Als der christlichsoziale Wohnungsbauminister Fernand Boden Anfang November auf der diesjährigen „Semaine du logement“ Pläne für eine „Agence immobilière sociale“ vorstellte, fand das in den Medien wenig Echo. Nicht einmal das Wort, sonst immer für eine Ehrenrettung des nicht gerade erfolgsverwöhnten Ministers gut, schenkte dem viel Beachtung. Der erhoffte Befreiungsschlag verpuffte.
Dabei war alles so schön geplant. Mit der viel versprechenden Überschrift: „Favoriser l’inclusion sociale par le Logement“ und buntenSchautafeln wollte der Wohnungsbauminister endlich jene KritikerLügen strafen, die nicht müde werden, ihm insbesondere beim sozialenWohnungsbau persönliches Versagen vorzuwerfen.
Im Regierungsprogramm 2004 war, neben dem verstärkten Bau von bezahlbaremWohnraum, auch dieWohnungsagentur vorgesehen, erstmals „amtlich“ wurde sie ein Jahr zuvor, im zweiten Plan d’action national d’inclusion sociale. Der mittlerweile in den Rapport national stratégique integrierte Plan führte sie unter „strategischen Maßnahmen“. Nur geschehen ist damit nichts.
Dass die Idee nicht in der Versenkung verschwand, ist dem hartnäckigen Engagement einiger Überzeugungstäterinnen und -täter zu verdanken – und dem Druck durch die wachsende Wohnungsnot, die immer mehr Menschen ohne angemessenes Dach überm Kopf zurückließ. Nachdemdie „Plateforme sur l’accès au logement pour les personnes defavorisées“ unter Führung von René Kneip, Direktor der „Caritas accueil et solidarité“, beim zuständigen Minister mit einem allgemeinen Wohngeld für Menschen mit geringem Einkommen mehrfach abgeblitztwar, entstand schließlich die Idee einer staatlichen Agentur. Sie solltedann eben auf indirektem Wege, über staatlich subventionierte undverwaltete Wohnungen, Menschen in Wohnungsnot helfen.
Doch obwohl sich auch Beamte im Wohnungsbauministerium für denPlan aussprachen, wollte sich ihr Dienstherr auch für diese Initiativeerst nicht so richtig erwärmen. Sie drohte ebenfalls zu versanden. Erstals die luxemburgische Sektion des European Anti Poverty Network(EAPN), ein Bündnis aus Caritas, Arbëchtshëllef, Croix rouge, Liguemédico-sociale und anderen Nichtregierungsorganisationen, die Überlegung aufgriff und sie zusammen mit den ursprünglichen Ideengebern weiterentwickelte, nahm die Sache wieder Fahrt auf. Gemeinsam mit der Wunnengshëllef pilgerte man zur Familienministerin Marie-Josée Jacobs (CSV), wo man mit dem Konzeptpapier Ende Novemberber 2007 dann endlich auf offene Ohren stieß.
„Mit der Agentur wollen wir gezielt diejenigen Menschen in Luxemburgunterstützen, die sich eine Wohnung zu Marktpreisen nicht leisten können“, beschreibt EAPN-Präsidentin Karin Manderscheid Sinn und Zweck der Agentur. Dafür tritt der Staat über die Agentur anvermietungswillige Hauseigentümer heran, schließt mit ihnen zu günstigenKonditionen Verträge – und vermietet den Wohnraum weiter anbedürftige Menschen. Zahlt ein Mieter nicht, bürgt die Agentur.
