Androhung auf Verböserung? Das Finanzamt weist den Steuerzahler darauf hin, es bestehe die Gefahr, dass ein Sachverhalt zu seinen Ungunsten entschieden werden könnte. Vorwurf der Liebhaberei? Dem Steuerzahler wird vorgeworfen, sein Hobby aus steuerlichen Gründen als Unternehmen angemeldet zu haben. Steuerlich vorgesehenes Serviergewicht eines „Matjes nach Hausfrauenart“? 267 Gramm; jedes weitere Gramm stinkt nach Schwarzmarkt und Unterschlagung. Und: „Solidarität ist was für Arme. Die haben ja sonst nichts.“ Ein herzliches Willkommen im Amtsdschungel des bundesrepublikanischen Steuerwahnsinns und damit auch in der Erfolgsgeschichte Frauen an der Steuer mit Melanie Haupt, Judith Jakob und der luxemburgisch-deutschen Darstellerin Fabienne Elaine Hollwege in den Hauptrollen.
In dieser hundertminütigen Vorstellung führt das Trio die Zuschauer in die Welt des deutschen Steuerrechts ein. Urkomisch. Zahllose Kleinunternehmen knicken unter der Last des Behördenwirrwarrs ein, und doch lässt sich dieses Thema getrost in die Schublade der Komödie stecken. Frauen an der Steuer wirft einen spritzig-witzigen Blick auf den Behördengang, ist Komödie, Revue und Kabarett auf hohem Niveau. Das Steuergesetz birgt – wer hätt’s gedacht? – höchstes Humor-Potenzial.
Die Abwechslung von dramaturgischer Erzählung – die Finanzprüfung des Fischimbiss’ von Marlies, Ilona und Karo steht kurz bevor –, satirischem Wortspiel und Liedeinschüben mit Ukulele und Gitarre ist richtunggebend für die Rhythmik und Kurzweile des Abends.
Ein Höhepunkt ist zweifellos das Zusammenspiel der Darstellerinnen mit Gesang und in seiner Geschwindigkeit steigendem Rasselspiel auf einem Holztisch. Da werden Becher kurzerhand zur Body-Percussion Cup-Song umgewandelt, dessen Text aus reinem Fachjargon besteht. Die Sicherheit und Selbstverständlichkeit von Haupt, Hollwege und Jakob während dieser koordinationstechnisch überaus anspruchsvollen Darbietung hallt lange nach.
Eine weitere Szene, die in ihrer Groteske staunen lässt, ist Hollweges gestische und mimische Leistung als millionenschwere Erbin bei der „Selbsthilfegruppe reicher Erben“. Die Therapeutin ruft ihre Patienten dazu auf, die Möbelgarnitur zum Gruppengespräch zurechtzurücken. In mimosenhaftem Phlegma gleiten Hollweges Gliedmaßen an Tisch- und Stuhlmöbeln entlang, jeder hauchzarte Kontakt mit dem Holz, jeder Verdacht an körperlicher Leistung artet in muskuläre und psychische Erschütterung aus: Die Prinzessin spürt die Erbse. Die attraktive Blässe der Darstellerin wird kurzerhand zur Metapher für Zerbrechlichkeit.
An Komplexität und politischer Ausgewogenheit gewinnt Frauen an der Steuer, indem die Autorinnen Eva Martens und Melanie Haupt die vermeintlichen Schreibtischtäter, die „Sachbearbeiter“, gleichermaßen als Opfer dieses Systems darstellen. Das bedingungslose Mobbing, der hohe Druck, unter dem die Beamten keuchen, um vorgegebene Statistiken zu beschönigen und so politisch verqueren Vorgaben zu entsprechen, zieht sich als zweite Facette der Produktion durch den Abend. Verspottet werden weniger einzelne Beamten, als vielmehr ein im Kern faules System.
Im beschaulichen Kasemattentheater wurde Frauen an der Steuer von Regisseurin Anja Schneider vor etwa 40 Zuschauern inszeniert. In einem derart überschaubaren Bühnenraum stört jede Auffälligkeit im Publikum. Wenn ein auf dem Boden zerbrochenes Weinglas bekichert und anschließend mit Smartphone-Leuchte der Boden abgesucht werden muss, dazu so mancher auf seinem grell erleuchteten Display aktuell eingetrudelte Nachrichten prüft, dann muss dies wohl zum Störfaktor für Publikum und Künstler werden. Die Darstellerinnen ließen sich nichts anmerken und sorgten für einen urkomischen, spritzigen, beamtenwahnsinnigen Theaterabend.