„Bei allem Respekt, aber das ist keine seriöse Arbeit“, so lautete das etwas ungehaltene Fazit von Gilles Roth, rechtspolitischer Sprecher der CSV, am Mittwoch in Richtung Regierungsbank. Dort saß, adrett in Dunkelblau gekleidet, Justizminister Félix Braz(Déi Gréng), verantwortlich für den Gesetzentwurf, über den abgestimmt werden sollte. Davor hatte seine Parteikollegin Sam Tanson, Berichterstatterin, den Text vorgestellt, der die EU-Richtlinie über die Unschuldsvermutung in nationales Recht umsetzen soll.
Dabei hatte der Vormittag für Minister Braz gut angefangen: Mit 57 von 60 Stimmen hatte das Parlament eine halbe Stunde zuvor dem Gesetzentwurf zugestimmt, der es Trans- und Intersexuellen erlauben wird, ihr Geschlecht und ihren Namen unproblematisch beim Standesamt zu ändern. Damit habe, so der Justizminister nach der Abstimmung stolz, Luxemburg ein Transsexuellengesetz, das neben Norwegen zu den fortschrittlichsten in ganz Europa zähle. Ein wichtiger Imageerfolg für den grünen Politiker, dessen Partei sich die Grundrechte auf die Fahnen geschrieben hat – und der in den zurückliegenden fünf Jahren etliche Reformen auf den Weg gebracht hat.
Da wäre gleich zu Beginn seiner Amtszeit die Gleichstellung von homosexuellen und heterosexuellen Paaren in der Ehe, die Schwulen und Lesben in allen Hinsichten gleiche Rechte einräumt, auch bei der Adoption. Das Nationalitätengesetz, das Ausländern den Zugang zur luxemburgischen Staatsangehörigkeit erleichtert und die obligatorische Residenzdauer von sieben auf fünf Jahre gesenkt sowie die Bedingungen für die luxemburgischen Sprachtests gelockert hat, hatte Braz im Februar 2017 durchs Parlament gebracht, ebenso die Reform des Schwangerschaftsbruchs, die das Selbstbestimmungsrecht ungewollt schwangerer Frauen stärkt, Abtreibung vollends entkriminalisiert und statt Zwangsberatung ein Beratungsangebot vorsieht und somit heute zu einem der liberalsten Abtreibungsgesetzen in Europa zählt.
Reformreigen aus dem Hause Braz
Höhepunkt im Reformreigen, sozusagen Braz’ Meisterstück, ist das neu formulierte Familienrecht und das Scheidungsverfahren, eine Reform, an der seit 30 Jahren gedoktert wurde und die Braz mit neuem Anlauf zum Abschluss gebracht hat. Und, last but not least, die Strafvollzugsreform, die das Gefängniswesen neu aufstellt und einen stärkeren Akzent auf Reintegration und Resozialisierung verurteilter StraftäterInnen legt. So gesehen, also eine durchaus positive Bilanz des Justizministers, was seinen Beitrag beziehungsweise den seiner Beamten und Beamtinnen angeht, um das Versprechen der DP-LSAP-Déi Gréng-Regierung von der gesellschaftlichen Modernisierung umzusetzen.
Doch ein genauerer Blick zeigt: So toll ist die Bilanz doch wieder nicht, beziehungsweise der schöne Lack hat einige Kratzer. Wichtige Reformprojekte hat Braz von Vorgänger François Biltgen (CSV) übernommen. Das gilt für die Homoehe ebenso wie für die Reform des Strafvollzugs- oder die Justizreform. Bei Letzterer war Biltgens Entwurf sogar ambitiöser, der neben einem Justizrat, um die Unabhängigkeit der Gerichte zu sichern, auch eine Reorganisation der Gerichtsbarkeiten mit einem neuen Obersten Verfassungsgericht vorsah. Der Slogan, die dynamische Dreierkoalition habe den reformerischen Frühjahrsputz erst möglich gemacht, stimmt in der Absolutheit also nicht. Braz hat etliche der Vorlagen seines Vorgängers zwar mehr oder weniger stark überarbeitet – mit der Homoehe bekam die Volladoption für homosexuelle Eltern grünes Licht, mit der sich die Christlich-Sozialen lange schwer taten; auch bei der Strafvollzugsreform kamen wichtige Änderungen hinzu. Doch verabschiedet wurden diese Reformen im Schweinsgalopp: Die Strafvollzugsreform war die letzte Großtat von Parteikollegin Viviane Loschetter, die sich aus der aktiven Politik zurückzieht. Die grüne Fraktionschefin und Präsidentin des Justizausschusses ist wie Braz von Haus aus keine Juristin und musste sich in die oft komplizierten Dossiers erst einarbeiten. Die Neuauflage der Scheidungsreform kam im Mai 2016 ins Parlament, verabschiedet wurde sie in der zweiten Junihälfte dieses Jahres. Dabei hatte der Justizminister ihre Umsetzung ursprünglich für Winter 2016 Aussicht gestellt.
