Drei Leichen, ein gehöriges Maß an starken und schwachen Charakteren, wenig interaktive Liebe, dafür aber viel Enttäuschung, Geschlechterhass und Konfusion. In Marco Schanks soeben erschienenem Kriminalroman Die Dornenfrauen herrscht latent eine vielversprechende Spannung, die sich in manch intelligenter Kombination spiegelt und den Liebhaber des Genres zu fesseln vermag.
Einem starken Mann, dem Commissaire Matthieu, gelingt die Entschlüsselung eines fragwürdigen Tagebuchs, welches von einer Dornenfrau namens Marianne verfasst wurde. Mit Dornenfrauen sind "Huren"oder Prostituierte gemeint, und sowohl starke Frauen als auch Frauen, die zu sehr lieben. Alles Frauen, die auf irgendeine Weise für einen Maßstab herhalten müssen, oder gar von etwas Opfer geworden sind, an dem sich aber die Täter selber die Finger verbrennen sollen.
Robert Matthieu, Hauptermittler in den drei Mordfällen, entwickelt sich langsam, aber sicher zum Helden dieser Frauen. Obwohl er ein relativ kleinkariertes Leben führt, präsentiert er uns doch einige coole Seiten. Immer öfter befindet er sich nicht in Kämpferlaune; Sehnsucht nach erlebten Glücksmomenten mit seiner Ehefrau überkommt ihn, und zähflüssige Recherchen sowie Rückenprobleme verunsichern den Kommissar. Zur gleichen Zeit versetzt ihn jedoch diese Gesamtschwäche in einen Zustand vollkommener Ergriffenheit mit dem Mörder und dessen Motiv, das er dank seiner Intuitionen aufdecken wird. Zwei Leichen, ein bisschen in Szene gesetzt, findet man in Luxemburg-Stadt - sie stehen irgendwie in Beziehung zum politischen Milieu.
Desweiteren befinden wir uns in der Gegend um den Stausee, in der wunderbaren Landschaft des Naturparks. Marco Schank serviert uns reichlich oft regionale Produkte wie zum Beispiel Simon Dinkelbier. Robert Mathieu liegt im Gras, "ausgestreckt auf seinem Mantel", und sinniert über den Fall. Die dritte Leiche, eine Badeleiche, passt so gar nicht zu den beiden ersten. Der weitere Lauf der Dinge scheint auch nicht mehr ganz so authentisch zu verlaufen, sondern eher im Imitationsverfahren.
Der Autor lässt es sich nicht nehmen, auch die weibliche Protagonistin Antoinette Lamberty hemmungslos auf ihren Seelenzustand auszuhorchen, eine Politikerin, die unter anderem Artikel wie Les nouvelles Mafias du Sexe im Libre Monde veröffentlicht. Sie scheint viel kompetenter zu sein als Jacoby, den man zur Entschlüsselung von Renert-Zitaten als Fachmann hinzuziehen muss, dessen Eingebung allerdings mehr als schwach ausfällt. Einen weiteren schwachen Mann finden wir in der Person des erbärmlichen Baulöwens Adams vor, der hinterhältig mit Frauen aus Polen handelt.
Dem Autor gelingt es, durch unermüdlich wiederholtes Darstellen der momentanen Sachlage des Lesers vollstes Vertrauen zu ergattern - vor allem in die Fähigkeit des Autors, dem Leser irgendwann die Lösung des Falls auf ganz einfache Weise zu präsentieren. Man wird also an der Nase herumgeführt, falls man den Fall nicht irgendwie selber klären kann. Desweiteren gelingt Marco Schank die Gestaltung einer holprig bäuerlichen Prosa, geprägt von eindeutig luxemburgischer Dickhäutigkeit. Impressionistische Strickmuster wechseln im Roman mit leicht surrealistisch angehauchten Installationen ab, der Autor hat demnach ein natürliches Talent für die Regieführung aufzuweisen. Als bekannter CSV-Politiker lässt Marco Schank es sich auch nicht nehmen, zugleich mehrere Thesen an den Mann zu bringen, zum Beispiel die, dass Handys so etwas wie optimale Frauenbeschützer sein könn(t)en!
Marco Schank: Die Dornenfrauen; Op der Lay, Esch am Lach 2002; 272 S., 13,50 Euro