Als das Parlament am Donnerstag vergangener Woche über das Index-Gesetz diskutierte, erinnerte der ehemalige hauptstädtische DP-Bürgermeister Paul Helminger den Finanzminister an das haushaltspolitische Zauberwort Screening und daran, dass „wir dieses Screening in der Stadt schon im Frühjahr 2009 machten“. Und im am Montag im Stadtrat vorgelegten Bericht des kommunalen Finanzausschusses wird eine Breitseite nach der anderen gegen den Staat und die Regierung abgefeuert: Da werden den selbstverständlich hausgemachten Stärken der Gemeinde die ausschließlich vom Staat verantworteten Schwächen gegenübergestellt (S. 11). Dem Staat wird zudem vorgeworfen, anders als die Stadtverwaltung, keinen rektifizierten Haushalt aufzustellen, die Verantwortung für das Eintreiben der Gemeindesteuern an sich gerissen zu haben, der Stadtverwaltung keine Einzelheiten über deren Einkassierung weiterzuleiten (S. 19), nur ein Prozent des Haushalts für Kultur auszugeben, während es in der Gemeinde acht bis neun Prozent seien (S. 35), und mit seiner Sekundarreform das „Niveau nach unten anzugleichen“ (S. 44).
Die DP betont seit Jahrzehnten, dass das politische Gewicht des hauptstädtischen Bürgermeisters demjenigen eines Ministers gleichkomme. Deshalb lassen die beiden nationalen Oppositionsparteien DP und Grüne keinen Zweifel daran, dass sie in der Hauptstadt, in der ein Fünftel der Landesbevölkerung wohnt, nicht nur Kommunalpolitik machen, sondern die bessere Regierung spielen wollen.
Doch die Gemeinde macht es in ihrer Haushaltspolitik meist wenig anders als der Staat: Sie unterschätzt Jahr für Jahr die ordentlichen Einnahmen und überschätzt die außerordentlichen Ausgaben. Auf diese Weise verwandelte sich 2010 das Defizit im Budget von 63,3 Millionen in einen Überschuss von 28,3 Millionen Euro in den Konten. Das Defizit im Budget von 44,5 Millionen Euro für 2011 wurde schon im berichtigten Haushalt zu einem Überschuss von 5,1 Millionen Euro. Ausnahmsweise sieht der Haushaltsentwurf für 2012, den der Schöffenrat diese Woche vorlegte, schon von Anfang an einen Überschuss von 6,6 Millionen Euro vor. Der Grund dafür sind außerordentliche Einnahmen von 40 Millionen aus einer Erbpacht für das Immobilienprojekt am Busbahnhof Hamilius.
Kaum geht aber die Rede von den Staatsfinanzen, raten DP und Grüne der Regierung, sie zu durchleuchten, wie sie es mit den Gemeindefinanzen getan hatten. Bei den Haushaltsdebatten am 8. Dezember 2009 hatte sich der grüne Finanzschöffe François Bausch im Parlament gewundert, weshalb dem Staat nicht gelinge, was „eine kleine Gemeinde“ fertig bringe, nämlich „bei den Funktionskosten des Staats auszumachen, wo Sparmaßnahmen, wo Luft drin ist“. Wie das Screening funktioniert, hatte Bauschs Schöffenkollege und heutiger Bürgermeister Xavier Bettel einen Tag nach ihm erzählt: Alle Gemeindedienste der Hauptstadt hätten 2009 auflisten müssen, „wer was mache“, in Eigenregie oder ausgelagert, was als gesetzliche Verpflichtung und was als „nice to have“. Von den wichtigsten Posten seien Funktionsbeschreibungen und Organigramme aufgestellt worden, die dann kritisch danach hinterfragt worden seien, ob der Dienst über ausreichend oder zu viele Mittel verfüge und worin „der Mehrwert für den Bürger“ bestehe. Wo sei beispielsweise der Unterschied, ob eine Kinderkolonie „in Lombarsijde oder in Echternach“ organisiert werde?
Herauszufinden, wieviel die Gemeinde durch das Screening ihrer Funk[-]tions[-]kosten sparte, ist aber selbst im Rückblick schwierig. Die jährlichen Berichte der kommunalen Finanzkommission sollen zwar eine Gesamtanalyse der Ausgaben bieten. Aber die Kommission verwechselt Jahr für Jahr die Haushaltsposten: Im ihrem Bericht für 2009 (S. 11) hießen die ordentlichen Ausgaben „Funktionskosten“ und machten 445,9 Millionen Euro aus, die Betriebskosten waren mit 100 Millionen ein Teil davon. Im Bericht für 2010 (S. 11) waren die Betriebskosten verschwunden, die Funktionskosten machten dafür als Teil der ordentlichen Ausgaben 117,5 Millionen aus. Im Bericht für 2011 (S. 18) waren die Betriebskosten von 201 Millionen ein Teil der ordentlichen Ausgaben und die Funktionskosten mit 123,4 Millio[-]nen ein Teil der Betriebskosten. Im Bericht für 2012 (S. 25) gab es wieder keine Betriebskosten mehr, und die Funktionskosten machten als Teil der ordentlichen Ausgaben 144,4 Millionen aus.
Xavier Bettel hatte der Regierung und dem Parlament am 9. Dezember 2009 stolz vorgerechnet, dass die Stadt „18 Prozent der reinen Funktionskosten“ im Jahr 2009 gespart habe, „um die 40 Millionen bei einem Haushalt von 260 Millionen“. Doch die Finanzkommission rechnete in ihrem Bericht für 2010 (S. 11) vor, dass die Gemeinde als Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise ihre Funktionskosten 2009 um netto 24,8 Millionen Euro gesenkt habe. Brutto seien sie um 32 Millionen gefallen, neue Einrichtungen in der Rue d’Ostende, die Villa Vauban und das Cité, hätten aber auch neue Funktionskosten von acht Millionen verursacht.
Für das Haushaltsjahr 2010 lobte die Finanzkommission (S. 25) die „sehr große haushaltspolitische Härte mit einer wichtigen Reduzierung der Funktionskosten“. Doch im Bericht für 2011 (S. 19) heißt es, dass die Senkung der Betriebskosten im Jahr 2010 zum großen Teil durch die Auslagerung der Energieversorgung entstanden sei. Wenn Screening das Durchleuchten der kommunalen Ausgaben bedeutet, dann ist das Ergebnis nicht immer erhellend.