Eine mit großem religiösem und weltlichem Pomp inszenierte Fürstenhochzeit, wie die Vermählung von Erbgroßherzog Guillaume mit der belgischen Gräfin Stéphanie de Lannoy nächsten Monat, ist nicht nur ein privates Familienfest. Es ist auch eine Staatsangelegenheit. Für eine Monarchie ist die Heirat des Thronfolgers vielleicht der wichtigste Akt überhaupt. Denn es geht um nichts weniger als die Voraussetzung zur Zeugung des übernächsten Staatsoberhaupts, um den Erhalt der Dynastie über die zwei nächsten Generationen und damit um die Vererbung der Herrschaft, wie symbolisch oder reell sie auch immer ist.
Laut nassausischem Familienstatut von 1907 wird Gräfin de Lannoy als „hausrechtsgemäß angeheiratete Gemahlin des Thronfolgers“ umgehend zur „Königlichen Hoheit (Altesse Royale)“. Sie trägt dann „die Titel Erbgroßherzogin von Luxemburg (Grande-Duchesse Héritière de Luxembourg), Erbprinzessin zu Nassau (Princesse Héritière de Nassau), etc., etc.“. Die Geschichte lehrt zudem, dass der Ehepartner des Staatsoberhaupts die Regentschaft übernehmen kann, wie beispielsweise Großherzogin Marie-Anne zwischen 1908 und 1912 während der Krankheit von Großherzog Wilhelm IV. und während der Minderjährigkeit der Thronfolgerin Marie-Adelheid.
Weil die Vermählung des nächsten Staatsoberhaupts auch eine Staatsangelegenheit ist, hinterlegte Justizminister François Biltgen vergangene Woche den Projet de loi accordant la naturalisation à Madame la comtesse Stépahnie de Lannoy Nummer 6474 im Parlament. Er muss ganz aufgeregt gewesen sein. Denn dem eigenartigen Gesetzentwurf fehlt der übliche Apparat von Motivenbericht und Artikelkommentar und vor allem soll er, statt der Luxemburger Staatsbürgerschaft, die „Naturalisierung“ gewähren.
Eine solche Verfahrensweise ist durchaus vorgesehen. Denn das Staatsbürgerschaftsgesetz sieht in Artikel acht vor: „En l’absence des conditions prévues aux articles 6 et 7, la naturalisation peut être conférée, dans des circonstances exceptionnelles, à l’étranger majeur qui rend ou a rendu des services signalés à l’État. La naturalisation peut encore, en l’absence d’une demande, être proposée par le Gouvernement.“ In einem solchen Fall liegt die Entscheidung beim Parlament, das ein entsprechendes Sondergesetz verabschieden muss.
Trotzdem beklagten nicht nur die Grünen, die Linke und die Piratenpartei, sondern auch ein Teil des Wählervolks die angebliche Privilegienwirtschaft. Denn der belgischen Gräfin und künftigen Erbgroßherzogin sollten durch Parlamentsbeschluss die üblichen Schikanen zum Erlangen der Staatsbürgerschaft, wie Mindestaufenthaltspflicht und Sprachentest, erspart bleiben, welche Ausländer ertragen müssen, die sich anscheinend weniger verdient machten.
Justizminister Biltgen versuchte zwar inzwischen, die Gräfin aus der politischen Schusslinie zu nehmen, indem er seinen Kritikern über RTL eine Reform des Staatsbürgerschaftsgesetzes in Aussicht stellte. Doch in Wirklichkeit sind er und sein ebenfalls christlich-sozialer Amtsvorgänger Luc Frieden für die delikate Lage mit verantwortlich, in welche der großherzogliche Hof geraten ist. Auf ihr Betreiben wurde nämlich bei der Staatsbürgerschaftsreform vor vier Jahren die Bestimmung abgeschafft, laut der die Ehepartner von Luxemburgern bevorzugt naturalisiert wurden, weil ihre Ehe als ein Beweis für ihren Integrationswillen angesehen wurde. Die von der LSAP unterstützten CSV-Minister wollten auf dese Weise die Scheinehen erschweren, welche in ihren Alpträumen Legionen von Ausländern schlössen, um sich die Staatsbürgerschaft zu erschleichen.
