Ein bisschen klingt es schon nach Gary Cooper, Grace Kelly und rauchenden Colts - nur dass der Stoff dramaturgisch nicht durch Fred Zinnemann, sondern durch J.F. Rischard in Szene gesetzt wurde, wobei das "Djéi Eff" im übrigen, ganz unamerikanisch, nicht etwa für John Fitzgerald, sondern für Jean-François steht.
High Noon ist das Buch eines Luxemburgers, noch dazu eines, der es zu etwas gebracht hat in der großen weiten Welt. J.F. Rischard ist nämlich "Vice-President for Europe" der Weltbank. J.F. Rischard hat nicht irgendein Buch geschrieben - nein, es geht schlichtweg um die Zukunft der Menschheit. Die sieht der Autor nämlich akut bedroht. Und der Moment der Entscheidung, bei dem Hoffnung und Zerstörung aufeinander prallen, der High Noon eben, rückt immer näher. Fast könnte man meinen, Fred Zinnemanns Westernklassiker aus dem Jahre 1952 hätte Pate gestanden: auch dieses Mal stehen sich zwei Kräfte gegenüber, nur dass es sich jetzt um das Bevölkerungswachstum und die New Economy handelt. Und die gewinnen, angesichts der Globalisierung, radikal an Bedeutung. Mit beiden Kräften hat der Autor, als hoher Funktionär der Weltbank, direkt zu tun, wie auch mit den 20 schwerwiegenden Problemen, die im Buch aufgelistet sind und schnellstens gelöst werden müssen. Und wieder überrascht uns der Autor, mit der Feststellung etwa, dass Problemfelder wie Armut, Unterernährung und Ungleichheit, aber auch Aids und Umweltverschmutzung resolut angegangen werden müssen.
Der erste Eindruck des Buches wird, je weiter man liest, leider, nur noch weiter bestätigt. High Noon ist (nicht schon wieder!) ein weiteres Globalisierungsbuch, dessen Autor sich größtenteils darauf beschränkt, Bekanntes neu aufzumischen. Dass es sich dabei um zum Teil dramatische Fakten handelt, deren schnellstmögliche Lösung jedem normal denkenden Menschen als zwingend notwendig erscheint, mag dem Buch nur zum Teil seine Legitimität zurückgeben.
Lange 150 Seiten dauert es, bis J.F. Rischard (endlich!) mit der Sprache, das heißt seinen eigenen Vorschlägen herausrückt. Dafür wird das Buch dann auch, für weitere fünfzig Seiten, richtig lesenswert. Rischard formuliert neue Lösungsansätze, da die existierenden Instrumente und Mittel der Völkerverständigung und internationalen Zusammenarbeit, wie etwa Uno, G-7 und internationale Verträge, in ihrer Umsetzung bzw. Entscheidungsfindung viel zu schwerfällig und ineffizient sind. Dafür soll ein ständiges Netzwerk globaler Problemkreise (global issues network), internationale Standards ausarbeiten und deren Einhaltung überwachen.
Die Idee scheint genau so simpel wie genial: "global best practices", also die bestmöglichen Standards sollen verallgemeinert und deren Einhaltung dank öffentlichen Drucks und möglicher internationaler Ächtung kontrollierbar werden.
Eine Art globalisierte, ständige und vernetzte Tripartite, in der Wirtschaft und nichtstaatliche Organisationen mit den Großen der Politik für ein globales Bürgertum werben und in der nationales Denken durch verantwortungsvolles, weil globales Handeln ersetzt wird, ist aber leider ein genauso nobler wie unrealistischer Vorschlag. Denn wer glaubt schon wirklich, George W. Bush und die texanische Ölindustrie würden sich darauf einlassen, in Zukunft mit Amnesty International über die Bürgerrechte in Saudi-Arabien zu diskutieren, derweil afrikanische Diktatoren endlich daran gehindert würden, trotz internationaler Handelsabkommen und -barrieren, sich persönlich durch das Verscherbeln von nationalen Bodenschätzen zu bereichern.
Immerhin, das Buch ist gut dokumentiert und bietet jenem Leser, der sich zum ersten Mal mit dem Thema Globalisierung auseinandersetzt, einen Ansatzpunkt, um Zusammenhänge besser zu verstehen. High Noon ist in diesem Sinn, und darin liegt seine vorwiegende Stärke, ein fast schon pädagogisches Buch - nicht mehr und nicht weniger.
Und auch darauf sollte, kann, darf? man stolz sein: es ist das Buch eines waschechten Luxemburgers, der internationales Ansehen genießt.
Jean-François Rischard: High Noon - Twenty global issues, Twenty years to solve them, [in englischer Sprache], 2002, Verlag Basic Books, 241 Seiten, ISBN 0 465 07009 4, gesehen bei Ernster für 54,54 Euro