Es war einmal die Tripartite. Die funktionierte so lange, wie alle Beteiligten durch einen Kompromiss auf ihre Kosten kamen. Das war an ihrem Anfang so, als die Stahlindustrie Zuschüsse sowie sozialen Frieden für Rationalisierungsmaßnahmen und die Stahlarbeiter Arbeitsplatz- und Standortgarantien bekamen. Das war an ihrem Ende 30 Jahre später so, als die Unternehmer eine Indexmanipulation und die Beschäftigten das Einheitsstatut erhielten.
Das war auch im Frühjahr 1998 so, als die Sozialpartner in der Tripartite einen Handel Arbeitszeitflexibilisierung gegen Arbeitszeitverkürzung abmachten. Dieser Handel wurde unter dem Namen Nationaler Beschäftigungsplan (Pan) zu einem ellenlangen Gesetz, durch das 26 andere Gesetze abgeändert werden mussten.
Zur dieser Zeit bereitete sich die Wirtschaft auf die Einführung des Euro vor. Entsprechend einem ein halbes Jahr zuvor von einem europäischen Beschäftigungsgipfel in Luxemburg beschlossenen Nationalen Beschäftigungsplan sollte sich der exportierende Teil der Wirtschaft für einen Währungsraum rüsten, wo nicht mehr Wechselkursunterschiede, sondern der Preis der Arbeit Produktivitätsunterschiede wettmachen sollten.
Aus diesem Grund waren die Gewerkschaften bei nicht einmal vier Prozent Arbeitslosigkeit mit einer Lockerung gesetzlicher Schutzbestimmungen einverstanden, die lange für sie tabu waren. Dazu zählte vor allem die Verlängerung der gesetzlichen Referenzzeit zur Berechnung der Höchstarbeitszeit von einer Woche auf einen Monat. Auf diese Weise können Betriebe im Rahmen eines Plan d’organisation du travail (Pot) anfallende Mehrarbeit zeitlich verteilen, ohne für Überstunden zahlen zu müssen. Außerdem wurde die Möglichkeit geschaffen, die Referenzzeit durch Kollektivverträge oder eine Entscheidung des Arbeitsministers auf bis zu ein Jahr auszudehnen.
Als Gegenleistung für die Flexibilisierung der Arbeitszeit hatte die Tripartite eine Arbeitszeitverkürzung erwogen. Aber es war den Unternehmern gelungen, eine „automatische Verbindung“, so die Union des entreprises luxembourgeoises, zu verhindern. Das Gesetz sah deshalb vor, dass in den Betrieben lediglich über eine Arbeitszeitverkürzung verhandelt werden sollte, ohne dass diese Verhandlungen aber zu einem Ergebnis führen müssten. Zum Trost hatte die CSV/LSAP-Regierung die von einer Europäischen Richtlinie vorgeschriebene Einführung des Elternurlaubs als eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme dargestellt. Durch ihn sollten die Arbeitsstellen junger Eltern vorübergehend für Arbeitslose frei werden. Aber das sollte sich rasch als Fehlprognose erweisen, so dass die Tripartite sich dieses Jahr einig war, den Elternurlaub ohne Rücksicht auf den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren. Außerdem war die Schaffung von Zeitsparkonten angeregt worden, mit denen Beschäftigte Mehrarbeit leisten könnten, um sich anschließend eine längere Auszeit zu gönnen. Wie solche Konten funktionieren könnten, hatte der Wirtschafts- und Sozialrat bereits 2004 in einem Gutachten beschrieben. Das Gutachten liegt seit über einem Jahrzehnt in der Schublade.
Um keine vollendeten Tatsachen zu schaffen, sind die Bestimmungen des Nationalen Beschäftigungsplans zur Arbeitszeit seit einem Viertel Jahrhundert immer nur befristet. Das Gesetz sieht zudem eine Bewertung der Bestimmungen und ihrer Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt vor. Diese Bewertung war zuletzt im Oktober 2012 vom Ceps vorgelegt worden. Sie blieb aber folgenlos, die Bestimmungen wurden durch das Gesetz vom 26. Dezember 2012 unverändert verlängert. Nun laufen sie in fünf Monaten wieder aus, am 31. Dezember.
Die Regierung versprach den Sozialpartnern bereits hoch und heilig, dass die Bestimmungen nicht nur verlängert, sondern auch geändert und die für Außenstehende leicht esoterischen Verhandlungen über Pan und Pot wieder aufgenommen werden sollen. Der Unternehmerdachverband UEL hatte in den vergangenen Monaten wiederholt gefordert, die Referenzzeit von einem auf vier Monate zu verlängern. Dabei kann er sich nicht nur auf die Reform der europäischen Arbeitszeitrichtlinie berufen, sondern auch auf das Koalitionsabkommen von DP, LSAP und Grünen. Darin heißt es: „Conformément à l’article L.211-11 du Code du travail, les négociations seront engagées sur les conditions de travail, notamment sur la modification des dispositions relatives au plan d’organisation du travail (Pot) et à la période de référence.“ Was darunter zu verstehen ist, steht im Wahlprogramm der DP, das „je nach Wirtschaftszweig flexiblere Arbeitszeitenregelungen oder die Freigabe der Ladenöffnungszeiten“ ankündigte.
Im Januar waren sich Regierung und Unternehmer im Rahmen eines bilateralen Abkommens einig, dass „la question de la période de référence et l’adaptation du plan d’organisation du travail (Pot) feront l’objet d’une analyse dans un cadre tripartite visant à augmenter la productivité des entreprises et leur adaptation au contexte économique avec le but de favoriser également la création et le maintien de l’emploi. Parallèlement, l’UEL soutient les mesures de promotion d’un meilleur équilibre entre vie professionnelle et vie familiale prévues par le présent accord“. Die Regierung versprach, die Gewerkschaften an solchen Diskussionen zu beteiligen.
Um Gegendruck zum Vorstoß der UEL zu erzeugen und weil es im Bauwesen bereits zu einem Sozialkonflikt um die Arbeitszeit gekommen war, hatte der OGBL vor drei Wochen 350 Delegierte aus Betriebsausschüssen und Branchensyndikaten in Roeser versammelt. Dort berichteten Ausschussleute und Gewerkschaftssekretäre über die Arbeitszeitorganisation in den Krankenhäusern, in den Supermärkten, am Bau und in anderen Branchen sowie über die Auswirkungen von unvorhersehbaren Arbeitszeiten, wachsendem Leistungsdruck und ständiger Erreichbarkeit auf die Gesundheit und das Familienleben.
Gleichzeitig verteilte die Gewerkschaft in den Betrieben eine zweisprachige Broschüre Arbeitszeit ist Lebenszeit. Darin werden eine gesetzliche sechste Urlaubswoche, Verhandlungen über die Arbeitszeitgestaltung und ein Ende der „vielen Konflikte und Missbräuche“ verlangt, die durch die ungenauen Bestimmungen über den Plan d’organisation du travail entstehen. Angesichts eines Wirtschaftswachstums von über drei Prozent in den kommenden Jahren dürfe das kein Problem sein: „Die Mittel sind da.“ An eine Senkung der Wochenarbeitszeit denkt die Gewerkschaft weniger. Die Zeiten sind ungünstig.