Die Verstrickung von Privat- und Staatsangelegenheiten bei einer Fürstenhochzeit ist aber noch weit verworrener. Deshalb hatte nicht nur der großherzogliche Hof am 26. April die Verlobung und Vermählung von Erbgroßherzog Guillaume angekündigt, sondern zeitgleich auch die Regierung. Regierungschef Jean-Claude Juncker hatte zuerst um 8.15 Uhr die Regierung und um 8.45 Uhr das Kammerbüro informiert. Erst als er seine Unterredung mit dem Kammerbüro beendet hatte, verschickte der großherzogliche Hof eine Pressemitteilung, um die Verlobung und spätere Trauung anzukündigen. Im Anschluss daran kündigte wiederum Juncker in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz seinerseits die Verlobung und spätere Trauung an.
Mit diesem schwerfälligen Ritual der doppelten Ankündigung unterstrich die Regierung, dass die Wahl der nächsten Großherzogin nicht bloß ein Familienfest ist, sondern auch in die Zuständigkeit des Staats, der Regierung und des Parlaments fällt. Jean-Claude Juncker betonte, dass er sich mit der Gräfin „stundenlang unterhalten“ und sich dabei von ihrer Bildung und ihrer psychischen und intellektuellen Eignung als künftige Großherzogin habe überzeugen können.
Verklausuliert gab er damit zu verstehen, dass er das Einverständnis der Regierung zur Trauung des Erbgroßherzogs gab oder wenigstens keinen Einwand dagegen erhob. Mit seinem Besuch im Kammerbüro scheint er sogar das Parlament an dieser Bewertung beteiligt zu haben. Dass die Regierung, wie es sich für einen Rechtsstaat gehört und in anderen Monarchien üblich ist, ihr Einverständnis mit der Heirat nicht offen erklärt, hat wohl nicht nur mit Rücksichten auf das Privatleben des Paars zu tun. Eine andere Ursache dürfte die unsichere Rechtsgrundlage für dieses Mitentscheidungsrecht der Regierung sein.
Denn weder die Verfassung noch irgendwelche Gesetze befassen sich mit der Heirat des Großherzogs oder Erbgroßherzogs. Luc Heuschling, Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht, hatte im Lëtzebuerger Land vom 29. Juni darauf aufmerksam gemacht, dass die Luxemburger Monarchie als eine der letzten in der Welt noch ihr Fürstenrecht hat, eine ziemlich okkulte und rechtsstaatlichen Prinzipien teilweise zuwiderlaufende eigene Rechtsgattung. In einem Beitrag „Le Fürstenrecht et les mariages au sein de la maison grand-ducale de Luxembourg“ in Nummer 22 des Journal des tribunaux Luxembourg fragt er, ob das Vorrecht des Großherzogs, über die Partnerwahl des Thronfolgers zu entscheiden, eine Bestimmung ist, die auch Staatsangelegenheiten anbelangt. In dem Fall würde sie unter Artikel 45 der Verfassung fallen, laut dem alle Bestimmungen des Großherzogs von einem verantwortlichen Regierungsmitglied gegengezeichnet werden müssen.
