Aktuell widmet die Galerie Nosbaum Reding zwei Künstlern eine Ausstellung, die in ihren Arbeiten auf sehr unterschiedliche Weise eine intensive Reflexion zum Thema der Malerei entwickeln: Christian Frantzen und Gregory Durviaux. Beide Künstler zählen zur Post-Pop Art und Post-Conceptual Art-Generation und setzen sich in ihren Arbeiten mit den gesellschaftlichen Auswirkungen der durch digitale Fotografie und Internet generierten Bilderflut auseinander. Als Ausgangspunkt oder Motivationsquelle für ihre Gemälde bedienen sie sich im Internet gefundener Fotografien, die nicht nur die Malerei, sondern auch das kollektive Gedächtnis auf den Prüfstand stellen.
Christian Frantzen (1975 in Luxemburg geboren) reflektiert in seinen Gemälden globale Probleme, wie Überbevölkerung, durch den massiven Stromverbrauch von Hochhäusern mit Glasfassaden gesteigerte Globalerhitzung oder auch die ungerechte Verteilung – Mangel und Verschwendung – von Nahrung auf der Erde. In seiner dritten Einzelausstellung in der Galerie Nosbaum Reding zeigt er neben alten Bekannten (aus der Serie „Großstädte“) eine neue Serie von Containerhäfen. In den Gemälden Container port 2, 06, 08 und 10 (2016) sind zahllose neben- und aufeinandergereihte Frachtbehälter dargestellt. Während Ausschnitt, Anordnung und Farbe der Container in den Bildern variieren, erwecken alle durch die All-over-Behandlung der Bildfläche den Eindruck des Überflusses. In dem beeindruckenden, großformatigen Gemälde Be home on friday (2015) wird das Überangebot an Gütern durch die scheinbare Unendlichkeit der Container besonders deutlich.
Da Frachtcontainer nach ISO international genormt sind, und Frantzen in seiner Serie nur wenige ortsspezifische Indikatoren platziert, erscheinen die abgebildeten Containerhäfen nicht identifizierbar. Einzig die Titel Hamburg und California sky (2015) lassen eine Verortung zu. In Frantzens Gemälden existiert, wie in den fotografischen Bildvorlagen, keine Tiefenschärfe; die im oberen Bildbereich dargestellten Objekte sind leicht unscharf und verwandeln sich zu abstrakten Farbflächen. Das Werk Hamburg (2015) sticht durch seinen freieren und kräftigeren Farbauftrag aus der sonst nach flämischer Manier gemalten Serie hervor. Hamburg zählt heute zu den größten automatisierten Frachthäfen der Welt. In seiner Serie drückt Frantzen einmal mehr seine Kritik am Massenkonsum aus und verweist auf eins der Anzeichen und zugleich Mechanismen der wirtschaftlichen Globalisierung.
Bearbeitet Christian Frantzen die traditionelle Leinwand, so wählt Gregory Durviaux Aluminiumplatten als Untergrund für seine Malerei und erzielt dementsprechend eine glattere Oberfläche und gewisse Distanz in seinen Gemälden. Mit der programmatisch betitelten Ausstellung A Spotlight at Night stellt Durviaux (1975 in Brüssel geboren) zum zweiten Mal in der Reihe „Projects“ im unteren Raum der Galerie Nosbaum Reding aus. Auf ähnliche Weise wie bei Frantzen bieten Durviaux‘ Titel eine Interpretationsmöglichkeit des Abgebildeten und weisen gleichzeitig auf eine kritische Auseinandersetzung mit der Technik der Malerei hin: The concentration on the pattern tends to make disappear the specificity of the subject (2014) oder Based on a true painting (2015).
Für seine Arbeiten geht Durviaux von Fotografien aus, früher von Set-Fotografien, heute von Bildern aus dem Internet oder auch von persönlichen Impressionen. Der oft abstrakte, geometrisch strukturierte und aus zwei harmonierenden Farben bestehende Hintergrund ist schablonenartig auf die Aluminiumplatte gesprüht. Der Vordergrund hingegen zeichnet sich durch organische, vegetative Motive, wie Grashalme oder Bäume aus. Die Pflanzen oder organische Motive sind ausschnittartig vergrößert, ihre Ränder mit kleinen Farbpunkten versehen. Auf einigen der acht in der Galerie gezeigten Arbeiten herrscht eine Vermischung zwischen Hinter- und Vordergrund, und der Betrachter muss sich dem Gemälde nähern, um es genauer analysieren zu können.
Gregory Durviaux versteht seine Werke als „Propositionen“, ebenso das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Arbeiten. Die Farbkompositionen sollen die Sinne ansprechen und muten atmosphärisch wie jene eines Ed Ruscha an. Durch Titel wie To paint as a European fascinated by American Art (2014) bezeugt Durviaux seine Leidenschaft für US-amerikanische Künstler und deren Auseinandersetzung mit der weiten, fast unendlich erscheinenden Landschaft, wie sie hier in Westeuropa nicht zu finden ist. Die Wirkung der glatten Oberfläche wird durch die unkonventionelle Hängung – mit vier kleinen Nadeln wird die Platte direkt auf die Wand angebracht – gesteigert. Die Farbwahl und das Aluminium verleihen der Oberfläche einen industriellen Aspekt und verweisen auf die digitale Fotografie, auf ihre Vor- und Nachteile gegenüber der traditionsreicheren Malerei.
Bestechen beide Ausstellungen in der Galerie Nosbaum Reding auf ihre eigene Weise, so sind doch die Motivationen der Künstler ähnlich. Was kann, oder besser soll, Malerei im digitalen Zeitalter ausdrücken? Während Frantzen die Symptomatik der oberflächlich erscheinenden Gesellschaft kritisch beleuchtet, wirken Durviaux‘ Werke auf den ersten Blick harmlos und plakativ, erkunden aber ebenso das Spannungsverhältnis zwischen Oberfläche und Inhalt. Beide Ausstellungen bieten einen guten Einblick in diese kritischen Überlegungen und künstlerischen Prozesse.