Über die Zeit ist Braz mit solchen terminlichen Ankündigungen vorsichtiger geworden. Zu Recht, denn er lag oft weit neben seiner selbst gesetzten Zielmarke. Ohne die tatkräftige Unterstützung von Staatsrat und Parlament, ohne eine erhebliche Straffung des legislativen Verfahrens, teils an der Grenze dessen, was sich in einer Demokratie, die sich selbst ernstnimmt, noch ziemt, wären wichtige Reformen nicht mehr in dieser Amtszeit durchgegangen. So eng war das Timing.
Das erklärt auch den Ärger der Oppositionsparteien. Für die EU-Richtlinie über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren, die am vergangenen Mittwoch im Parlament debattiert wurde, ein zentraler Baustein beim Bemühen, Kernprinzipien der Strafverfahren und Rechte der Verteidigung EU-weit anzugleichen, hatte der Staatsrat gerade zwei Wochen Zeit zur Begutachtung. Die Mitglieder des Justizausschusses erhielten sein Gutachten am 11. Juli, am 18. Juli lagen die Änderungsvorschläge des Justizministers vor, die an einem Vormittag im Ausschuss diskutiert und gutgeheißen wurden. Der Tour-de-force-Ritt war nicht nur nötig geworden, weil sich die Sommerpause und damit das Ende der Amtsperiode von Blau-Rot-Grün nähert: Luxemburg ist europaweit Nachzügler; die Frist, die Brüsseler Vorgaben zur Unschuldsvermutung umzusetzen, war im April abgelaufen.
Verpeilte Zeitplanung
Das ist bei weitem nicht das einzige Dossier, mit dem sich Braz bei der Zeitplanung kräftig verhoben hat: Sein Text zur Richtlinie zur Europäischen Ermittlungsanordnung lag den Parlamentariern ebenfalls drei Monate nach Ablauf der Frist zur europaweiten Umsetzung vor. Auch seine Taktik, zunächst die vierte Anti-Geldwäsche-Direktive anzugehen, konnte Braz so nicht umsetzen: Die Frist vom Juni 2017, um die vierte Direktive umzusetzen, hat Luxemburg verpasst, im Dezember vergangenen Jahres leitete die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Großherzogtum ein. Nun sollen also die vierte und fünfe Direktive zusammen umgesetzt werden, wodurch das Transparenzregister für jedermann und jedefrau von Beginn an zugänglich würden. Zuvor sollten das Firmenregister nur Personen einsehen können, die ein „legitimes Interesse“ vorweisen konnten, um Informationen über die wahren Eigentümer zu erlangen. Die Journalistenvereinigung ALJP hatte nach der Enthüllung der Panama Papiere gefordert, den Zugang direkt freizugeben.Auch Braz’ Herzensanliegen, das Nationalitätengesetz, dauerte deutlich länger als geplant. Diese Verspätungen haben einerseits damit zu tun, dass das Ministerium für das gewaltige Arbeitspensum offensichtlich zu knapp besetzt ist. Kürzlich sind mit Jeannot Berg, der im Mai dieses Jahres in den Ruhestand trat, und der Juristin Claudine Konsbrück, die für den aus der Nationalpolitik Ende Juni scheidenden Marcel Oberweis ins Parlament nachrückte, dem Ministerium zwei erfahrene Beamte abhanden gekommen.
