Ein wenig war es in den Diskussionen über die Erklärung zur Lage der Nation untergegangen, die Premierminister Xavier Bettel vergangene Woche im Parlament verlas: Die Regierung plant, der Nation ein „Zentrum für politische Bildung“ zu schenken, das auch in Sparzeiten „die nötigen finanziellen und organisatorischen Mittel bekommen soll, um optimal zu funktionieren“. Eine staatliche Einrichtung für politische Bildung sei „für Luxemburg ein neues Gebiet“, auch wenn es „eine solche Institution im Ausland schon häufig“ gebe. Das ausländische Vorbild des geplanten Zentrums für politische Bildung scheint die Bundeszentrale für politische Bildung zu sein. Sie war 1952 in Deutschland als Bundeszentrale für Heimatdienst gegründet worden, um nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg einige Millionen Nazis zu überzeugen, sie sollten sich endlich Hitler aus dem Kopf schlagen und sich mit dem bis dahin als „Parteienwirtschaft“ mies gemachten Parlamentarismus versöhnen. Nach dem Mauerbau wurde der Heimatdienst 1963 in Bundeszentrale für politische Bildung umbenannt und zur Propagandazentrale des CDU-Staats im Kalten Krieg.
Wenn es nicht bloß darum geht, der wachsenden Zahl von Politologen Arbeit und Brot zu verschaffen, die keine Einstellung bei den Fraktionssekretariaten der Parteien finden, kann man sich fragen, weshalb die Regierung die Gründung eines Zentrums für politische Bildung für nötig hält. Erschienen ihr die Wähler 2005 gefährlich ungebildet, als sie beim Referendum um ein Haar den Europäischen Verfassungsvertrag abgelehnt hatten? Brauchen die Wähler 2015 politischen Nachhilfeunterricht, weil sie im bevorstehenden Referendum mehrheitlich gegen die Regierungsvorschläge zu stimmen drohen? Droht in einer Generation, die lieber Facebook als das Luxemburger Wort liest, der Glaube an den Segen der Europäischen Union, der Großregion und eines strukturellen Haushaltsüberschusses zu erlöschen?
Die Regierung scheint es besonders für die politisch „bildungsfernen“ Wähler zu befürchten. Nur offen sagen kann sie es nicht. Deshalb sollen die politischen Sozialarbeiter des geplanten Zentrums den „Kampf gegen Fanatismus und Extremismus“ aufnehmen, so wie auch der neue Religionsunterricht „Leben und Gesellschaft“ eine scharfe Waffe gegen den „Radikalismus“ werden soll. Was das ist, weiß niemand außer dem Direktor des demnächst wieder mit neuen Vollmachten ausgestatteten Service de renseignement, und der ist überzeugt, dass es um die Einstiegsdroge zum Terrorismus geht. So als könne Terrorismus mit Broschüren und Faltblättern statt durch die politische Ursachenbekämpfung verhindert weden. Wenn der Terrorismus nicht gerade von einem Extremismus der Mitte ausgeht, wie die hohen Polizeioffiziere zeigen, die derzeit eine Anklage im Bommeleeërten-Prozess riskieren. Doch die Nazis nannten die Resistenzler und das Luxemburger Wort den Nelson Mandela „Terroristen“, für manche ist heute schon eine Schülerin mit einem Kopftuch eine Fanatikerin. Deshalb sind Fanatismus, Extremismus und Radikalismus keine Straftatbestände, gegen die ein Maulkorbgesetz in Samt nötig ist, und nicht einmal eine Krankheit, die eine staatliche Einrichtung mit dem traurigen Charme der Maison de l’Europe bekämpfen soll, sondern durch die Verfassung ebenso geschützte Ansichten wie der exzentrische Glaube des Herrn Erzbischofs an die Transsubstantiation.
Das Zentrum für politische Bildung als politische Bildung im Zentrum soll die Bürger lehren, so der Premierminister, „nicht alles blind zu glauben, was sie von allen Seiten serviert bekommen“. Denn die Regierung will „Bürger, die aufgeklärt und verantwortungsbewusst sind, und eben auch eine eigene Meinung haben.“ So lange sich diese Meinung selbstverständlich innerhalb der von der Regierung und ihren Verwaltungen festgelegten Schranken bewegt.