Das würde jede Familie im Durchschnitt 470 Euro jährlich kosten und dem Staat 50 Millionen Euro einbringen. Und zu der bemerkenswerten Situation führen, dass die angebliche Negativsteuer besteuert würde. rh.