Seit einigen Jahren macht ein Gespenst das Großherzogtum unsicher, geistert durch die Gutachten der OECD, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Kommission, aber auch durch die Powerpoint-Vorführungen von Berufskammern und die Haushaltsberichte des Parlaments: die unsichtbare oder implizite Staatsschuld. Ursprünglich wurden darunter die künftigen Renten im öffentlichen Dienst verstanden, die der Staat den pensionierten Beamten zahlen muss, ohne Beiträge der Versicherten kassiert zu haben. Dann wurde die Idee auch auf die Renten des beitragspflichtigen Regimes ausgeweitet, unabhängig von Umlage- oder Kapitaldeckungsverfahren. Und inzwischen macht der Vorschlag international die Runde, auch die künftigen Leistungen der Krankenversicherung einschließlich des medizinischen Fortschritts als unsichtbare Staatsschuld anzusehen.
Diese Darstellung lässt die gesamte Sozialversicherung nur noch als einen einzigen, riesigen Schuldenberg erscheinen, insbesondere, wenn die künftigen Beitragszahlungen nicht mit der gleichen Berechtigung als Forderungen verbucht werden. Die Sichtweise kann insofern überraschen, als andere Verpflichtungen weit kulanter behandelt und ihre möglichen Auswirkungen beinahe heruntergespielt werden, obwohl sie sich nicht in einer Generation, sondern vielleicht schon in den nächsten Jahren bemerkbar machen können. So hinterlegte Finanzminister Luc Frieden (CSV) am Montag dieser Woche – rechtzeitig vor einer von den Grünen beantragten kurzen Aktualitätsdebatte im Parlament – den Gesetzentwurf, mit dem Luxemburg 200,3 Millionen Euro in den neuen Europäischen Stabilitätsmechanismus zahlen und zu möglichen weiteren Kapitalerhöhungen um 1 552,48 Millionen Euro bereit sein soll. Zum Vergleich: Das Gesundheitsministerium verfügt dieses Jahr über ein Budget von 137,7 Millionen Euro. Im Motivenbericht des Gesetzentwurfs und der im Vergleich zum Bareinsatz sehr knappen Fiche financière heißt es dazu tröstlich, dass diese Ausgabe zwar aus der Staatskasse beglichen werden muss, aber dass sie ohne Auswirkungen auf den Maastrichter Schuldenquotient bleibt.
Dies ist nur die neuste Verpflichtung, die der Staat laut Finanzministerium im Rahmen der Finanz- und Wirtschaftskrise einging. Sei es, um mit Kapitalbeteiligungen, Darlehen und Bürgschaften die Banque générale (2 000 Millionen Euro), die Kaupthing-Bank (160 Millionen Euro), die Dexia-Bank (3 000 und 2 700 Millio-nen Euro) sowie die Cargolux (70 Millionen Euro) zu stützen. Sei es, um mit Darlehen, Bürgschaften und Sonderziehungsrechten für Griechenland (139,9 Millionen Euro), den Europäischen Stabilitätsfonds FESF (2 000 Millionen Euro) und den Internationalen Währungsfonds (1 143 Millionen Euro, weitere 2 060 Millionen sind geplant) in der Schuldenkrise anstelle der Europäischen Zentralbank einzuspringen.
Selbstverständlich ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass all diese Krisendarlehen ausfallen und der Staat für all diese Bürgschaften aufkommen muss. Doch der Rechnungshof hatte – ebenso wie der Staatsrat – schon im Herbst in seinem Gutachten zum Staatshaushalt gewarnt: „En effet, quelque soit le scénario choisi pour résoudre la crise de la dette souveraine en Europe, le budget de l’État s’en trouvera affecté même s’il est à ce stade encore impossible d’en connaître l’ordre de grandeur. […] Il ne faut pas oublier que les garanties toujours plus conséquentes que l’État accorde, notamment à la FESF ou encore au groupe Dexia, pourraient engendrer dans un scénario défavorable un besoin de financement affectant sérieusement les finances publiques.“