Dieser Tage geht viel die Rede von institutionellen Krisen, die durch eine ungenügende Gewaltentrennung im Staat ausgelöst werden. Dabei geht allerdings gar keine Rede von einem Interessenkonflikt, der die höchsten Institutionen des Staats betrifft und seit längerem ebenso diskret wie zäh ausgetragen wird. Es geht um die Rolle, welche das Staatsoberhaupt und die Monarchie in der neuen Verfassung spielen sollen.
Die große Revision und Neuordnung der Verfassung wird dank des Fleißes des parlamentarischen Ausschusses für die Institutionen und die Verfassungsreform möglicherweise noch vor den Wahlen nächstes Jahr reif für ihre Verabschiedung durch das Parlament beziehungsweise für eine Volksbefragung. Noch unter dem Schock der institutionellen Krise, die der Großherzog mit seiner Weigerung ausgelöst hatte, das Euthanasiegesetz gutzuheißen, hatte der Revisionsentwurf das Statut und die Befugnisse des Großherzogs auf ein Minimum zurückgestutzt. Auch wenn die Meinungen zwischen und selbst innerhalb der Parteien auseinandergehen, ob der Großherzog nach schwedischem Vorbild eine rein symbolische Rolle spielen oder ob er politische Rechte behalten soll, um in einer Systemkrise mit seiner Überparteilichkeit das letzte Bollwerk der bestehenden Verhältnisse abzugeben. Nachdem Teile des parlamentarischen Ausschusses Angst vor der eigenen Courage bekamen, der Großherzog durch den Kanal seiner Regierung Änderungsanträge einbrachte, welche selbst seine anachronistischsten Befugnisse erhalten sollen, und der Staatsrat eine eher widersprüchliche Position vertrat, wurde der offenbar als Majestätsbeleidigung angesehene Revisionsentwurf inzwischen wieder abgeschwächt.
Auf seine Bitte hin erhielt der parlamentarische Ausschuss nun vom Staatsministerium eine unsignierte Note, die wahrscheinlich aus der Feder des Hofmarschalls stammt. Darin geht der großherzogliche Hof wieder in die Offensive. So lehnt er sich dagegen auf, dass die künftige Verfassung nur noch dem Staatsoberhaupt eine jährliche Dotierung zuerkennen will, und fordert ebenfalls jährliche Dotierungen für den Altgroßherzog und den Erbgroßherzog. In die Verfassung soll außerdem festgeschrieben werden, dass der Staatshaushalt für die Sozialversicherungsbeiträge des Großherzogs und des Thronfolgers aufkommen soll. Auch wird das Prinzip des Fideikommiss vehement verteidigt, laut dem der Großherzog im von seinen Geschwistern beklagten Widerspruch zum Erbschaftsrecht alleine über das Familienvermögen verfügen darf.
Vor allem aber verteidigt die Note den noch einmal trotzig als „Verfassung bis“ bezeichneten Stellenwert des Nassauischen Erbvereins, der ursprünglich ganz aus der Verfassung verschwinden sollte und nun in „Wartestellung“ im Revisionsentwurf steht, um eine glanzvolle Rückkehr in die Verfassung und über den Gesetzen zu erleben. Dabei nennt der Autor, der ehemalige Staatsratspräsident, die Ansicht des Staatsrats „unhaltbar“, dass dieser Pakt ein Privatvertrag sei. Er verlangt die weitere Verankerung des Paktes in der Verfassung unter anderem mit der merkwürdigen Betrachtung, dass so „die Stellung des Familienoberhaupts – des Staatsoberhaupts – wesentlich gegenüber seinen Familienmitgliedern gefestigt würde“. Es gehe zudem nicht an, dass das Parlament, wie nun geplant, Änderungen am Erbverein durch ein Gesetz ratifizieren dürfe.
Wohin kämen wir auch, wenn die sechs Jahre vor der Franzöisschen Revolution zu Papier gebrachten absolutistischen Sitten des Nassauer Erbvereins nicht mehr die verfassungsmäßige Weihe einer sich aufgeklärt gebenden parlamentarischen Demokratie genössen? Und das Staatsoberhaupt, wie seine Zofen und Kammerdiener, seine Krankenversicherungsbeiträge, selbst zahlen müsste?
Luc Heuschling
Catégories: Institutions
Édition: 14.06.2013