Endlich. Am Donnerstag verabschiedete die DP/LSAP/Grüne-Koalition nach hitziger Debatte die Reform des Scheidungsrechts. Zum Schulterklopfen über den Beitrag zur gesellschaftlichen „Modernisierung“, wie die Regierungsparteien den Text der grünen Berichterstatterin Sam Tanson loben, die das Dossier von der scheidenden Parteikollegin Viviane Loschetter übernommen hat, gibt es jedoch keinen Anlass.
Dass Ehen, wenn nicht einvernehmlich, bislang nach dem Schuldprinzip geschieden wurden, ist ein demütigender Anachronismus, der längst abgeschafft gehörte. Die DP hatte 1975 noch das faktische Getrenntleben eingeführt. In Zukunft gilt das Zerrüttungsprinzip. Die leidige Schuldfrage ist vom Tisch, die oft dazu geführt hatte, dass ein Partner dem anderen fehlerhaftes Verhalten nachweisen wollte und so die Trennung erst recht konfliktär wurde. Ein Schuldspruch hatte tendenziell für Ehefrauen gravierendere Folgen als für den Mann, weil für sie damit oft der Entzug der finanziellen Lebensgrundlage verbunden war.
Der erste Entwurf vom damaligen CSV-Justizminister Luc Frieden, hier Abhilfe zu schaffen, liegt 15 Jahre zurück, aber der Abschied von der Schuld fiel und fällt seinen Parteikollegen besonders schwer und trug dazu bei, dass die Reform nicht vom Fleck kam. Angeblich wegen der geschlagenen Partner und ihren Kinder, deren Leid ohne Schuldprinzip nicht voll anerkannt würde. Das stimmt so nicht: Das neue Recht sieht im Falle von Gewalt oder Straftaten vor, dass alle Unterhaltsansprüche entfallen.
Wichtig sind die Änderungen im Bereich der Versorgungs- und Unterhaltsrechte und -pflichten. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass beide Ehepartner gleichermaßen zur Haushaltsführung verpflichtet, zur Erwerbstätigkeit berechtigt und an der Erziehung der Kinder beteiligt sind. Letzteres drückt sich im geteilten elterlichen Sorgerecht aus, das beide Eltern erhalten, egal ob verheiratet, verpartnert oder nicht. 1999 hatte das Verfassungsgericht das einseitige Sorgerecht für verfassungswidrig erklärt und man zweifelt an der Gestaltungsfähigkeit und dem Willen der Politik, dass es möglich ist, dass eine so offensichtliche Ungerechtigkeit, obschon höchstrichterlich festgestellt, fast 20 Jahre andauern kann. Ein Haken, der insbesondere Grüne und Frauenorganisationen schmerzen dürfte, ist das fehlende Splitting. Die Regierung wollte nicht auf den Weg gehen, Rentenansprüche rückwirkend aufzuteilen, sie können nachträglich erworben werden. Das geht nur, wenn Geld da ist.
Dass mit dem neuen Scheidungsrecht Schluss ist mit den Rosenkriegen um Haus, Hof und Kind, ist allerdings keineswegs sicher. Sicher: Klare Fristen, richterliches Bemühen um Mediation und transparentere und flexiblere Regeln zu Unterhaltspflichten sowie das Zusammenführen von Scheidungs- und Familienaffären unter ein Familiengericht können Trennungen die Spitze nehmen und rechtliche Prozeduren verkürzen. Doch wer sich im Streit von seinem Partner oder seiner Partnerin trennt, wer tief verletzt und von Emotionen geblendet ist, hat auch nach dem neuen Recht genügend Ansatzpunkte, dem anderen die Trennung schwer und teuer zu machen. Und kann immer versuchen, das eigene Kind praktisch in Geiselhaft zu nehmen.
Doch wenn alles gut geht, wird das Wohl des Kindes künftig stärker noch als bisher im Mittelpunkt der Scheidungsverfahren und richterlicher Erörterungen stehen. Dafür muss, und das ist richtig, im Prozess um die Frage etwa des Aufenthalts- und des Besuchsrechts das Kind angehört werden. Das ist heute schon der Fall, deswegen ist die Aufregung der CSV, so würden Kinder gegen ihre Eltern aufgebracht, nicht ganz verständlich. Künftig wird die Anhörung des betroffenen urteilsfähigen Kindes gesetzlich festgeschrieben, es kann per Anwalt auch selbst Partei ergreifen.