Nachdem Premier Xavier Bettel nach der Kabinettsitzung vergangenen Freitag seiner Empörung über die „Teilinformation“ zur geplanten Sonderabgabe und das „Leak“ ans Luxemburger Wort Luft gemacht hatte, war es an Bildungs- und Jugendminister Claude Meisch zu erläutern, wofür die „0,5 Prozent“ gedacht seien: zu „rund 73 Prozent“ für die Mitfinanzierung der Gratis-Kinderbetreuung und zu „rund 27 Prozent“ für die Förderung der Mehrsprachigkeit bereits im Kleinkindalter.
Man wird vielleicht nicht so bald erfahren, ob diese Zweckbindung tatsächlich so gedacht war, als die Koalition die neue Abgabe auf einer ihrer Klausurtagungen im Senninger Schloss entwarf, und ob das Wort mit der Behauptung, neben der Mehrwertsteuererhöhung drohe im neuen Jahr auch eine „Kindergeldsteuer“, populistisch übertrieb. Dafür, dass die Regierung keine Kindergeldsteuer im Sinn hatte, spricht jedoch, dass es eine sozialpolitisch epochale Entscheidung wäre. Denn als die allgemeinen Familienleistungen 1947 eingeführt wurden, ging ihre Finanzierung zunächst vollständig zulasten der Unternehmen. Ab 1959 sprang Schritt für Schritt der Staat bei, und 1994 wurden sie vollständig fiskalisiert. Einen regelrechten Beitrag von „Familienversicherten“ zu Kindergeld oder Schulanfangszulage gab es nie.
Kinderbetreuung und Sprachenförderung gesondert mitfinanzieren zu lassen, klingt dagegen viel harmloser und sogar plausibel. Beide sind noble Anliegen. Und allein ein Versprechen wie die Gratis-Kinderbetreuung ist ein so ehrgeiziges, dass zu einer Zeit, da die EU-Haushaltsregeln Luxemburg „strukturelle Überschüsse“ in der Staatskasse vorschreiben, die Regierung mit einiger Berechtigung eine besondere Solidar-Anstrengung einfordern könnte – eine zwischen kinderlosen Steuerzahlern und solchen mit Kindern.
Gerecht wird die Sonderabgabe dadurch aber nicht. Die Caritas hat diese Woche verlangt, Niedrigverdiener müssten von ihr ausgenommen sein. Das wäre der Fall, wenn mit den 0,5 Prozent, die auf „alle Einkommenarten“ erhoben werden sollen, eine Erhöhung der Solidaritätssteuer um 0,5 Prozentpunkte gemeint wäre. Wessen Einkünfte so niedrig sind, dass sie nicht einkommenssteuerpflichtig werden, wäre von der Sonderabgabe befreit. Ebenfalls alle Einkommensarten aber werden für den Beitrag zur Pflegeversicherung herangezogen. Gewährt wird dort nur ein Abschlag, der einem Viertel des unqualifizierten Mindestlohns entspricht. Es ist also nicht egal, auf welche assiette die Abgabe erhoben würde. Doch wie aus Koalitionskreisen zu vernehmen ist, hat die Regierung diese Frage noch nicht geklärt.
Das Hauptproblem aber besteht weniger darin, dass die DP in ihrem Wahlprogramm 2013 versprochen hatte, es würde gespart, wo es nur geht, ehe an Steuererhöhungen zu denken wäre, und nun offenbar andere Wege gegangen werden. Sondern darin, dass die Koalition in ihrem Regierungsprogramm angekündigt hat, eine große Steuerreform werde für ergiebige Einnahmen sorgen, in ihrer Struktur wettbewerbsfähig, sozial gerecht und ökologischen Prämissen entsprechen. 2016 soll ein Reformentwurf vorliegen.
Nun aber sieht es so aus, als würde schon vorher eine Weiche nach der anderen gestellt. Die Sonderabgabe soll kommen, und der Wirtschaftsminister hat vor drei Wochen erklärt, die Regierung habe entschieden, bis zum Ende der Legislaturperiode nichts an der Unternehmensbesteuerung zu ändern. Aber warum sollten an der Finanzierung von Kinderbetreuung und Sprachenförderung die Unternehmen weniger stark beteiligt sein als die Einkommensbezieher? Mehr Frauen ins Berufsleben zu bringen, ist einerseits ein emanzipatorischer Akt, andererseits eine Mobilisierung menschlicher Produktivkraft. Das gleiche gilt für die Sprachenförderung, die der Arbeitswelt wettbewerbsfähigeres Personal zuführte. Gerecht wäre es, die Sonderabgabe ganz schnell zu vergessen und Kinderbetreuung und Sprachenförderung zu hundert Prozent aus der Staatskasse zu finanzieren.