Ein „bisschen im Schnelldurchgang“ gehe man die Texte durch, sagt Eugène Berger im Gespräch mit dem Land. Der Liberale sitzt in der parlamentarischen Unterrichtskommission, in der derzeit über die Sekundarschulreform diskutiert wird. Artikel für Artikel nehmen die Abgeordneten durch, konzentriert, aber zügig, und, wie es scheint, ohne viel Diskussionen. Das liegt zum Teil daran, dass einige Abgeordnete mit Wichtigerem beschäftigt sind: Die Diskussion um die Institutionenkrise dominiert die Flurgespräche im Parlament, ihr können sich auch die Abgeordneten der Unterrichtskommission nicht völlig entziehen.
Vor allem aber warten die Kommissionsmitglieder auf das Gutachten vom Staatsrat. „Für uns ist der Gesetzentwurf wichtig genug, ihn im Detail zu diskutieren“, so Ben Fayot, der Berichterstatter des Entwurfs ist. Der LSAP-Abgeordnete und Ausschussvorsitzende hofft, dass die Stellungnahme vom Staatsrat „im Oktober oder November vorliegt“. „Danach werden sich sicher noch einige Positionen klären“, sagt Eugène Berger.
Als das Gewerkschaftsbündnis SEW und Apess am vergangenen Freitag den Streik vorzeitig abblies, war es in den Parteien ziemlich ruhig geblieben. „Das hat uns nicht wirklich überrascht“, sagt der grüne Abgeordnete Claude Adam. „Ich habe ohnehin nicht nachvollziehen können, warum es zu einem Streik kommen sollte.“ Déi Gréng waren eine jener Parteien, die in den vergangenen Wochen von Reformskeptikern der nationalen Lehrerdelegation aufgesucht wurden – und die auch mit Vertretern von der Feduse sprachen, nachdem diese nach einem internen Streit nicht mehr dem DNL-Komitee angehört. Das Gespräch sei „unpolemisch“ verlaufen, die Vertreter hätten ihre Argumente vorgetragen und von einer allgemeinen Unzufriedenheit in den Lyzeen über die Reformpläne gesprochen. „Das reicht aber nicht als Grund für einen landesweiten Streik“, so Adam weiter.
Dass die Sekundarschulreform unter den Parteien nicht kontroverser diskutiert wird, entspricht der Haltung in den vergangenen Monaten. Die Opposition hat sich, verglichen mit den zum Teil hitzigen Debatten in Leserbriefen und in den Schulgebäuden, mit Kritik bislang eher zurückgehalten. Die DP nutzte die Zeit und hat ein neues schulpolitisches Grundsatzpapier erstellt, dessen Eckpunkte ins liberale Wahlprogramm einfließen sollen. Weil aber die Staatskrise andauert, wurde die Vorstellung für die Presse verschoben. In der nächsten Woche soll der neue Termin bekannt gegeben werden, so André Bauler: „Wir wollen nicht, dass das Thema in der momentanen Aufregung untergeht“, erklärt der Nordabgeordnete die Verspätung.
Die Grünen hatten ihre Kritik an der Reform unterstrichen, nachdem Unterrichtsministerin Mady Delvaux-Stehres ihren Text im Mai vorgelegt hatte. Insbesondere, dass der klassische Unterricht von Änderungen weitgehend verschont bleibt, gefällt ihnen nicht. „Auch das Sprachenproblem ist ungelöst“, kritisiert Claude Adam. Steine in den Weg legen will er der Ministerin dennoch nicht: „Allerdings sollten wir uns bei der Umsetzung die nötige Zeit lassen und nicht alte Fehler wiederholen“, mahnt er, auf die pannenreiche Umsetzung der Berufsausbildungsreform anspielend. Der Travail personnel, sollte er kommen, beispielsweise könne nicht einfach so eingeführt werden: „Unsere Schulen sind dafür nicht ausgerüstet und unsere Lehrer brauchen dafür klare Vorgaben.“
Dauerbrenner für die Opposition bleibt sicherlich der Religionsunterricht, der im Text der sozialistischen Ministerin, wie schon zuvor bei der Grundschulreform, einfach unverändert übertragen wurde. Seit dem Euthanasiegesetz und der Abtreibungsdebatte ist der Religionsunterricht zum Tabuthema geworden, an das offenbar auf keinen Fall gerührt werden darf. Die LSAP scheint jeglichen Ehrgeiz verloren zu haben, hier etwas Grundsätzliches ändern zu wollen.
„Wenn keine größeren Einwände vom Staatsrat kommen, gehe ich davon aus, dass wir den Entwurf noch vor dem Ende der Legislaturperiode stimmen können“, sagt Berichterstatter Ben Fayot über den weiteren Zeitplan.
Wenn, ja wenn da nicht das andere Wenn wäre: In den nächsten Tagen und Wochen entscheidet sich, wie groß die Regierungskrise wegen der Affäre um Geheimdienst und Bombenleger ist. Und ob nicht doch noch Neuwahlen kommen. Einige Abgeordnete wetten bereits, vor allem die Opposition hofft. Kommissionspräsident Ben Fayot winkt ab: Ein wenig frage er sich schon, „ob wir denn keine anderen Probleme haben“. An den Spekulationen, was die nächsten Tage bringen werden, will er sich nicht beteiligen. „Wir werden sehen“, sagt er.