Zinsbesteuerung

Jetzt geht’s los!

d'Lëtzebuerger Land vom 21.06.2013

Noch hat sich der Staub über der Ankündigung der Regierung, zum 1. Januar 2015 den automatischen Informationsaustausch über die Zinseinkünfte von EU-Ausländern anzuwenden, nicht gelegt. Je nachdem, wen man fragt, gehen die Aussagen über die Folgen weit auseinander. Manche Bankiers wollen nur vereinzelte Kunden ausgemacht haben, die ihr Geld abholen. Andere erzählen von Unbelehrbaren, die sich trotz Zureden ihrer Berater, sich bei ihrem Heimatfiskus zu regularisieren, Millionenbeträge in bar auszahlen lassen, um damit über die Grenze zu fahren, so dass die 500-Euro-Scheine palettenweise weggehen.

Dabei beginnt die Diskussion um die Zinsbesteuerungsrichtlinie, in der der automatische Informationsaustausch verankert ist, gerade erst richtig. Denn seit 2008 versucht die EU-Kommission, darin identifizierte Schlupflöcher zu stopfen, indem der Anwendungsbereich der Richtlinie von reinen Zinseinkommen auf andere, zinsähnliche Einkommen ausgeweitet wird. Auch deswegen gab es beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 22. Mai in Brüssel soviel Verwirrung über die Position Luxemburgs, wo gemutmaßt wurde, Luxemburg komme auf sein Vorhaben zurück. Die Aufregung war umsonst. Luxemburg wird ab dem Steuerjahr 2015 automatisch Informationen mit den EU-Partnern austauschen. In Bezug auf die Einkommen, die in der ursprünglichen Richtlinie von 2003 festgehalten sind.

Im Frühling 2011 bereits hatten sich die EU-Länder auf eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie geeinigt, nach der unter anderem auch die Erträge aus Lebensversicherungsverträgen in den Perimeter aufgenommen werden sollen. Worauf sich die Mitgliedstaaten bisher nicht einigen konnten, ist, wann die besagte Erweiterung in Kraft treten soll. Als Bedingung dafür hatte unter anderem Luxemburg gefordert, dass die europäischen Drittstaaten Schweiz, Andorra, Liechtenstein, Monaco und San Marino, mit denen es Abkommen zur Zinsbesteuerung gibt, diese ebenfalls anwenden. Allerdings gehörte Luxemburg bis vergangenen Mai zu den wenigen Ländern, die der Kommission ein Mandat verweigerten, das ihr erlaubt hätte, Verhandlungen in diesem Sinne aufzunehmen. Von dieser Position ist die Luxemburger Regierung vergangenen Monat abgerückt, nachdem der Verhandlungsauftrag abgeändert wurde. Die Kommission ist nun beauftragt, mit den Drittstaaten den automatischen Informationsaustausch auszuhandeln, wie Alphonse Berns, Steuerdirektor im Finanzministerium, erklärt. Bisher übergeben die Drittstaaten – nach aktuellem OECD-Standard, den auch Luxemburg anwendet – nur Informationen auf Anfrage.

Nicht später als diese Woche reiste EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta nach Bern, um die Verhandlungen mit der Schweiz aufzunehmen. Und blitzte ab. Die Schweiz will lieber auf OECD-Ebene über neue Normen für den Austausch von Steuerinformationen diskutieren. Dort versuchen die USA, ihr Modell des Informationsaustauschs als internationalen Standard durchzusetzen: Fatca (siehe auch Seite 30-31). Dabei wird auch in der EU von verschiedenen Seiten ein europäisches Fatca gefordert, eine Forderung, die Luc Frieden noch vor wenigen Wochen als wenig aussichtsreich abstempelte. Dabei geht es einerseits um ein Informatikprojekt, darum, das Modell für den Austausch von Steuerinformationen in der EU zu konsolidieren. Aber ob dies nicht als Anlass dienen könnte, die verschiedenen EU-Richtlinien, die mittel- und unmittelbar mit dem Austausch von Steuerinformationen oder der Zusammenarbeit von Steuerbehörden zu tun haben, zu konsolidieren und diesem europäischen Fatca einen Anwendungsbereich zuzuordnen?

Denn die Kommission versucht nebenher über andere Wege, den Anwendungsbereich der Zinsbesteuerungsrichtlinie auszubauen. Ende vergangener Woche legte Semeta ein Update der Richtlinie über die Kooperation der Steuerverwaltungen vor, das auch den Austausch von Informationen über Trusts vorsieht. 2011 war es zur großen Unzufriedenheit Luxemburgs nicht gelungen, die Trusts, die besonders in Großbritannien eingesetzt werden und die verschleiern, an wen die Ertragszahlungen im Endeffekt gehen, direkt in den Perimeter der Zinsbesteuerungsrichtlinie aufzunehmen. Dass auf so vielen Ebenen agiert wird, heißt für die Akteure am Finanzplatz vor allem eins: Ungewissheit. Darüber, welche Neuregelungen wann in Kraft treten könnten. Derzeit sei nicht abzuschätzen, welche Daten 2017 oder 2018 automatisch ausgetauscht würden, sagt Alphonse Berns, der bedauert, dass es dadurch keine Planungssicherheit für den Finanzplatz gibt. Beim Juli-Teffen der Finanzminister, davon geht er aus, sollen die neuesten Entwicklungen besprochen werden, um zu sehen, wie das alles zusammenpasst.

Bis Ende des Jahres sollen die Verhandlungen der Kommission mit den Drittstaaten abgeschlossen sein. Wie sich Luxemburg verhält, falls sie scheitern, bleibt abzuwarten. Denn eigentlich gehen die neuesten Bemühungen der Regierung dahin, den automatischen Informationsaustausch als globalen Standard zu etablieren. Ihr kann es also nur recht sein, wenn die neuen Standards auf OECD-Ebene festgelegt werden. Ob man aber dafür wieder die EU-Partner brüskieren und in ihren eigenen Vorhaben bremsen kann?

Michèle Sinner
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