„Police: Abriecher no Sichaktioun zu Folkendeng verhaft“, lautete am Dienstag die Schlagzeile bei RTL. Nachdem sich die Einbrecher zu Fuß von Stegen in Richtung Diekirch auf den Weg gemacht hatten, setzte die Polizei ihren Hubschrauber und eine Staffel von nicht weniger als zehn Hunden ein, um die Flüchtigen zu fassen. Dass die Polizei um zwei Einbrecher dingfest zu machen Mittel einsetzt, die andernorts die Suche nach Gewaltverbrechern dienen, scheint unverhältnismäßig. Und höchstwahrscheinlich ist es im Hinblick auf die große Einbruchsserie, die seit Monaten anhält, auch ziemlich sinnlos. An die Stelle der gefassten Täter werden neue folgen.
Noch sind die Statistiken nicht definitiv, und zum Jahresende 2011 wurden zudem besonders viele Einbrüche gemeldet. Dennoch sprechen die vorläufigen Zahlen für sich: 2011 wurden 45 Prozent mehr Einbrüche gemeldet als 2010, sagt der Kriminalbeamte Gaston Fries. Auch wenn Luxemburg ideale Bedingungen liefert – bei der überdurchschnittlich wohlhabenden Bevölkerung gibt es viel zu holen, und bis hinter die Grenze ist es nicht weit – beschränkt sich das Phänomen nicht auf das nationale Territorium. Im Saarland wurden 30 Prozent mehr Einbrüche gemeldet, weiß Fries aus dem Gespräch mit den Kollegen, Nancy verzeichnet sogar einen Anstieg von 80 Prozent im Vergleich zu 2010.
Nur selten werden die Täter gefasst und das Diebesgut wiedergefunden, bedauert Fries. Dass sich die Einbrecher auf leicht mitzunehmende Ware wie Bargeld und Schmuck, konzentrieren, mache es nicht leichter, sogar wenn es Fotos oder genaue Beschreibungen gibt. Goldene Uhren und Schmuck werden schnell auseinander gebaut, Edelsteine entfernt, das Gold eingeschmolzen. Hinter den Einbrüchen erkenne man zudem eine gewisse Logistik, erklärt der Kriminalbeamte. Wechselnd zusammengesetzte Tätergruppen reisten für ein paar Tage an, um einige Einstiege zu machen, reisten danach wieder ab. Mitunter wohl auch gezwungenermaßen. Ähnlich der Vorgehensweise von Menschenschleppern, die junge Frauen mit falschen Versprechen auf fiktive Jobs nach Westeuropa locken, um sie dann in die Prostitu-tion zu zwingen, würden auch andre vorwiegend Osteuropäer zum Einbrechen genötigt, meint Fries.
Allein bis Mitte November 2011 hatte die Polizei bereits 2 918 Einbrüche registriert, bei rund 40 Prozent blieb es beim Versuch. Nach Jahresfrist dürften es deutlich mehr als 3 000 gewesen sein. Mit den Einbruchszahlen steigt auch die Schadenssumme, was die Versicherungsgesellschaften zu spüren bekommen: 30, fast 50 oder 75 Prozent sind die Schadensfallmeldungen bei den großen Versicherungsgesellschaften 2011 in die Höhe geschnellt, je nachdem ob mehr oder weniger ihrer Versicherungskunden betroffen waren. Mehr Schadensfälle heißt auch höhere Auszahlungen. Die entwickeln sich zwar nicht unbedingt linear zur Schadensfrequenz – das hängt schließlich davon ab, ob, was und wie viel geklaut wird – doch der Mehraufwand liegt im Millionenbereich. Rund 60 Prozent musste eine große Versicherungsgesellschaft 2011 mehr auszahlen als im Vorjahr, bei einer Schadenssumme von nahe drei Millionen Euro insgesamt. „In den Wintermonaten kommt es vor, dass täglich vier, fünf, sechs Schäden gemeldet werden“, sagt ein Mitarbeiter. „Die Schadenssumme hat sich binnen eines Jahres verdoppelt“, teilt eine andere Gesellschaft auf Nachfrage mit. Zwei Millionen Euro zusätzlich mussten ausbezahlt werden. Von 700 000 auf 1,25 Millionen Euro sind die Entschädigungen bei einer dritten Versicherungsgesellschaft gestiegen.
Sogar wenn es beim Einbruchsversuch bleibt, entstehen Kosten, erklärt ein Versicherungsmitarbeiter. Auch für die Schäden an Türen und Fenstern kommen die Versicherungen auf. Allein die Rechnung für deren Reparatur beläuft sich schnell auf 2 000 oder 2 500 Euro. Im Schnitt betrage die Schadenssumme zwischen 4 000 und 4 500 Euro berichtet er. Das deckt sich mit der Aussage der Konkurrenten. „Wenn viel Schmuck geklaut wird, wird es schnell teuer“, fügen sie hinzu.
