"Der Sumpf von Syrakus gilt seither als Sinnbild dafür, dass man durch die Beseitigung einer Gefahr eine noch schlimmere heraufbeschwören kann." Mit einer Erläuterung zu Carl Sagans Blauer Punkt im All leitet Anita Kayser ihren neuen, soeben im Saint-Paul Druck veröffentlichten Roman Mord im Eischtal ein. Die Autorin beschreibt das Leben eines kleinen, fiktiven Dorfes nahe Steinfort, dessen Einwohner sich auf ein Burgfest vorbereiten. Das Fest scheint gelungen, bis auf die Tatsache, dass jemand die Leiche einer älteren Frau, Marechen Velten entdeckt. Wenig später wird auch Mockel, ein im Dorf eher als Taugenichts Eingestufter, tot aufgefunden. Die heile Welt, in welche sich die Protagonisten aus dem hektischen Leben der Stadt Luxemburg zurückgezogen haben, beginnt langsam zu bröckeln.
Dialoge und Personenbeschreibungen schildern die allgemeine emotionale Atmosphäre der altmodischen Dorfgemeinde, in der irgendwie jeder mit jedem verwandt zu sein scheint, und die Einwohner sich gerne mit Hilfe von Kosenamen bis hin zu Schimpfwörtern verständigen. Draußen läuft ein Kindermörder durch die naheliegenden belgischen Wälder, Dutroux ist aus dem Gefängnis geflüchtet. Behutsam und detailliert erfährt der Leser kleine Indizien, mit denen er nicht so recht etwas anfangen kann und die er erst viel später zusammenfügen wird. Werte wie Freundlichkeit, Distanz und Respekt fehlen gänzlich, und so sehnt sich der Leser nach Lichtgestalten.
Dies sind zunächst die Hauptfigur Anne, ehemalige Lehrerin, und ihr Freund, der starke Mann in ihrem Leben, Polizist von Beruf und privat ein Gesellschaftskritiker. Die beiden leben in einem romantischen alten Haus, das etwas abgelegen liegt. Anne beteiligt sich rege am Dorfleben, obwohl sie schon dann und wann Mobbing erlebt, wie sie am Anfang des Buches erwähnt. Die dritte Lichtgestalt ist eine gewisse Frau Collet, welche Kunstgegenstände anfertigt, die sie dann sozusagen als Orden an Freunde "verleiht". Sie ist die Königin des Romans. Annes Lebensmotiv kommt mehr an Marcs Beruf heran. Sie beobachtet, erlebt und schlussfolgert.
In fachmännisch detaillierten Naturbeschreibungen erlebt der Leser die große Kluft zwischen der Schönheit der Landschaft und der Grausamkeit der Menschen. Auch Tiere werden im Roman dann und wann verstümmelt aufgefunden! Anne spielt Bridge und ihre gelegentlichen Statements darüber sind geradezu köstlich: "Der Club funktionierte eigentlich wie der Luxemburger Staat. Hier galten nur die Spitzenstars, die ihr Leben dem Bridge gewidmet hatten und einen gehobenen Status für sich beanspruchten. Es gab einige Superspieler, aber dass es nur einige bleiben, dafür sorgen die Betreffenden selbst. Eine Menge Mitläufer liefen den Stars hechelnd hinterher."
Marc wird in den Mordfall verwickelt und vorübergehend vorsichtshalber versetzt. Anne ist nun auf sich selbst gestellt, sie wird mehrere Male belästigt, einmal sogar bedroht. Der Fall wird ihr Fall. Auch Marcs Vorgesetzter Didier durchschaut so Manches. Das Mordmotiv präsentiert sich zwar als etwas trivial, zur gleichen Zeit jedoch als ziemlich abscheulich.
Anita Kayser: Mord im Eischtal, Privatdruck Luxembourg 2002, 238 S., 16,50 Euro