Eine plausiblere Erklärung ist aber Braz’ Arbeitsmethode: Was er in Interviews als Gründlichkeit bezeichnet – seine Neigung, jedes Dossier peinlich genau zu studieren und in endlosen Arbeitssitzungen einen breiten Konsens zu finden –, strapaziert sogar die Geduld seiner Kabinettskollegen. Es sei besser, eine Reform gründlich vorzubereiten und einen guten Entwurf vorzulegen, entgegnet Braz gewöhnlich auf Kritik, er arbeite zu langsam. Doch sein Anti-Terror-Gesetz beispielsweise musste er drei Mal nachbessern, bevor es mit großer Verspätung verabschiedet werden konnte, weil der Staatsrat mehrfach Fundamentalkritik ausgerechnet hinsichtlich gefährdeter Grundfreiheiten anbrachte.
Pedantisch und korrekt
Dem Depot seiner Reform des Nationalitätengesetzes ging ein langer Prozess der politischen Konsensfindung voraus, die in seinen eigenen Parteireihen für nervöses Füßescharren sorgte. Denn die Dreierkoalition hatte sich gerade erst mit der Dreifach-Ohrfeige beim Referendum ordentlich blamiert und brauchte nun zügig einen Erfolg, um das Versprechen, mehr politische Partizipation und bessere Integration zu ermöglichen, irgendwie doch noch einzulösen. Die Beratungen zahlten sich schlussendlich durch die Zustimmung der CSV aus, Claude Wiseler, mit dem sich Braz gut versteht, lobte die vorbildliche Zusammenarbeit, die Braz’ Parteifreunde als Hängepartie empfanden. Er hätte es einfacher haben können, hieß es hinter vorgehaltener Hand. Kabinettskollegen sollen ihm gut zugeredet haben, die CSV-Vorlage quasi zu übernehmen, um das heiße Eisen endlich vom Feuer zu bekommen.
Für Braz kam das nicht in Frage. In dem Sinne ist der Grüne, der bei politischen Auftritten oft sehr gefasst, fast steif wirkt, sich selbst treu geblieben. Braz, der zu den Grünen durch einen Zufall stieß und nicht wie sein Kollege François Bausch oder Camille Gira als Aktivist erste Sporen verdiente, hatte das Thema politische Partizipation früh, seit Beginn seiner politischen Laufbahn Anfang der 1990-er Jahre, im Blick, etwas, das ihm Zuspruch insbesondere unter ausländischen Mitbürgern einbrachte. Als junger Sekretär der realpolitischen grünen Splittergruppe Glei hatte Braz zunächst Grünen-Mitbegründer Jup Weber beraten und war ihm 1994 als parlamentarischer Mitarbeiter nach Brüssel ins Europäische Parlament gefolgt. Nachdem er sich mit dem streitbaren Weber überworfen hatte, konzentrierte sich Braz neben dem Generalsekretariat, das er bis 2003 innehatte, auf die eigene politische Karriere: 2004 zog er als Süd-Abgeordneter der Grünen erstmals in die Abgeordnetenkammer ein, da war er 38 Jahre alt.
Mehr Beteiligungsrechte für Ausländer und Grundrechte allgemein waren zentrale Forderungen für den Sohn portugiesischer Einwanderer – und sie sind es bis heute geblieben. Anders als der linkeren Gap ging es Braz damals weniger um direkte Demokratie; ihr stand der Realo skeptisch gegenüber. Das erklärt vielleicht, warum Déi Gréng ein Transparenzgesetz mittragen können, von dem ausgerechnet die Umweltorganisation Movement écologique sagt, es sei ein „Informationsverhinderungsgesetz“ und an die Abgeordneten appellierte, mit Nein zu stimmen.
Braz war während der kurzen, dilettantisch organisierten Referendumskampagne zum Ausländerwahlrecht eines der wenigen Regierungsmitglieder, die sich deutlich zum Ja bekannt und aktiv dafür eingesetzt hatten. Dabei verstand sich Braz stets als Luxemburger mit portugiesischen Wurzeln. Seine Herkunft hat er nie verleugnet; in die Vitrine gestellt hat er sie aber auch nicht. Bei portugiesischen Wählern steht der Politiker, der in Beliebtheitsumfragen eher mittlere Ränge belegt, gleichwohl hoch im Kurs, er gilt als Vorbild für gelungene Integration.
