Romain Urhausen im CNA

Fotograf und mehr

d'Lëtzebuerger Land vom 17.06.2016

Im MoMA wurden seine Fotografien von Edward Steichen ausgestellt, in Südfrankreich lehrte er Architekturfotografie, er arbeitete von Deutschland, später von Frankreich aus als Architekt, Designer, Grafiker, Filmemacher und Firmenberater. Wie kann es also sein, dass die Arbeit des Luxemburger Fotografen Romain Urhausen hierzulande weitgehend unbekannt ist?

Um dies zu ändern, präsentiert das CNA nach zweijähriger Vorarbeit durch Marguy Conzémius mit der Ausstellung Romain Urhausen – Fotograf einen aussagekräftigen Querschnitt durch dessen Werk. Die Ausstellung gliedert sich in einen Hauptteil, der die Fotografien vor allem der 1950-er und 60-er Jahre zeigt, und einen interaktiven Ausstellungsteil, in welchem man – in Bildform oder als Original – Urhausens anderweitige Arbeiten, wie etwa Skulpturen, von ihm entworfenen Schmuck oder ein rundes Doppelbett-Gestell erkunden kann.

Die klassisch gerahmten Fotografien zeigen neben Selbstporträts, Aktfotografien und abstrakten, experimentellen Arbeiten (zum Beispiel Negativdrucken und Fotogrammen) das Leben vergangener Jahrzehnte. Daneben sind in ansprechenden Schaukästen, die von Georges Zigrand entworfen wurden, Magazine, Ausstellungskataloge und kleinere Abzüge ausgestellt. Die vergleichsweise hohe Anzahl an Bildern verdeutlicht den beeindruckenden Umfang von Urhausens Archiv.
Die Arbeiten aus Rümelingen, Paris oder Esch zeigen, wie sehr Urhausen aus dem Leben schöpfte und dabei einen überaus humorvollen Blick aufweist; der „Lustmörder“ mit den Beinen zweier Schaufensterpuppen unterm Arm, eine Ohrfeige für einen Jungen auf der Straße in Esch, eine ältere Dame die sich in unvorteilhafter Haltung das Kinn kratzt, distinguierte Restaurantgäste in wenig schmeichelhaften Posen beim Essen. Seine Porträts von der Straße, die Reportagen über die Arbed und die Pariser Hallen, oder die sozialdokumentarische Serie über die Escher Baracken sind in ihrem unverstellten, situativen Blick geradezu avantgardistisch für die 50-er und 60-er. Klare Linien in Kombination mit starken Kontrasten zeichnen Urhausens Bilder und lassen etwa einen Arbeiter zwischen Arbed-Stahlträgern völlig verloren erscheinen.
Stilistisch wurde Urhausen unter seinem Lehrer Otto Steinert stark von der Bauhaus-geprägten subjektiven Fotografie beeinflusst und stellte von 1951 bis 1954 in gleichnamigen Ausstellungen Steinerts aus. International bedeute dies den Durchbruch für Urhausen, wie Marguy Conzémius erklärt: „Steichen wurde über den Ausstellungskatalog auf Urhausen aufmerksam und zeigte schließlich vier Bilder von ihm in der Ausstellung Postwar European Photography im MoMA, 1953. Mit dem Umzug von Esch nach Dortmund sollte Urhausen, der ab 1954 auch das Lëtzebuerger Land regelmäßig mit Pressebildern belieferte, seine Heimat für die nächsten 25 Jahre verlassen und seine Arbeit aus dem Blickfeld der Luxemburger geraten.

Marguy Conzémius berichtet, dass das Projekt, das neben der Ausstellung auch ein Buch zu Urhausens Werk und Biografie umfasst, auf Initiative des Fotografen entstand. Ziel sei gewesen, einen Querschnitt von Urhausens fotografischen Themen und Techniken zu zeigen. Auch wenn die Ausstellung im Display02 sekundär sei, so sei sie doch „erklärend für das Eklektische an Urhausens Arbeit, sowohl was die verschiedenen Disziplinen wie Fotografie, Architektur und Design betrifft, als auch die Themen und Experimente innerhalb des fotografischen Mediums.“ Gleichwohl scheint gerade diese Rastlosigkeit und Vielseitigkeit Urhausens ein Grund für seinen mangelnden Bekanntheitsgrad, ließ er sich doch nie auf eine Profession und auf ein Thema festlegen. Für den 85-jährigen liegt dagegen auf der Hand: „Ich war ja schließlich 25 Jahre nicht im Land, da kann ich nicht erwarten, dass jeder mich kennt.“ Auch im gehobenen Alter ist Urhausen offen und begeisterungsfähig für Neues. So entwirft er seit 2013 Baumhäuser. Bei all seinen Ausflügen in andere Disziplinen spiele jedoch stets die Fotografie eine große Rolle, betont Conzémius.

Zur Sichtung der 16 000 Bilder wurden diese alle digitalisiert. Von vornherein sei klar gewesen, dass es im Rahmen des Projekts auch ein Buch geben würde. Der ausgesprochen schön gestaltete Bildband liefert neben weiteren Fotografien eine Biografie des vielseitigen Künstlers. Die Texte von Conzémius, Paul di Felice und Roland Augustin betrachten das Urhausens Werk unter heutiger Perspektive.

Der Luxemburger Öffentlichkeit die Bilder Urhausens näherzubringen ist dem CNA auch über die Ausstellung und das Buch hinaus ein Anliegen. So kaufte man 240 Bilder für die eigene Sammlung, hinzu kam eine Schenkung von weiteren 100 Bildern und mehreren tausend Bilddateien. Pol Lesch, Direktor des CNA, betont jedoch, dass man bei der arbeitsintensiven Aufarbeitung dieses Archivs auf die Mitarbeit der Universitäten Luxemburg und Trier angewiesen sei. Das Interesse scheint durch die gelungene Ausstellung jedenfalls geweckt worden zu sein; die Vernissage vergangenen Samstag war überaus gut besucht.

Boris Loder
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