Der soziale Fahrstuhl funktioniert nicht mehr, hatte die Demokratische Partei in ihrem Wahlprogramm 2013 festgestellt und das betont auch Erziehungsminister Claude Meisch immer wieder. Gleichwohl sind Zweifel angebracht, ob es dem Liberalen mit seinen Reformplänen wirklich gelingt, den Lift wieder in Gang zu bringen.
Meischs Konzept der (teilweise) Gratis-Frühförderung scheint wie eine Maßnahme, von der insbesondere sozial benachteiligte Familien profitieren. Sein Sprachenkonzept sieht vor, dass nicht-luxemburgische Kinder schon in der Crèche an Luxemburgisch herangeführt werden. Wissenschaftlich ist jedoch nicht erweisen, dass Luxemburgisch als Brückensprache für die Alphabetisierung auf Deutsch eher taugt, als etwa die Muttersprache zu fördern. Viele Einwandererkinder scheitern im Deutschunterricht, auf den mit Französisch die nächste Fremdsprache folgt. Der Minister hat mehr Zeit zum Lernen versprochen, bisher liegt dafür kein Konzept auf dem Tisch. Derweil sinkt die Zahl derjenigen Kinder, die ins Classique orientiert werden, weiter.
Meisch hat sich auch die Orientierung vorgeknöpft. Ob seine Stärkung des elterlichen Mitspracherechts mehr Bildungsgerechtigkeit bringen wird, ist aber ebenfalls fraglich: Während Forscher der uni.lu zu den Plänen schweigen, zeigen wissenschaftliche Studien im Ausland, dass mehr Wahlfreiheit für Eltern die soziale Segregation eher verstärkt, weil reiche und gebildete Eltern besser wissen, wie den Nachwuchs fördern und auf die besseren Schulen hieven. In Zukunft müssen Eltern sogar mehr als bisher über das hiesige Bildungsangebot Bescheid wissen, denn Schulen sollen im Rahmen der Autonomie ihre Profile schärfen. Dass mehr Autonomie mehr Gerechtigkeit bringt, ist indes umstritten: Internationale Experten warnen davor, dass sie die Konkurrenz zwischen den Schulen verstärken und den Wettbewerb um die besten Köpfe anheizen könnte. Dann hätten Lernschwächere erneut das Nachsehen.
Er wolle an „vielen kleinen Stellschrauben drehen“ und so für mehr Chancengleichheit sorgen, versprach Minister Meisch vor der Sommerpause. Zwei davon sollen die neue nationale Beobachtungsstelle sowie spezialisierte Mediateure sein, die problematische Trends im Bildungswesen erkennen und gegebenenfalls Korrekturen empfehlen sollen. Allerdings dürfte bis zu ihrem Einsatz noch einige Zeit vergehen, Zeit, die die Politik nicht hat: Die Zahl der Schulabbrecher in Luxemburg steigt wieder, nachdem sie unter der vorigen, schwarz-roten Regierung gesenkt werden konnte.
Mittlerweile scheint es, als habe sich die politische Klasse mit der von (inter-)nationalen Bildungsstudien bestätigten Ungerechtigkeit weitgehend arrangiert. Déi Gréng, die sich in ihrem Wahlprogramm noch deutlich gegen ungleiche Startchancen positioniert hatten, sind seit geraumer Zeit bildungspolitisch auf Tauchstation. Zu ihren Wählern zählen insbesondere Lehrer und Erzieher.
Frappierender ist die Ruhe beim roten Koalitionspartner. Von ihm ist weder etwas Originelles zur Sekundarschulreform zu hören, noch etwas Kritisches zu den Sprachplänen oder der Rückkehr zu Noten in der Grundschule. Im Wahlprogramm von 2013 ist von gleicher Bildung für alle nicht länger die Rede, einem Zwischentitel zufolge steht die Partei für „Chancengerechtigkeit“ und „hochwertige Bildungsangebote“. Mit ihrer Bildungspolitik will die Partei „die stärksten Schüler ihren Fähigkeiten entsprechend zur Exzellenz antreiben und die schwächeren Schüler vor schulischem Scheitern bewahren“. Im Fraktionssekretariat muss sich der neue parlamentarische Mitarbeiter derweil in die Materie einarbeiten. Ein geradezu stiefväterlicher Umgang mit der Bildungspolitik, einst eine der Säulen sozialistischer Programmatik. Das aber ist Vergangenheit, die goldenen Zeiten der LSAP sind es auch.