Von der Maßnahme sollen, anders als bei der Wunnengshëllef, nichtnur Menschen profitieren, deren Einkommen unter dem gesetzlichgarantierten Mindesteinkommen (RMG) von derzeit mindestens1 090 Euro monatlich liegt und die durch einen der bei der Wunnengshëllef angeschlossenen Verein betreut werden, sondern prinzipiell jeder, der unterhalb der RMG-Armutsgrenze lebt und kaum Chancen auf dem eng umkämpften Mietwohnungsmarkt hat: weil er arbeitslos ist oder alleinerziehend, weil sie psychische Probleme hat oder verschuldet ist. Die genauen Kriterien stehen noch nicht fest; die soll derVerwaltungsrat jener „Fondation pour l’accès au logement“ bestimmen,die EAPN und Wunnengshëllef „wegen der größeren Stabilität“, auf Anregung des Familienministeriums, zusammen gründen.
Was wie eine Konkurrenz zur Wunnengshëllef und zum Fonds du Logement klingt, soll diese eher ergänzen. Der Fonds du Logement vermietet derzeit knapp zehn Prozent von seinem rund 1 400 Einheitenumfassenden Wohnungspark, das sind rund 100 Wohnungen, an verschiedene Vereine, die in der Wohnungs- und Sozialarbeit tätig sind.Die Nachfrage an bezahlbarem Wohnraum nimmt aber ständig zu,augenblicklich liegt sie laut Wohnungsbauminister bei etwa tausend.Für den Fonds wird es zunehmend schwieriger, diesen Ansturm zu bewältigen – so dass die Agentur durchaus in seinem Interesse seinkönnte. Genaueres will das Familienministerium nicht verraten, mansei in Verhandlungen, heißt es dazu ausweichend.
Ein mögliches Szenario aber könnte wie folgt aussehen: Der Fonds würde preiswerte Wohnungen gezielt an die Agentur abtreten, die diesedann weiter vermietet. Damit würde die personalaufwändige Verwaltungund Kundenbetreuung für den Fonds entfallen, der sich schon jetzt schwer mit dem Kundenservice schwer tut. Für das Familienministeriumhätte die Konstruktion wiederum den Vorteil, dass sie einen klaren Ansprechpartner bekommt.
Ebenfalls im Gespräch ist, auslaufende Mietverträge der Klientenvon Wunnengshëllef-Mitgliedern mittelfristig an die Agentur zuüberschreiben. Bis Ende 2009, so steht es im Konzeptpapier derEAPN, sollen in einer ersten Phase rund 50 Wohnungen durch dieAgentur verwaltet werden. Späterer Ausbau durchaus vorgesehen.
Politisch erwünschter Nebeneffekt: Sollte es gelingen, die Agentur wiegeplant Anfang Januar 2009 mit der Arbeit beginnen zu lassen,könnte die Regierung ihre ansonsten magere wohnungspolitischeBilanz kurz vor den Wahlen noch einmal aufpolieren – zu recht günstigenKonditionen. Denn anders als der millionenschwere Wohnungsbaupaktkostet die Agentur den Staat, zumindest in einer ersten Phase, nicht mehr als drei Posten für Leitung, Verwaltung und technischer Dienst. Die soll das Familienministerium bezahlen; das Wohnungsbauministerium kämefür jene Personen auf, die selbst einen über die Agentur subventioniertenMietpreis nicht bezahlen können und zusätzlich Hilfe zur Miete brauchen.
Im Haushaltsentwurf des Wohnungsbauministers sind dafür 57 000 Euro für 2009 veranschlagt, zu wenig, wenn die Expertenschätzungen von rund 700 Bedürftigen zutreffen sollten. Vor dem Hintergrund des sich zurregelrechten Wirtschaftskrise auswachsenden Bankencrashs ist aberselbst das ein nicht zu unterschätzender Erfolg – wenn das Parlamentdas Budget Anfang Dezember verabschiedet, stünden die Zeichenalso auf grün. Eine Gelegenheit, die sich auch Skeptiker Boden nicht entgehen lassen will, der die Initiative in seiner Eröffnungsrede zur „Semaine de logement lobte“, als sei er schon immer dafür gewesen.
