Wie viele Theaterbesucher braucht man, um eine Glühbirne mit Strom zu versorgen? Was wie ein Witz klingt, wird das Ensemble Les FreReBri(des) bei der Ausarbeitung ihres neuen Stücks sicherlich beschäftigt haben. Robert(s) setzt sich nicht nur mit dem Klimawandel auseinander, es versucht, selbst möglichst klimaneutral zu sein. Dafür hat man nicht nur Kostüme und Requisiten per Upcycling aus vorgefundenen Materialien gebastelt, sondern setzt im Sinne der Kreislaufwirtschaft auch darauf, die für eine Aufführung benötigte Energie direkt vor Ort zu produzieren. Zwölf Fahrräder stehen an den Rändern der Bühne bereit. Wer darauf strampelt, lädt die Batterien auf, mit denen die Lichtanlage des Stücks betrieben wird. Wo früher die Plätze seitlich der Bühne den betuchtesten Gästen vorbehalten waren, darf sich hier jedermann und -frau an exponierter Stelle niederlassen – sofern man eben bereit ist, ein wenig in die Pedale zu treten.
Andernfalls lässt sich das Geschehen auch mit weniger körperlicher Anstrengung von den Rängen her verfolgen. Robert(s) mischt Dokumentartheater, Kabarett und Aktionskunst, um in kurzen, lose zusammenhängenden Szenen sein Anliegen vorzubringen. Ausgangspunkt und Inspirationsquelle ist eine Figur namens Robert, von der viel erzählt wird, ohne dass sie je in Erscheinung tritt. Dieser Robert soll, wie so viele, den Wunsch verspürt haben, etwas für das Klima zu tun, zum Beispiel seinen eigenen Strom erzeugen. Allerdings soll er nicht darauf gewartet haben, bis die Welt für eine Revolution bereit ist, sondern mit der konsequenten Lebensführung einfach losgelegt haben. Seitdem tingele dieser Robert durch die Gegend – natürlich auf dem Fahrrad –, um seinen Mitmenschen vom Handlungsbedarf angesichts einer drohenden Klimakatastrophe zu überzeugen. Robert verkörpert die Paradoxien des Greta-Phänomens: Er ist der Einzelne, der den Unterschied macht, und doch nur ein Prinzip, das alle befolgen können und müssen, wenn sich wirklich etwas ändern soll.
Die Akteur/innen auf der Bühne sind jedenfalls schon zu Roberts geworden und hoffen, das Publikum ebenfalls zu solchen zu machen. (Wer sich zu Beginn der Aufführung bereit erklärt, ein paar Runden auf dem Fahrrad zu übernehmen, wird gleich als Robert angesprochen.) Dafür wird unter anderem viel fachlich referiert, meist von Brice Montagne. Während eine aus zwei aneinandergeklebten Plastikflaschen bestehende Sanduhr den Verbleib seiner Redezeit anzeigt und zugleich auf die Dringlichkeit des Handelns hinweist, holt Montagne zu einer kurzen Geschichte menschengemachter Erderwärmung aus, die er auf einer ad hoc als Tafel genutzten Plane illustriert. Oder er berichtet von einem Erweckungserlebnis bei der Lektüre von Naomi Kleins This Changes Everything: Capitalism vs. the Climate, das als theoretischer Überbau des Abends fungiert.
Ist der Sand durch die Flasche geronnen, gehen die spärliche Bühnenbeleuchtung aus und die roten Lampen hinter den Fahrrädern wieder an: Die Zuschauer müssen für die nächste Szene radeln, angefeuert von martialischem Getrommel und Rufen Frédérique Collings, sich „comme des Schlecks“ ins Zeug zu legen. Colling übernimmt einen Großteil der satirischen Szenen. Anhand von Schlamm, Gemüse und Spielzeugautos erklärt sie etwa, wie die Bewohner des Inselstaats Nauru – mit Beihilfe von alten und neuen Kolonialmächten – ihren einzigen natürlichen Rohstoff solange abbauten, bis sie zuerst furchtbar reich, dann furchtbar arm wurden und ihr Land schließlich als Flüchtlingslager an Australien vermieten mussten. Catherine Elsen und Jorge De Moura treten derweil vor allem mit Gesangs- und Musikeinlagen hervor. De Moura begleitet fast das gesamte Stück auf seinem selbstgezimmerten Schlagzeug (Kanister, Topfdeckel, Konservendosen et cetera) und tut dies so gut, dass man ihn fast als Highlight des Abends bezeichnen möchte.
Damit würde man diesem Polit-Theater aber Unrecht tun. Robert(s) ist mit seinen neunzig Minuten zu lang und könnte auf einige wenig zielführende oder redundante Szenen ohne Weiteres verzichten. Dafür bietet die Produktion von Les FreReBri(des) eine abwechslungsreiche, reflektierte und humorvolle Auseinandersetzung mit dem Klimawandel, die mehr ist als der Gag eines Stücks, bei dem das Publikum Fahrrad fährt.