Am 23. Mai 1618 begann mit dem Prager Fenstersturz der Dreißigjährige Krieg. Protestantische Aufständische, die um ihre Privilegien fürchteten, hatten den Statthalter des Habsburger Königs, Slawata und zwei seiner Mitarbeiter aus dem Fenster des Prager Königsschlosses gestürzt. Die drei überlebten zwar schwer verletzt den Sturz, aber den nun folgenden 30-jährigen Krieg überlebten Millionen in Mitteleuropa nicht. Fast alle Länder Zentraleuropas mit wenigen Ausnahmen waren an diesem Konflikt beteiligt, der hauptsächlich zwischen protestantischen und katholischen Reichsständen und europäischen Herrschern ausgefochten wurde. Darunter auch Luxemburger. Obwohl Luxemburg damals ein zu fast 100 Prozent katholisches Land war, fanden sich auch Luxemburger auf Seiten der Protestanten, und mit Graf Ernst von Mansfeld sogar ein Feldherr in führender Position. Dass der Krieg ausgerechnet in Böhmen begann, hatte damit zu tun, dass mit dem Fenstersturz von Prag die böhmischen Stände die Habsburgerherrschaft ablegen wollten und dies die Machtverhältnisse im Reich entscheidend verändert hätte1. Dass daraus ein 30-jähriger Krieg werden würde, der mit fünf bis acht Millionen Toten, die zwischen 1618 und 1648 durch Gewalt, Hunger und Seuchen umkamen, Europa von Grund auf verändern sollte, konnten sie nicht ahnen. Der 30-jährige Krieg galt lange Zeit als der „Krieg der Kriege“, als „Maßstab für die Beurteilung aller späteren Kriege“. Erst mit der gesellschaftlichen und medialen Aufarbeitung des Nationalsozialismus trat die Erinnerung an die grausamen Geschehnisse des frühen 17. Jahrhunderts in den Hintergrund.
Graf Ernst von Mansfeld (1580-1626)
Drei Stadt-Luxemburger hatten im Dreißigjährigen Krieg hohe militärische Funktionen, allerdings auf zwei gegnerischen Seiten. Der erste ist Ernst II. von Mansfeld, der 1580 im Mansfeldschloss in Clausen in Luxemburg geboren worden war. Der Luxemburger Zweig des Grafenhauses Mansfeld in Thüringen, war als einziger nach der Reformation katholisch geblieben. In Mansfeld in Thüringen hatte Martin Luther einen Teil seiner Jugend verbracht. Von Mansfeld gehörte zu den führenden Söldnergenerälen im Kampf gegen den habsburgischen Kaiser und dessen Verbündete (Spanien, Bayern und die Katholische Liga) und trug wesentlich dazu bei, dass aus den anfänglichen Reichswirren in Böhmen und der Kurpfalz über 1623 hinaus ein europäischer Krieg wurde.
Ernst von Mansfeld war ein natürlicher, das heißt, außerhalb vollgültiger Ehe geborener Sohn des königlich-spanischen Gouverneurs Ernst Peter Mansfeld. Er stand zunächst in Diensten der Habsburger, wechselte aber 1610 zu den Protestanten und wurde einer ihrer Hauptkriegsführer im Dreißigjährigen Krieg, vor allem beim Feldzug in Böhmen. Im November 1618, kurz nach dem Prager Fenstersturz, gelang von Mansfeld die Einnahme der habsburgtreuen Stadt Pilsen in Böhmen. Dies wurde ihm von Habsburg als Verrat angelastet und die Reichsacht über ihn verhängt; ob er im Zuge dieses Seitenwechsels auch die evangelische Konfession annahm, ist nicht sicher2. Nach der Niederlage bei der Schlacht am Weißen Berge bei Prag organisierte Ernst von Mansfeld im Winter 1620/21 die versprengten Reste der protestantisch-böhmischen Armee von 10 000 Söldnern. Er arrangierte sich mit Herzog Maximilian, zog jedoch entgegen einer Abmachung in die Kurpfalz, um für seinen Kriegsherrn Friedrich von der Pfalz, der in den Niederlanden Asyl gefunden hatte, so viel wie möglich zu retten. Ernst von Mansfeld konnte sich linksrheinisch zwischen Bruchsal und Hagenau festsetzen. Graf von Tilly, der aus Wallonien stammende Feldherr der Ligatruppen, setzte ihm jedoch auch dort nach. 1622 konnte von Mansfeld sogar Heidelberg gegen Tilly verteidigen. Als er aber im Herbst 1622 nach Holland abberufen wurde, verloren die Protestanten die Kurpfalz, die Jesuiten und bayerischen Wittelsbacher zogen in Heidelberg ein. Mansfeld, der die ersten Dragoner in die Schlacht führte, gilt als der Schöpfer der berittenen Infanterie.