Die Regierung kann aber nur eine Entscheidung gegenzeichnen, die ihrerseits eine rechtliche Grundlage hat. Doch weder die Verfassung, noch das bürgerliche Gesetzbuch sehen eine Ausnahme von der freien Partnerwahl von Volljährigen vor. Dagegen heißt es im vor drei Monaten im Memorial veröffentlichten „Familienstatut die Hausverfassung betreffend“ vom 5. Mai 1907: „Ehepartner von Mitgliedern des Großherzoglichen Hauses werden selbst Hausmitglieder nur, wenn der Hauschef dem Abschluß der Ehe schriftlich zugestimmt hat.“ Familienmitglieder dagegen, „die eine Ehe geschlossen haben, zu deren Abschluss der Hauschef nicht zugestimmt hat, [behalten] weiterhin den Familiennamen ‚zu Nassau’ (‚de Nassau’) sowie ihren angestammten Titel. Die Gemahlinnen und legitimen Nachkommen einer solchen Ehe, tragen ihren Vornamen und den Familiennamen ‚zu Nassau’ (‚de Nassau’) sowie den Titel Graf oder Gräfin zu Nassau (Comte ou Comtesse de Nassau)“; sie bekommen also das Prädikat „Königliche Hoheit“ und den Prinzentitel verweigert.
Weiter heißt es: „Das Recht zu hausverfassungsmäßigen Betätigungen […] ruht bei ohne Konsens des Hauschefs vermählten Mitgliedern des Großherzoglichen Hauses für die Dauer der nicht konsentierten Ehe. Das gleiche Recht erlischt im Falle des Verzichts auf die Anwartschaft zur Thronfolge.“ Und: „Die Bestimmungen eines Ehevertrags eines Haus- oder Familienmitglieds, die Rechte und Pflichten des Großherzoglichen Hauses oder des Fideikommisses berühren, bleiben für diese ohne schriftliche Zustimmung des Hauschefs unverbindlich.“
Allerdings bleibt die Frage nach der rechtlichen Bedeutung dieses als Dekret veröffentlichten Familienstatuts offen. Wenn man es als eine Ausnahme vom Eherecht im bürgerlichen Gesetzbuch sieht, müsste es einen gleichwertigen oder höheren Rang als ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz haben. Dies gilt insbesondere, wenn die Regierung die Entscheidung des Großherzogs gegenzeichnet. Dadurch wird es ein öffentlicher Rechtsakt und wenn die Regierung ihn sicherheitshalber nicht öffentlich macht, widerspricht dies ebenfalls rechtsstaatlichen Prinzipien.
Professor Heuschling weist aber darauf hin, dass in keinem öffentlich zugänglichen Text festgeschrieben ist, nach welchen Kriterien der Großherzog und damit wohl auch die Regierung über die Eheschließung des Thronfolgers entscheiden. Im Gegensatz zu allen anderen Ländern sei die Ausübung dieses Vorrechts von Geheimnis umgeben.
Aber selbst wenn die Kriterien nicht öffentlich sind, kann man sie für eine sehr konservative und tiefkatholische, ihr eigenes Fürstenrecht unterhaltene Monarchie wie die luxemburgische leicht erraten: Darf eine Erbgroßherzogin jüdisch sein? Oder schwarzhäutig? Darf sie einen freizügigen Lebenswandel führen? Darf sie vorbestraft sein? Darf nach der angekündigten Einführung der Homoehe ein Erbgroßherzog einen Erbgroßherzog heiraten? Darf eine Erbgroßherzogin gar arm sein? Darf eine Erbgroßherzogin für die Euthanasie sein? In jedem Fall stellt sich aber die Frage, wie weit eine Regierung die Anwendung solcher oder ähnlicher überholter und diskriminatorischer Kriterien gegenzeichnen und damit politisch legitimieren kann.
Heuschling fragt aber auch, ob es eine Appellinstanz gegen die Entscheidung des Großherzogs und damit der Regierung gibt. Würde sich die Regierung zu ihrer Gegenzeichnung bekennen, hätte ein vom Großherzog abgewiesener Ehekandidat das Recht, vor dem Verwaltungsgericht zu klagen. Doch selbst in dem als modern gepriesenen Entwurf zur geplanten großen Verfassungsreform, der das Staatsoberhaupt etwas dem okkulten Fürstenrecht entreißen soll, bleibt die Thronfolge auf die „direkten, natürlichen und legitimen Nachfahren“ beschränkt.
Luc Heuschling
Catégories: Monarchie
Édition: 29.06.2012