Das passt zur Gesamterscheinung: Auf viele wirkt der korrekt gekleidete schlanke Mann mit den graumeliertem Schopf eher unscheinbar, wie ein liebenswerter Schwiegersohn. Braz scheint stets im Hintergrund zu sein. Sein ruhiges Auftreten und die Verspätung wichtiger Reformprojekte führten dazu, dass seine nicht unerheblichen Beiträge vergleichsweise wenig Echo in den Medien fanden. Als der Streit um die Jugendschutzreform im Frühjahr 2017 offen ausbrach, ein weiteres Dossier, das Braz bei Amtsantritt zu seinen Prioritäten gezählt hat, das aber bis heute nicht abgeschlossen ist, wurde der Minister kritisiert, er habe keine eigene Linie und könne sich nicht gegen die mächtige Richterschaft durchsetzen.
Der Eindruck täuscht: Anders als von manchen Medien dargestellt, verfolgt Braz seine Ziele durchaus beharrlich und ist dabei nicht ohne Erfolg – auch wenn er des öfteren dafür grüne Inhalte ausgesprochen großzügig (um)interpretiert. Beim Jugendschutz plädiert Braz für ein zweites Jugendgefängnis neben der geschlossenen Jugendanstalt in Dreiborn, um das ungelöste Problem heranwachsender Straftäter zu lösen, wie er sagt. Dass die Grünen sich früher vehement gegen das Wegsperren von Jugendlichen und für mehr dezentrale offene Betreuungsstrukturen einsetzten, kümmert ihn nicht weiter. Er spreche nicht in seinem eigenen Namen, „sondern immer als Justizminister“, verteidigte er sich im Land-Interview.
Was bei den einen als Opportunismus ankommt und wie große Zugeständnisse an den politischen Gegner aussieht, ist für Braz Teil der demokratischen Konsensbildung. Dass er keine Skrupel hat, auch mal kräftig Wasser in den Wein zu schütten und grüne Werte, wenn nicht über Bord zu werfen, dann doch hintanzustellen und dann nicht verlegen ist, den Sinneswandel schönzureden, zeigte sich besonders deutlich beim Burka-Gesetz, oder Verschleierungsverbot, wie es Braz nennt. Die politische Kehrtwende seiner Regierung, die zuvor gesagt hatte, ein Burkagesetz sei nicht nötig, stritt Braz hartnäckig ab und verteidigte sie vielmehr als „zum damaligen Zeitpunkt, mit dem damaligen Wissenstand und der damaligen Faktenlage richtig“. Es habe keinen Umschwung der Absichten gegeben, sondern nur der Weg habe sich geändert, sagte Braz dem Luxemburger Wort, ein Interview, das als Musterbeispiel für die rhetorischen Kniffe eines Vollblut-Politikers gelten kann, der um keinen Preis zugeben will, dass er ein Versprechen nicht einhalten will oder kann.
Realpolitiker von Anfang an
Diese flexible Haltung ist nicht überraschend: Schon 1994, angesichts der Fusionspläne zwischen liberalerer Glei und linkerer Gap und dem Ausblick auf Wahlgewinne, schrieb der junge Braz in einem Zu Gast im Land: „Eine Politik des Machbaren ist die einzige Alternative in Krisenzeiten.“ Und es waren Krisenzeiten, in denen die Dreierkoalition 2013 das Zepter von der CSV übernahm, das hatte Braz in Gesprächen vor und nach der vorgezogenen Wahl stets unterstrichen.
