Also: Auch in Luxemburg sollten überzählige Embryonen aus künstlichen Befruchtungen für Forschungszwecke zur Verfügung stehen. Denn für jede künstliche Befruchtung werden fünf bis sieben Embryonen erzeugt, am Ende aber höchstens zwei genutzt. Die verbleibenden werden für spätere künstliche Befruchtungen tiefgefroren, doch falls kein weiteres Projet parental besteht, müssten sie irgendwann vernichtet werden. Da sei es besser, sie der biomedizinischen Forschung zuzuführen, um vielleicht eines Tages kranke Menschen heilen zu können. Natürlich nur, sofern das betreffende Elternpaar einwilligt und Forschungsprojekte vorliegen, für die nachweislich keine Alternative zum Embryonenverbrauch besteht. So lautet das Verdikt, das die Nationale Ethikkommision am Montag vorstellte.
Weil sie damit nur wiederholt hat, was sie mit großer Mehrheit schon 1999 feststellte, ist nicht ihr Avis 24/2013 erstaunlich. Sondern, dass neben dem Gesundheitsminister von der LSAP auch die Forschungsministerin von der CSV durchblicken ließ, die Zulassung der verbrauchenden Embryonenforschung sei nur eine Formsache. Dabei hatte Mars Di Bartolomeo vor sieben Jahren dem Staatsrat geschrieben, eine Debatte über Embryonen und ihre eventuelle Freigabe für die Forschung könne „die Gesellschaft spalten“ und die Koalition gleich mit. Der Standpunkt der CSV lautete damals, in Luxemburg solle die Embryonenforschung verboten sein – so wie noch heute im ebenfalls sehr katholischen Irland. Was den Schwenk wohl ausgelöst haben mag, da doch die Forschungsministerin am Montag wie ihr Vorgänger François Biltgen 2006 erklärte, weder an der Universität Luxemburg, noch am CRP-Santé bestehe die Absicht, mit embryonalen Stammzellen zu arbeiten?
Es ist dennoch die Hoffnung auf die Wachstumsbranche Biotech. Dass es hierzulande keine Stammzell-Forschungsvorhaben gibt, ist gar nicht so wichtig. Entscheidender ist, dass die 2009 abgeschlossene Partnerschaft mit US-Forschungsinstituten in der Biomedizin bisher kaum ausländische Firmen nach Luxemburg zu locken vermochte. Da kann ein liberales Image in der Embryonenforschung vielleicht auch nicht viel helfen, aber auf keinen Fall schaden. Zumal andere ebenfalls sehr katholische Länder längst zum selben Schluss gekommen sind: Spanien zum Beispiel oder Portugal. Deutschland dagegen lässt nach wie vor nur Arbeiten an importierten embryonalen Stammzellen zu, die vor dem 1. Mai 2007 entstanden sind. Luxemburg könnte bald schon vorteilhafter dastehen.
Weil die Erkenntnis sinngemäß lautet: Wenn Embryonen nicht von uns kommen, liefern die Chinesen sie, kann man nur bedingt feststellen, dass Luxemburg mit der Zulassung der verbrauchenden Embryonenforschung gesellschaftspolitisch wieder ein Stück liberaler werde. In erster Linie würde dieser Schritt ein Kapitel CSV-Bigotterie beenden: Daheim trat François Biltgen seinerzeit für ein Embryonenforschungsverbot ein. Im EU-Ministerrat tat er das Gegenteil, „um die EU nicht zu behindern“.
Nicht für nötig hält es die Regierung dagegen, der künstlichen Befruchtung eine legale Basis zu geben. Man kann das ebenfalls pragmatisch nennen: Ohne anderslautende Bestimmung steht die künstliche Befruchtung auch alleinstehenden und lesbischen Frauen offen. Die Frage, wie aus fremden Samen- und Eizellspenden gezeugte Kinder zu ihrem „biologischen“ Elternteil stehen sollen, soll, sozusagen en passant, ein Unterkapitel des im März im Parlament eingereichten Gesetzentwurfs über die Namensgebung der Kinder regeln. Ein Ja zur Stammzellforschung hier, ein paar Regeln zur künstlichen Befruchtung dort, heißt letzten Endes aber, öffentlich lieber nicht zu viel über „Embryonen“ im weiteren Sinne debattieren zu wollen. Ihren rechten Rand zu fürchten, hat die CSV offenbar noch immer Anlass. Der Trend zu mehr Liberalität ist da ein relativer.