Pünktlich zum Start der Tour de France haben Éditions Saint-Paul ein Buch über einen der wenigen berühmten Luxemburger ins Sommerloch geworfen: über Fränk Schleck, Bezwinger der Alpe d’Huez und Liebling eifriger Fähnchenschwenker, die in anderen Sportarten fast immer zu kurz kommen.
Das Titelbild verheißt die Geschichte eines Sportgiganten mindestens antiken Formats. Ein Held, so soll der Leser offenbar im Angesicht des Schweißes denken, der in Strömen am nackten Oberkörper des ehemaligen Radprofis herabfließt, einer, der hart im Nehmen ist, zielstrebig, dynamisch und unermüdlich. Im Vorwort kündet Kim Andersen, der die größten Erfolge der Schleck-Brüder als Sportdirektor von CSC begleitete, von „geradezu historischen Siegen“ und umreißt damit die Dimensionen, in denen hier gedacht wird: Schleck als Quasi-Feldherr, dessen Heldentaten „den Weg in die Geschichtsbücher gefunden [haben]“, der schon als Jugendlicher mit zwei Freunden ein „Triumvirat“ der sportlichen Freizeitgestaltung bildet, und der auf dem Höhepunkt seiner Karriere „[e]in bisschen nach der Art eines Heerführers, der den Erdball umschreitet“, „Kämpfer für seinen Feldzug“ sammelt. Mit seinem Buch tritt der Sportjournalist Christophe Nadin offenbar an, die Bildungslücken der Geschichtsvergessenen aufzufüllen, denen diese epochalen Momente in ihrer Zerstreutheit entgangen sind.
Das vermeintliche Epos beginnt mit dem Ende von Schlecks Karriere als professioneller Radfahrer mit Mitte Dreißig. „Innerhalb weniger Minuten“ sei die Entscheidung gefallen, den Vertrag nicht um ein weiteres Jahr zu verlängern, wie Nadin zu berichten weiß, eine Sache des Bauchgefühls, das sich nicht weiter erklären lässt.
Zwar beschreibt der Autor, wie Schleck nach dem Ende seiner sportlichen Laufbahn eine Anstellung bei einer Firma findet, die Ersatzteile für Fahrräder herstellt. Die naheliegende Frage jedoch, wie sich der junge Mondorfer sein Leben nach der Profikarriere vorgestellt oder wie er dieses ursprünglich geplant hatte, scheint sich ihm nicht aufgedrängt zu haben.
Überhaupt haben Leser, die die Biografie Schlecks eher unter allgemein menschlichen Gesichtspunkten interessiert als unter sportlichen, hier eher das Nachsehen. Leicht können sie über der in einem dramatischen Präsens gehaltenen Nacherzählung von Rennverläufen und strategischen Einschätzungen den Überblick darüber verlieren, an welcher Stelle des Curriculums sich Schleck gerade befindet. Solchen Lesern wäre mit einer traditionellen chronologischen Darstellungsweise gedient gewesen, aus der sie den Werdegang des Protagonisten vom durchtriebenen Schuljungen bis zum anerkannten Profi in einem großangelegten Spannungsbogen hätten nachvollziehen können. Nadins Herangehensweise nimmt sich demgegenüber eher postmodern-fragmentarisch aus. Aus verschiedenen Themenschwerpunkten, Bildern und (leider vornehmlich koprophilen) Anekdoten muss sich der Leser Leben und Karriere des Helden selbst zusammensetzen. Die Kapitelüberschriften lauten etwa „Stürze und andere Dramen“ oder „Andy, Bruder und Freund“.
Auch sprachlich fordert das Buch den Leser heraus. Beispielsweise wurden die Interviews zwar mutmaßlich auf Französisch geführt (die Originalausgabe der Biografie ist in dieser Sprache erschienen), doch der Übersetzer hatte den lustigen Einfall, Schleck in den direkten Zitaten eine Art Luxemburger Deutsch sprechen zu lassen: Er „nimmt Duschen“, „ruft seiner Frau an“ und verspeist „kräftige“ Sandwiches.
Ziel dieses Pastiches ist vermutlich, dass die Luxemburger Fans sich besser mit einem Helden identifizieren können, der – ob aus Mangel an Auskunftsfreudigkeit oder aus Mangel an tiefergehenden Fragen – eher auf Distanz bleibt. Auch besteht wohl der Sinn der zahlreichen konventionellen Metaphern darin, den Leser von der wahren Kunst des Autors abzulenken: Sein Umgang mit Euphemismen ist wirklich bemerkenswert.
An diesem Stilmittel lässt sich auch ablesen, dass es sich – zumindest für des Radsports weitgehend Unkundige – bei Fränk Schleck. Hautnah eher um einen Krimi handelt als um ein Heldengedicht. Ständig finden sich Hinweise auf rätselhafte Geschehnisse. Von „späteren Entwicklungen“ ist die Rede, die Lance Armstrong um seine Auszeichnung bringen, von „Tests mit Unregelmäßigkeiten“ und von Akteuren mit „skandalumwitterter Vergangenheit“. Selten äußert sich Nadin konkreter zu dem Thema, das hoffentlich allen Radsportfans auf der Seele brennt; das Wort „Doping“ kommt höchstens drei Mal in diesem Buch vor.
Mysteriös bleibt auch, warum die Darstellung Schlecks zwar einerseits die Unschuld des Titelhelden an einer einjährigen Sperre zu belegen sucht (nach einem Test, der „nicht negativ“ ausfiel), andererseits aber nicht einmal nach alternativen Erklärungen für diese Testergebnisse sucht. Dass der Name von Fränk Schleck angeblich auf einer Liste des Dopingarztes Eufemiano Fuentes stand, ist Nadin lediglich verschämte acht Zeilen wert. Wer auf Insiderwissen über EPO und Blutwäsche hofft, wird enttäuscht.