Es war der zehn Jahre jüngere Braz, nicht Fraktionschef François Bausch, der sich am Wahlabend des 20. Oktobers 2013 von der Niederlage seiner Partei am schnellsten erholte, sich zur Dreierkoalition bekannte und die Grünen dann konzentriert durch die Verhandlungen führte. Sein Verhandlungsgeschick konnte er kurz darauf, als frisch gebackener Justizminister, erneut unter Beweis stellen, als er unter Luxemburger EU-Ratspräsidentschaft kniffelige Themen wie die Datenschutz-Grundverordnung verhandelte, die Vorratsdatenspeicherung oder den Umgang mit Fake News. Während der Datenschutz wegen intensiver Vorarbeiten recht zügig beschlossen werden konnte, ist die Vorratsdatenspeicherung, bedingt durch ein Urteil des Europäisches Gerichtshofs, über dessen Lesart bis heute gestritten wird, noch immer nicht weiter. Er wolle eine europäische, keine nationale Lösung, hatte Braz damals betont. Seine Partei hatte sich zuhause und in Brüssel stets gegen die Massensammlung von Daten ohne konkreten Verdachtsmoment gewehrt. Gerade so wie übrigens bei der Fluggastdatenspeicherung, die diese Woche im Luxemburger Parlament verabschiedet wurde und die die Grünen mitstimmten, obwohl der heutige Staatssekretär für Umwelt, Claude Turmes, seinerzeit im Europaparlament dagegen gestimmt hatte und die teils erheblichen Rechtsbedenken in punkte Eingriff in Grundfreiheiten keineswegs aus der Welt sind: Obwohl die Datenberge angeblich der Terrorismusbekämpfung dienen, sind Privatflieger der Reichen von der systematischen Datenerfassung ausgenommen. Auch ist die Wirksamkeit der Massenerfassung umstritten; Braz hat in seiner Amtszeit nichts dafür getan, um bereits vorhandene erweiterte Befugnisse von Polizei, Staatsanwaltschaft und Geheimdienst auf ihre Wirksamkeit überprüfen zu lassen.
Inhaltliche Elastizität und Pragmatismus pflegt Braz eben nicht erst als Justizminister. Braz war immer Realpolitiker und hat daraus, dass er, um mehrheitsfähig zu sein, schmerzhafte Kompromisse eingehen würde, nie einen Hehl gemacht. Zunächst versucht der ehemalige Journalist stets seine Kontrahenten zu überzeugen. In den Fusionsgesprächen zwischen Glei und Gap saß Braz am Verhandlungstisch und einstige Weggefährten erinnern sich teils mit Schrecken, teils mit Bewunderung an die Beredsamkeit und Sturheit, die Braz befallen konnten, wenn es darum ging, etwas für seine Seite herauszuschlagen. Braz kann andere unter den Tisch reden – eine Fähigkeit, die ihm als Berufspolitiker heute dienlich ist: JournalistInnen stöhnen schon mal auf, wenn ein Besuch im Justizministerium auf dem Kirchberg ansteht, denn Braz ist bekannt für ausufernde Treffen. Die Transkriptionen der Gespräche mit ihm gehören zu den längsten überhaupt. Eine Unterredung mit der Zeitschrift Forum spiegelt einen typischen Interviewverlauf wider: Braz belehrt, er weiß zu sticheln – und er hält ellenlangen Monologe, die locker eine Seite füllen.
Oft wiederholt er sich. Bei den Beratungen zur Jugendschutzreform, seit 2013 eine Art Dauerfehde zwischen Sozialberufen einerseits, die fordern, die Justiz möge sich bei Jugendhilfeanliegen stärker zurückhalte, und Jugendrichtern und -staatsanwälten andererseits, die ihren großen Handlungsspielraum verteidigen, soll Erziehungsminister Claude Meisch (DP), eigentlich selbst um keine Worte verlegen, irgendwann die Verhandlungen Beamten überlassen haben, um weiteren Überzeugungsversuchen des Kabinettskollegen aus dem Weg zu gehen. Und viel spricht dafür, dass grüne Wählerinnen und Wähler Braz den gefundenen Kompromiss, mehr Dezentralisierung und die Vertagung der Reform, nicht einmal ankreiden werden. Vielleicht trägt sogar gerade der Schlussspurt dazu bei, dass sie meinen werden, Braz habe wichtige Gesellschaftsreformen in letzter Minute durchgeboxt. Und dank Tram und Landesplanung steht die Partei beim Kernthema, Umwelt- und Naturschutz sowie Nachhaltigkeit, recht positiv da. Aktuelle Meinungsumfragen in der Bevölkerung sehen eine schwarz-grüne Koalition als beliebteste politische Farbkonstellation vorne.