Durch den rasanten Aufstieg des böhmischen Konvertiten Wallenstein (1583-1634) zum Befehlshaber der Liga ab 1625 verschoben sich wiederum die Machtverhältnisse im Reiche. Durch geschickte Verknüpfung von wirtschaftlichen, dynastischen und strategischen Interessen konnte er bald ein Heer von 100 000 Mann aufstellen. Von Mansfeld wollte angesichts dieser Verhältnisse nach Ungarn ausweichen, wurde aber am 25. April 1626 beim Durchqueren von Sachsen in Dessau von Wallenstein und dem Obersten Johann Freiherr, Graf von Aldringen (*1588+1634), einem Luxemburger Landsmann, vernichtend geschlagen. Mit den verbliebenen Verbänden marschierte er über Schlesien und Böhmen bis nach Neuhäusl in Ungarn, das er aus seiner Jugendzeit kannte und wo er sich mit den Truppen Gabor Bethlens von Siebenbürgen vereinigte, der seit 1619 versuchte, im Rücken des Kaisers zu operieren. Nach dessen neuerlicher Einigung mit den Kaiserlichen versuchte Mansfeld über Venedig nach England zu gelangen, starb aber am 29. November 1626 in Rakovica bei Sarajewo, im Gebiet der Osmanen.
Ernst von Mansfeld war ein namhafter Vertreter jener Kriegsunternehmer, die für den Dreißigjährigen Krieg kennzeichnend wurden. Er konnte für verschiedene Dienstherren in kurzer Zeit vollständige, kriegsstarke Heere aus Söldnern aller Truppengattungen aufstellen. Den Unterhalt dieser Heere wurde durch Kontributionen und Beute gewährleistet, welche die Heeresführung im besetzten Gebiet eintrieben. Einem dieser Beutezüge fielen auch die elsässische Stadt Obernai und das nahe gelegene elsässische Nationalheiligtum, Mont Sainte Odile, zum Opfer, weshalb von Mansfeld im Elsass bis heute keinen guten Ruf genießt. „Gott helfe denen, wo Mansfeld hinkommt“ – dieses Stoßgebet aus der Zeit des 30-jährigen Krieges war aus der bitteren Erfahrung der geschundenen Bevölkerung entstanden, die unter der entmenschten Soldateska des Grafen Mansfeld unmenschliche Leiden erfahren mussten. „Von Mansfeld verkörperte den Typus des skrupellosen Condottiere und erscheint – auch gemessen an den Gegebenheiten und Ansichten seiner Zeit – als eine der negativsten Gestalten der politisch-militärischen Bühne. Die außerordentliche Verrohrung des Kriegswesens während des 30-jährigen Krieges bleibt auch mit seinem Namen verbunden“3.
Feldmarschall Johann Freiherr Graf von Aldringen (* 1588 +1634)
Johann Aldringer wurde 1588 in der Tilleschgaass in Stadtgrund geboren. Er war schon vor Ausbruch des Krieges durch den habsburgischen Erzherzog Leopold V. zum Hauptmann ernannt worden. Dieser schickte ihn im Sommer 1619 zum Herzog von Bayern, mit dem er im spanischen Solde den böhmischen Feldzug mitmachte. 1621 ernannte ihn Maximilian von Bayern zum Oberstleutnant. In dieser Funktion kam er 1622 zum ersten Mal mit Wallenstein in Berührung. Im Sommer 1623 wechselte er vom bayerischen in das kaiserliche Heer. 1624 wurde er kaiserlicher Hofkriegsrat und Oberstkommissar für das Heerwesen. Sein militärischer Durchbruch war im Jahre 1626, zusammen mit Wallenstein, sein Erfolg gegen seinen Luxemburger Landsmann Ernst von Mansfeld bei Dessau. Er wurde danach zu einem der wichtigsten Mitarbeiter Wallensteins, nicht nur als Schreiber, sondern auch im Felde. Unter Wallenstein wurde Aldringer 1628 Kommissar zur Übernahme Mecklenburgs, 1629 General-Wachtmeister, und später Kommissar zur Durchführung des Restitutionsediktes in Niedersachsen. 1630 leitete Aldringer die Eroberung von Mantua in Norditalien.
