Eine Firma in Grevenmacher und ihre Schwester in Frankreich betrieben Kreislaufwirtschaft schon, als den Begriff noch niemand benutzte

Zurück in den Boden

d'Lëtzebuerger Land vom 22.11.2024

In einer Fabrikhalle in Grevenmacher liegen Substanzen angehäuft, die man von weitem für Sand halten könnte. „Nehmen Sie das mal in die Hand und riechen Sie daran“, sagt Sébastien David seinem Besucher beim Nähertreten an einen dieser kleinen Hügel. „Das klebt ein bisschen, nicht wahr? Und es riecht süßlich.“

In der Tat. Was man für Sand halten könnte, ist ein Granulat auf Zuckerrüben-Basis. „Keine Chemie“, betont David, „da ist kein synthetischer Stickstoff drin. Wir produzieren Öko-Dünger.“

Fertilux im Gewerbegebiet Potaschbierg ist die Schwesterfabrik von FCA Fertilisants in Vireux-
Molhain in den französischen Ardennen. Beide gehören zum SHFC Group, der seinen Sitz in Luxemburg hat. Es herrscht Arbeitsteilung: Die französische Schwester stellt festen Dünger her, die luxemburgische flüssigen. Beide werden in Grevenmacher verpackt und versandt, der feste Dünger in Säcken, der flüssige in Kanistern.

„Wir haben Kunden in Westeuropa und Osteuropa, vor allem in Frankreich und in Polen. Aber auch in Afrika, in Senegal zum Beispiel“, erzählt Sébastien David. Der studierte Agraringenieur ist technischer Direktor und Marketingchef zugleich bei Fertilux. Seit dem Jahr 2000 besorgt Fertilux Logistik und Versand für die Fabrik in Frankreich, die ihren Betrieb 1994 aufnahm und Pulver und Granulate herstellt, wie das orangefarbene, das süßlich riecht und ein wenig klebt, wenn man es anfasst. In Grevenmacher kam 2017 die Produktion von Flüssigdünger hinzu.

Pflanzen benötigen vor allem drei Nährstoffe: Stickstoff, Phosphor und Kalium. Bei der Produktion synthetischer Dünger werden sie in Verfahren hergestellt, die viel Energie verbrauchen. Stickstoffdünger zum Beispiel wird aus Ammoniak gewonnen, einem Gas, das man mit Kohlendioxid aus der Luft reagieren lässt. Am Ende liegt der Stickstoff in kristalliner Form als Ammoniumnitrat vor. So kann er auf Feldern und Äckern ausgebracht werden. Eine Tonne Ammoniumnitrat herzustellen, verbraucht etwa dieselbe Menge Energie, wie in einer Tonne Diesel steckt. Eine Tonne Ammoniumnitrat reicht zum Düngen von drei Hektar Fläche.

„Unsere Energiebilanz ist um den Faktor 100 besser“, betont Sébastien David. Der CO2-Fußabdruck sei um den Faktor zehn besser. „Bei der Herstellung einer Tonne Ammoniumnitrat fallen zwei Tonnen CO2 an. Wir generieren nur 200 Kilo CO2 pro Tonne unserer Produkte.“

Statt Nährstoffe chemisch zu synthetisieren, greifen FCA Fertilisants und Fertilux auf Nebenprodukte zurück, die bei der Verarbeitung von Ackerfrüchten entstehen. Bei der von Zuckerrüben etwa: Wird aus ihnen Zucker gewonnen, bleibt das Fruchtfleisch der Rüben übrig. Es wird für Tierfutter genutzt, vor allem für Wiederkäuer. Zuckersirup ist ein zweites Nebenprodukt. Es wird ebenfalls zur Futterherstellung verwendet, aber auch für Fermentierungsprozesse in der Biotechnologie. Ein festes Nebenprodukt schließlich wird in der Lebensmittelindustrie mit Hefen zusammengebracht, die Glutaminsäure bilden, die als Geschmacksverstärker dienen kann. „An dieser Stufe fällt ein weiteres Nebenprodukt an. Das benutzen wir. Es ist einer der Grundstoffe für unsere Produktion.“ Am Ende, sagt David, gehe es als Dünger in den Boden. „Da schließt sich der Kreis.“