So löst die Einbruchsserie nicht nur einen gewissen Boom in Fenster- und Türreparaturarbeiten aus, auch die Nachfrage nach Alarmsystemen steigt. „Über die Weihnachtsfeiertage war es so schlimm, dass wir den Betrieb gar nicht wirklich geschlossen haben“, berichtet die Mitarbeiterin eines Glaserei- und Fensterbetriebs. „Das ebbt aber auch wieder ab“, beschwichtigt sie. Wie viel die Reparaturen kostet, lasse sich pauschal nicht sagen. „Das hängt ja immer davon ab, was kaputt ist.“ Ob nur ein Türschloss oder aber die Tür selbst beschädigt ist, nur eine Scheibe oder aber auch der Fensterrahmen kaputt ist. Insgesamt steige die Nachfrage nach Sicherheitsglas, wie nach Ketten und Verriegelungen an den Türen. Allesamt teureres Material als die Standardausstattung. Doch je mehr man sich verbarrikadiert, umso mehr wird bei einem späteren Einbruchsversuch kaputt gemacht, warnt die Mitarbeiterin.
Überhaupt gehen die Meinungen darüber auseinander, ob verstärkte Sicherheitsmaßnahmen, wie Alarmanlagen, hilfreich sind oder nicht. Wer sich verbarrikadiert, signalisiert, dass es schützenswerte Wertgegenstände gibt und sich der Einbruch lohnt, meinen manche. Die Polizei selbst rät in ihrem Präventionszentrum in Kalchesbrück zu Sicherheitsglas, -schlössern und Alarmanlagen, weil letztere, gut sichtbar an der Fassade angebracht, Einbrecher abschrecken würden und, falls sie dennoch den Einbruch wagten, die Eindringlinge sich spätestens beim Losheulen der Anlage aus dem Staub machten.
Auch weil die Einbruchsserie in den vergangenen Monaten so mediatisiert worden sei, steigen die Bestellungen bei Anbietern von Alarmanlagen. „Die Leute hören ständig davon und jeder kennt mindestens einen, bei dem eingebrochen wurde. Da fühlen sie sich unsicher“, sagt der Mitarbeiter einer großen Sicherheitsfirma. „Es ist gar nicht so, als ob wir verstärkt Werbung machen würden.“ Dennoch stellt er ein Nachfrageplus von 20 Prozent im vergangenen halben Jahr fest. Eine Standard-Anlage bei Neubauten koste ab 2 000 Euro, erklärt er. Wird in einem Haus nachgerüstet und die Anlage über Funk kontrolliert, werden mindestens 3 000 Euro fällig. Wem das nicht ausreicht, kann sich auch noch einen Fernüberwachsungsdienst der Sicherheitsfirmen abonnieren, die für eine Gebühr von ungefähr einem Euro am Tag, zur Kontrolle vorbeischauen, wenn die Anlage ausgelöst wird. Dass Hausbesitzer sich und ihr Eigentum zunehmend mit Alarmanlagen schützen, liegt wohl tatsächlich eher am gestörten Sicherheitsgefühl. Denn einen finanziellen Anreiz bieten beispielsweise die Versicherungsgesellschaften nicht. Keine der befragten Gesellschaften fordert von ihren Standardkunden, die keine größere Wertgegenstände besitzen, eine Anlage.
Obwohl mancher Versicherungsmitarbeiter die Entwicklung der Einbruchsstatistik für bedenklich bis dramatisch hält, hat das bisher nicht zu einer Anhebung der Prämien geführt. Eine solche Maßnahme werde momentan auch noch nicht diskutiert, berichten Versicherungsmitarbeiter. Dennoch haben sie das Verhältnis zwischen eingezahlten Prämien und ausgezahlten Entschädigungen im Auge. Denn wenn die neuen europäischen Solvenzregeln für Versicherungsgesellschaften in Kraft treten, warnt einer, muss jede Versicherungssparte sich selbst tragen. Eventuelle Defizite bei der Hausrats-, beziehungsweise der Einbruchs- und Diebstahlsversicherung dürfen dann nicht durch Überschüsse aus anderen Sparten wettgemacht werden.
Immerhin: Die meisten Kunden seien ausreichend versichert, weiß ein Versicherungsangestellter. „Doch“, fügt er hinzu, „wir entschädigen ja nur finanziell. Den emotionalen Schaden, wenn geliebte Sachen gestohlen oder das Gefühl, im eigenen Zuhause sicher zu sein, zerstört wird, können auch wir nicht wettmachen.“