Im Jahr 1630 entglitt mit dem Eingreifen des schwedischen Königs Gustav Adolf dem Kaiser der sicher geglaubte Sieg, dies verlieh dem nach zwölf Jahren fast auslaufendem Krieg wieder viel neue aggressive Dynamik, dass daraus am Ende ein Dreißigjähriger Krieg wurde. Im August 1631 wurde Aldringer, nach der Entlassung Wallensteins, Kommandeur der kaiserlichen Truppen in den oberen Reichskreisen, am 15. Dezember 1631 Oberstfeldzeugmeister im Reich. Am 15. April 1632 kämpfte Aldringer an Tillys Seite in der Schlacht bei Rain, um Gustav Adolf den Übergang über den Lech zu verwehren. Tilly fiel in der Schlacht, Aldringer wurde am Kopf verwundet, übernahm noch im selben Monat den Oberbefehl über das Heer der Liga und wurde kurz darauf, am 13. Oktober, zum Feldmarschall befördert. Im November desselben Jahres folgte seine Erhebung in den Reichsgrafenstand, er nannte sich jetzt von Aldringen.
Allerdings wurde er nicht zum Nachfolger Tillys als Heerführer, weil ihm das militärische Genie fehlte, sondern Wallenstein wurde vom Kaiser aus seinem Ruhestand zurückgerufen. Da Wallenstein Gustav Adolf in Bayern nicht stellen wollte, begann von Aldringen an der Hinhaltetaktik Wallensteins zu zweifeln. Obwohl es Wallenstein gelang, vorübergehend Sachsen und Böhmen wieder für den Kaiser zurückzuerobern und im November sogar Gustav Adolf in Lützen zu schlagen, erschien er ihm immer mehr als Saboteur des Krieges. Er fühlte sich von ihm verraten. Unter den kaisertreuen Generälen war von Aldringen derjenige, der am stärksten zum Vorgehen gegen Wallenstein gedrängt hat. Als Dank erhielt das Geschlecht von Aldringen nach dem Tode Wallensteins die Herrschaft Teplitz in Böhmen, die bis 1945 im Familienbesitz blieb. Die Ermordung Wallensteins am 25. Februar 1634, hat Johann von Aldringen jedoch nur kurz überlebt. Beim Kampf um Regensburg ist der Luxemburger Generalfeldmarschall, der zeitweise zum zweiten Mann in der kaiserlichen Armee emporgestiegen war, am 22. Juli 1634 bei der Verteidigung der Isarbrücken in Landshut/Lech gefallen. Sogar Friedrich Schiller widmete ihm eine Zeile: „Graf Aldringen hält in Treu sein kleines Heer“.
Ähnlich maßvoll fiel das Urteil über ihn in der Geschichtsschreibung aus: „Genialität und Phantasie gingen ihm ab, dafür war er gewissenhaft und sachlich, er beherrschte das gesamte Militärwesen von Werbung, Verpflegung und Ausrüstung herauf bis zur Heeresorganisation und -leitung wie kaum ein zweiter, in kleinen und großen Kämpfen bewies er Umsicht, Schlauheit und Tapferkeit. Die allgemeine Jagd der Offiziere nach Bereicherung und Beute hat er mitgemacht, aber er hat, soweit bekannt ist, sich niemals selbst bereichert wie mancher andere“.4
Der 30-jährige Krieg kam 1639 auch nach Luxemburg
Unter Feldmarschall Johann von Beck (1588-1648) kam nach fast 20 Jahren, im Jahre 1639 der 30-jährige Krieg auch nach Luxemburg. Johann Beck, der 1588 in derselben Woche wie Johann Aldringer in einer Beamtenfamilie des Provinzialrats in der Triererstraße ebenfalls in Stadtgrund geboren wurde, ist der einzige der vier Luxemburger, der den gesamten Krieg mitmachte und überlebte. Bei der damals sehr niedrigen Lebenserwartung und den sehr hohen Kriegsopferzahlen, war das seinerzeit sehr selten. Bereits mit 13 Jahren wählte er die Soldatenlaufbahn und trat als Freiwilliger in die österreichisch-spanische Armee ein. 1617 wurde er Offizier und kam nach Böhmen wo er 1618 den Beginn des 30-jährigen Krieges miterlebte. Er konnte sich 1632 in der Schlacht bei Nürnberg auszeichnen und trug wesentlich zur Aufhebung der Belagerung von Ingolstadt im Frühjahr 1632 bei. Der Kaiser ernannte Beck 1636 zum Feldmarschall und später zum kommandierenden General. Für seine Verdienste wurde er 1637 in den Adelsstand erhoben.