Selbst sein wegen der dürftigen Verbindlichkeiten für mehr sozialenWohnungsbau vielfach kritisierter Wohnungsbaupakt könnte nocheine positive Wendung nehmen. Wenn nämlich Gemeinden, diedurch den Pakt dazu angehalten sind, Wohnraum zu schaffen, diesezu günstigen Preisen der Agentur zur Verwaltung und Vermietungüberlassen. Besonders für kleine Gemeindenmit kleiner Verwaltung,so hoffen die Initiatoren, könnte das interessant sein. Bei Bauflächenvon über einen Hektar sind zehn Prozent für den sozialenWohnungsbauvorgeschrieben; hier könnte die Agentur ebenfalls ihre Rolle spielen.Auch an eine Partnerschaft mit den Sozialämtern wird gedacht. Vielleichtgelingt dann ja auch das, womit sich Gemeindepolitiker aller Couleur so schwer tun und was der zuständige Beamte im Familienministerium,Claude Vandivinit, selbst als „ehrgeiziges Ziel“ beschreibt: leerstehenden Wohnraum zu mobilisieren.
Für Spekulanten ist das Angebot wohl wenig attraktiv, schließlich gelten die gesetzlich vorgeschriebenen fünf Prozent als maximaleGewinnspanne. Wenn der Staat aber, ähnlich wie die Wunnengshëllef, sanierungsbedürftige Wohnungen wieder instand setzen würde, könntesich der Deal dennoch lohnen. „Selbstverständlich muss der Staatetwas im Gegenzug kriegen“, warnt Vandivinit all jene, die nun hoffenkönnten, mit staatlichen Geldern ihren Wohnbestand sanieren lassenzu können. Vielmehr könnte ein Eigentümer, dessen Haus von derAgentur renoviert wurde, als Gegenleistung für eine bestimmteDauer auf Mieteinnahmen verzichten.
Als mögliche Partner nennt der Beamte neben Privatleuten undFonds du Logement auch Gemeinden und Kirchenfabriken.Spätestens da aber wird mancher hellhörig. Schon fürchten einige,die katholische Kirche könnte der eigentliche Nutznießer der Aktionsein. Das Erzbistum hatte sich, nach wiederholter Kritik von außen, inseinem diesjährigen Sozialwort dazu verpflichtet, sich mehr im sozialenWohnungsbau zu engagieren und dafür Wohnraum und Grundbesitzzur Verfügung zu stellen. Die Kirche hat deshalb intern prüfen lassen,wie groß der in Frage kommende Grundstücksbestand ist; leider sinddie Zahlen nicht öffentlich. Für Irritationen in der Szene sorgte auchder kürzlich veröffentlichte Jahresbericht des Ombudskomitees fürdie Rechte vom Kind (d’Land, 21.11.2008). Darin wird die Caritasals Träger für die angeblich bereits für Dezember geplante Agentur genannt.
Weil zudem bekannt war, dass Marc Hoffmann, Noch-Direktorder Ligue médico-sociale und Verfechter der nationalen Wohnungsagentur, ab 1. Dezember bei der Caritas das Wohnungsdossier übernehmen wird, brodelte die Gerüchtekücheerst recht. „Marc Hoffmann wird definitiv nicht Direktor der Agentur“, stellt Karin Manderscheid gegenüber dem Land fest. Geplant sei vielmehr, Hoffmann im Verwaltungsrat der neuen Stiftung Platz nehmen zu lassen.
EAPN und Wunnengshëllef bemühen sich derweil, eine Stellenbeschreibung für den künftigen Direktor oder Direktorin auszuarbeiten. So viel Konsens ist schon: „Die Person sollte Erfahrung im Sektor und im Umgang mit den Zielgruppen haben“, so Manderscheid. Auch die Zugangskriterien sind in Arbeit, denn erst wenn diese vorliegen (und der Haushalt verabschiedet ist), will der Regierungsrat die Gelder freigeben. Viel Zeit bleibt nicht mehr, um die guten Vorsätze für2009 noch umzusetzen.