Firmengründer Pascal Tronçon kam als Landwirt schon in den Achtzigerjahren auf die Idee, dass Dünger sich aus Nebenprodukten der Agro-Lebensmittelindustrie herstellen lassen könnten. 1990 gründete er FCA Fertilisants und der Bau der Fabrik in Vireux-Molhain begann. Bei den festen wie bei den flüssigen Düngern ist das Prinzip jeweils dasselbe: Zwei bis drei Grundstoffen, welche die Nährstoffkomponenten Stickstoff, Phosphor und Kalium enthalten, werden Vor-Mischungen hinzugefügt; prémixes nennt Sébastien David sie. Sie enthalten Spurenelemente, Zucker und Aminosäuren. „Die Grundstoffe ernähren die Pflanzen, die prémixes verbessern die Bodenfruchtbarkeit.“ Das besondere Knowhow der Firmen von SHFC liege in der schlauen Mischung all dieser Komponenten, sagt David. Je nach Anwendungsfall kämen noch Komponenten hinzu. Silizium zum Beispiel im prémix für Dünger im Weinbau. „Silizium steigert die natürliche Widerstandsfähigkeit der Reben. Wir fügen noch ein Bakterium hinzu, das sie weiter erhöht.“ Was zum Beispiel Bio-Winzer interessiere.

Das verweist auf einen neuen Markt, der seit zehn Jahren aufstrebt, die sogenannte Biostimulierung: „Wir hatten uns anfangs auf Düngung, also die Ernährung von Pflanzen konzentriert. Biostimulierung will die Pflanzen obendrein schützen.“ Auf ein Verfahren, zu diesem Zweck einer Mischung Bakterien hinzuzufügen, halten Fertilux und die Schwester in den Ardennen ein Patent. „Wir sind da Pionier“, sagt David.

Gerne weist er darauf hin, dass der Ansatz ab 1990 schon auf Kreislaufwirtschaft beruhte, als den Begriff noch niemand benutzte. Mit mehr als 10 000 Nutzern allein der Fertilux-Produkte, sind die beiden SHFC-Betriebe keine Start-ups. Die Jahresproduktion von 120 000 Tonnen der Anlagen in Grevenmacher und Vireux-Molhain kann sich sehen lassen, auch wenn sie zum Beispiel verglichen mit dem gesamten DüngerMarkt in Frankreich von acht Millionen Tonnen im Jahr klein erscheint. „Wir sind nicht Elon Musk“, sagt David, „und wir wollen das auch gar nicht werden.“

Teurer als synthetische Dünger seien die von Fertilux und seiner Schwester nicht. Obendrein würden sie höhere Erträge zu erzielen erlauben. „Wir erreichen das vor allem auch dadurch, dass wir unsere Kunden in ihrer Praxis begleiten.“

Dass die Grundstoffe für die Öko-Düngerproduktion eines Tages knapp werden könnten, glaubt Sébastien David nicht. „Wir hatten noch nie Probleme mit der Versorgung und den Lieferketten. Außerdem ist die Palette der Grundstoffe, auf die wir zurückgreifen können, ziemlich breit.“ Das gestatte, einen Grundstoff durch einen anderen zu ersetzen, falls nötig. „Wie in einem Lego-Spiel. Oder wie in einer Küche.“

Am Ende aber ist es raffinierte Biotech. Bakterien etwa werden den Mischungen nicht nur zugesetzt, sondern so miteinander kombiniert, dass sie Synergien eingehen. „Wir innovieren auf diesem Gebiet ständig“, sagt Sébastien David. Forschung und Entwicklung fänden sowohl innerhalb des SHFC Group statt, als auch in Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten. Und weil die beiden Schwesterbetriebe in engem Kontakt mit ihren Kunden stünden, kämen neue Ideen auch von ihnen. Das sei wie bei der Gründungsidee vor nunmehr fast 35 Jahren, und auch damit schließe sich ein Kreis.

Peter Feist
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