Im Juni 1639 versuchten die Franzosen unter General de Fouquières auch das habsburgische Luxemburg zu besetzen. Der Kaiser schickte seinen Feldmarschall Piccolomini nach Bastogne, um dies zu verhindern. Den Oberbefehl über die luxemburgisch-spanischen Truppen führte Feldmarschall von Beck. Das Aufmarschgebiet umfasste die Region zwischen Martelingen, Mamer und Bettemburg. Bei Hettingen (heute Hettange Grande), einem etwa eine Stunde von Diedenhofen (heute Thionville) entfernten Dorfe, fand der Zusammenstoß statt. Der Kampf endete mit der vollständigen Niederlage der Franzosen. 1642 machte Kaiser Ferdinand Feldmarschall von Beck zum Zivil- und Militärgouverneur der Grafschaft Luxemburg und Chiny. Als solchem gelang es dem Luxemburger, dass seine Heimat bis zum Kriegsende von weiteren Kampfhandlungen verschont blieb. Während 1648 von Münster aus die Friedensglocken über Deutschland läuteten, ließ Frankreich noch nicht ab vom Kampfe mit den spanischen Ländern, zu denen auch Luxemburg damals gehörte. Wiederum trat von Beck an die Spitze eines Heeres. 1648 kam es zur Schlacht bei Lens in Nordfrankreich. Es sollte seine letzte und gleichzeitig seine erste Niederlage sein. Feldmarschall von Beck wurde schwer verwundet und wurde als französischer Gefangener nach Arras gebracht, wo er starb.
Obwohl die Grafschaft Luxemburg im Vergleich mit anderen Regionen wenig durch Kriegshandlungen zu leiden hatte, galten die wallonischen Truppen, bedingt durch den Wallonen Tilly, dem Heerführer der katholischen Liga, damals als mit die besten. Deshalb ließen Heerführer aller Kriegsparteien vorzugsweise in den Niederlanden Söldner werben. Man wählte mit Vorliebe dazu die Markttage. Auch der Marktplatz Luxemburg war ein beliebter Söldneraushebeplatz. Die östlichen Wallonen und die Luxemburger wurden besonders in der schweren Reiterei eingesetzt.5
Der Dreißigjährige Krieg war eine Addition von vielen Einzelkriegen, in denen es bald nicht mehr um Religionsfragen, sondern um die Vorherrschaft in Europa ging. Schon die damaligen Glaubensbündnisse, die katholische Liga und die protestantische Union, waren konfessionell keine einheitlichen Blöcke, von der konfessionellen Zusammenstellung der Söldnerheere ganz zu schweigen. Genauso war der erste und lange Zeit wichtigste Verbündete Schwedens das katholische Frankreich mit Kardinal Richelieu an der Spitze. Aufgrund eigener politischer Interessen unterstützte der Papst nicht die Habsburger, sondern Frankreich. Beim Westfälischen Frieden von 1648 in Münster waren die entscheidenden Protagonisten des Krieges längst alle gestorben, er schuf zwar einen neuen Machtausgleich zwischen Katholiken und Protestanten und brachte Deutschland erstmals eine Verfassung, aber Frieden brachte er nicht, wie das Schicksal des Generals Beck bewies. Zwei neue Staaten, die Niederlande und die Schweiz, wurden unabhängig und die Bistümer Metz, Toul und Verdun fielen mit dem Elsass an Frankreich.