Luxemburgensia

Das Gespenst im Algorithmus

Die Autorin Claire Schmartz
Foto: Pitt Simon
d'Lëtzebuerger Land vom 24.03.2023

Finde den Fehler. Ein Satz, den man oft neben zwei zum Verwechseln ähnlichen Bildchen als Ratespiel in Magazinen findet. In Claire Schmartz‘ Debütroman ist dieser Satz das Mantra, welches die Protagonistin zuerst in die Paranoia und dann in den Abgrund treibt. Der Bug, der ihrem Lebenswerk innewohnt, scheint unauffindbar – und lässt damit die Illusion von Kontrolle platzen, in die wir uns nur allzu gerne flüchten. Aber von Anfang an.

Die Protagonistin des Romans ist die Professore, ihres Zeichens Forscherin in den Bereichen Robotik und maschinelles Lernen. Ihren Namen erfährt der Leser nicht. Ihre Leidenschaft: Ein Haushaltsroboter, aber nicht etwa diese kleinen Staubsauger, die alle Nase lang die Treppe runterfallen. Bud, so heißt der Prototyp, soll alles können: kochen, Wäsche waschen, putzen, Schuhe polieren, Katze füttern, Blumen gießen. Ein elektromechanischer Butler in humanoider Form, 36 Kilo schwer, ohne Gefühle. Er ist der ganze Stolz der Professore, die Geldgeber sind begeistert, ihr Vorgesetzter ebenfalls. Zu Beginn des Romans steht die achte Testphase an: Die Professore zieht mit dem Roboter in eine Wohnung und soll ihn in möglichst realer Arbeitsumgebung überwachen, um etwaige, verbleibende Mängel auszubügeln.

Natürlich tut der Roboter nicht das, was er soll – wie genau das Scheitern aussieht, soll hier nicht erläutert werden. Bemerkenswert ist, dass Schmartz es vermag, diese Geschichte zu erzählen, ohne auf die ausgelutschten Tropen der Science Fiction zurückzugreifen: Bud erlangt nie etwas, das für einen Außenstehenden an Bewusstsein erinnern mag, auch wenn die Frage stets im Raum schwebt. Der Roboter bleibt undurchschaubar. Obwohl er vollkommen logisch handeln sollte, ist seine Logik nicht nachvollziehbar, auch nicht für den Leser. Er ist kein Antagonist, sondern ein Rätsel – eins, das auch für seine Erschafferin bis zuletzt unlösbar bleibt. Auch ist er kein Androide im Stil eines Philipp K. Dicks, der durch seine Interaktion mit dem Menschen diesen mit der Frage konfrontiert, was sein Menschsein eigentlich ausmacht.

Bud entspricht in seiner Konzeption eher dem Golem von Prag, einer humanoiden Gestalt aus Lehm, die mittels eines Zauberspruchs, einer Kombination aus Buchstaben und Zahlen, zum Leben erweckt wurde, um seinem Herrn zu dienen. Etymologisch leitet sich das Wort Roboter vom tschechischen robota her, was so viel bedeutet wie Zwangsarbeit. Aber Schmartz beschränkt sich nicht auf eine Inspirationsquelle: „Ein Homunkulus“, kommentiert ein Kongressteilnehmer die Erklärungen der Professore und liegt damit nicht ganz falsch. Denn der Hochmut, zu glauben, man könne ein neues Wesen erschaffen, ist bei KI-Forschern unterschwellig genauso vorhanden wie bei den Alchemisten des Mittelalters. Mit einem subtilen Einwurf schafft Schmartz so eine literarische Verbindung, ohne sich der Holzhammerkritik bedienen zu müssen.

Kafka im Zeitalter der Maschine

Diese Reduktion nutzt sie als Stilmittel, welches den gesamten Roman kennzeichnet: Die handelnden Figuren beschränken sich auf den Roboter, eine Katze und drei Menschen. Von diesen erhält nur einer überhaupt einen Namen. Hinzu kommen noch ein paar Stichwortgeber, die aber schemenhaft bleiben. Der Kniff gelingt, weil Schmartz sich konsequent an ihre Erzählperspektive hält: Die Professore ist Außenseiterin, ein Nerd mit fast autistischen Zügen und einem verbissenen Fokus auf ihre Arbeit. Menschen spielen für sie nur eine untergeordnete Rolle, Gesellschaft sucht sie am ehesten bei ihrer Katze. Ihre Unfähigkeit zur Kommunikation und ihre damit einhergehende Abschottung geben dem Roman etwas Kafkaeskes – Bud ist für die Professore genauso unzugänglich wie das Schloss, die Handlungen der Menschen genauso erratisch wie der Prozess für Josef K.

Am schwächsten ist der Roman überraschenderweise dann, wenn er die Arbeitsbedingungen in der Forschung kritisiert: Die zunehmende Marktorientierung des universitären Betriebs, die Behäbigkeit der Studierenden, die Sinnlosigkeit großer Kongresse sind alles Themen, die sicherlich eine literarische Betrachtung verdienen, die sich aber in nicht entscheiden können, ob sie nun ein plot device, oder aber ein relevanter Erzählstrang sein wollen. Gerade die Szenen, in denen die meisten Menschen auftreten, sind dadurch die langweiligsten Momente des Buches.

Davon abgesehen entfaltet trotzdem einen Sog, der fast an einen Thriller erinnert: Mit immer größerem Unbehagen folgt man dem Roboter, lauert auf seinen nächsten Fehler und erwartet eine potenzielle Horrortat. Gleichzeitig beobachtet man bestürzt, wie die Professore sich im Labyrinth ihrer eigenen Paranoia verläuft. Und am Ende fragt man sich, ob das es nun war. Ob der Fehler gefunden wurde. Oder wird. Oder ob der Fehler gar nicht gefunden werden kann, weil man am falschen Ort nachgesehen hat. Vielleicht liegt der Bug nicht in der Maschine, sondern bei ihrem Benutzer. Aktualisieren und Neustart.

, Claire Schmartz, Hydre Editions, 192 Seiten., 17 Euro. Claire Schmartz ist freie Mitarbeiterin für das Land.

Tom Haas
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