Es erscheinen hierzulande so wenig politische Bücher, dass man keines unerwähnt lassen sollte. Nach Der 700 000-Einwohner-Staat. Oder: Über die Angst der Luxemburger, zur Minorität im eigenen Land zu werden (2001) und Welche Zukunft für Luxemburg? Muss unser Land tatsächlich zu einem 700 000-Einwohner-Staat werden? (2002) nimmt Romain Kirt nun schon seinen dritten Anlauf, um die Tür in der Rentenmauer einzurennen, die Jean-Claude Juncker sperrangelweit geöffnet hat, damit diejenige der Beitragserhöhungen verriegelt bleibt. Die Rehabilitation des Politischen. Von der angeblichen Ohnmacht der Politik vor der nur scheinbaren Allmacht der Wirtschaft erzählt noch einmal, dass die Gesellschaft kein komplexes, widersprüchliches und dynamisches Gebilde ist, sondern sich im Wesentlichen auf drei Bestandteile beschränkt: da gibt es zum einen den aufgeklärten Autor, zum zweiten das dumme Volk und zum dritten die feigen Politiker mit Ausnahme des Vorgesetzten und Parteichefs des Autors, des erwähnten "Herrn Juncker".
Nach dem teilweise betrügerischen Bankrott der New economy hätte der Titel vielleicht eine Globalisierungskritik aus der konservativen Ecke vermuten lassen. Doch selbst diese Erwartung ist zu hoch gesteckt. Der Autor verbreitet noch einmal ungeordnet und in einem lächerlich gestelzten Ton seine aus den anderen Heften bekannten Stammtischweisheiten, wie "die Luxemburger sind ein traditionell risiko-averses Volk" (S. 30) und "das Goldene Kalb der Luxemburger sind scheinbar die Renten" (S. 41). Den Lesern bleibt keine Perle aus dem Zitatenlexikon erspart, von Gandhi bis Helmut Schmidt, hinauf und herunter.
Wie im vorherigen Bändchen ärgert sich Roman Kirt über den Sozialstaat, der "ist für eine moderne Marktwirtschaft entschieden zu viel" (S. 54), und über den "übermäßigen Einfluss von Gewerkschaften und Interessenverbänden" (S. 56). Schuld sei die "fast schon pathologische Züge aufweisende Anspruchs- und Besitzstandsmentalität vieler Bürger" (S. 54), des Autors, wie stets in diesen Fällen, natürlich ausgenommen. Einen Hoffnungsschimmer erblickt Roman Kirt in diesem Morast von Charakterlosigkeit und Rentenerhöhungen in der "Zivilgesellschaft" und Bürgern, "die den Boden des gesunden Menschenverstandes noch nicht verlassen haben" (S. 36), wie die Beispiele "der Hausfrauendebatte, der Jagd-Debatte, der Integrations-Debatte" (S. 23) zeigten.
Bemerkenswerterweise erscheint Demokratie niemals als ein Wert an sich. Im Gegenteil: Die Not im Land rühre daher, "dass es an genuiner politischer Führung fehlt" (S. 13), dass ein "Mangel an meneurs d'hommes" (S. 13) herrsche, dass "herausragende charismatische Führungspersönlichkeiten mit Visionen und Idol-Charakter, die die Marschrichtung vorgeben," (S. 13) nötig seien. Denn Politik sei schließlich "die Kunst, die Menge zu leiten: nicht, wohin sie gehen will, sondern, wohin sie gehen soll" (S. 14). Dieser Ruf nach einem neuen Führer macht aus Die Rehabilitation des Politischen ein anti-demokratisches und offen reaktionäres Pamphlet. Dass es als Schrift eines CSV-Regierungsrats im Verlag des Tageblatt erschienen ist und von diesem sowie von RTL als mutiges, angeblich von einem "Maulkorb" bedrohtes Werk gefeiert wird, ehrt die Sankt-Paulus-Druckerei sicher ohne jegliches Verdienst.
Romain Kirt: Die Rehabilitation des Politischen. Von der angeblichen Ohnmacht der Politik vor der nur scheinbaren Allmacht der Wirtschaft. Éditions Le Phare, Esch-Alzette 2002, 76 S., 13,50 Euro