Als die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood ihren Roman The Handmaid’s Tale 1985 veröffentliche, konnte sie wahrscheinlich nicht ahnen, dass sich ihr Stoff als unglaublich populäre Fernsehserie vermarkten lassen würde. Unter der Regie Volker Schlöndorffs wurde der Roman bereits 1990 verfilmt, zu größerer Bekanntheit gelangte die Adaption allerdings nicht. Als Kritik am Puritanismus gedacht und als dystopischer Roman konzipiert, beschreibt Atwood in dem Roman den zivilisatorischen Werteverfall in einer nicht allzu fernen Zukunft: Die USA existieren nach dem drastischen Einbruch der Geburtenrate nicht mehr und wurden in die Republik Gilead umgewandelt, einen theokratisch-christlichen Terrorstaat, in dem die noch fruchtbaren Frauen als Mägde einem Hausherren und dessen Frau unterstellt werden, um ihnen als Leihmutter zu dienen.
2017 wurde vom Sender Hulu die erste Staffel der Serie ausgestrahlt, mittlerweile steht die Veröffentlichung der vierten und letzten Ausgabe an. Dass die Romanhandlung sich nicht über rund vierzig Stunden Serienzeit ausbreiten lässt, dürfte wenig überraschen, und das eröffnet dem Serienschöpfer Bruce Miller einen Raum an Freiheiten, die Vorlage anzureichern, zu erweitern, umzudenken. Darin gibt Elizabeth Moss die Mutter und Ehefrau June, die nach dem Umbruch des politischen Systems von ihrem Mann und ihrer Tochter getrennt wurde und zur Magd Offred – allein ihr Name markiert sie als eine Dinglichkeit des Mannes, dem sie zu dienen hat – umgetauft wurde. Im zeremoniellen Beischlaf werden diese „Handmaids“, im Schoß der Ehefrau liegend, de facto vergewaltigt. Falls es zur Gegenwehr kommt, wird zur Bestrafung ein Auge entfernt – Religion und Gewalt scheinen wie selbstverständlich in eins zu fallen.
Ähnlich wie in Atwoods Roman überträgt sich auch in der Serie das Gefühl eines repressiven Systems, das mit aller Macht und Gewalt eine Welt errichtet, in der die mütterlichen Bande mit allen Mitteln zu kappen versucht werden und so zur emotionalen und geistigen Lähmung zu führen scheint. In The Handmaid’s Tale sind letztlich alle Menschen Gefangene und die Serie zeigt schlicht, wie Mann und Frau daran zerbrechen. Im Gegensatz zu Atwoods Roman und sehr zur Aufrechterhaltung ihrer weiblichen Publikumszahlen, beschreibt die Serie aber auch zunehmend, wie Frauen die patriarchalische Ordnung unterwandern und immer mehr an Einfluss gewinnen.
Auf der formalen Ebene setzt die Serie auf das Spannungsverhältnis zwischen den ästhetisch anziehenden Bildern, die an die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts angelehnt sind und starke Farbkontraste in den roten Umhängen und den weißen Hauben erzeugen, sowie einer klaren Kamerasprache, die von der strengen Kadrierung bis zur überwiegenden Abwesenheit jeglicher Bewegung auf die Sensibilisierung des Zuschauers zielt.
Erstaunlich ist aber, wie die 2017 gestartete Serie immer wieder als hochaktuell beschrieben wird, weil sich darin angeblich der Zeitgeist spiegele. Selbstverständlich ist etwa die Frage nach dem Recht zum Schwangerschaftsabbruch heute wieder virulenter geworden und bietet sich als Bezugspunkt für die Serie an. Dass die Utopie aber deshalb – aufgrund der Anwendbarkeit dieser Bezüge – immer wieder totgesagt wird, dürfte indessen verwundern, ist doch der dystopische Zukunftsentwurf, den The Handmaid’s Tale abbildet, gerade deshalb so hochgeschätzt, nicht so sehr weil sie die Gegenwart als schlecht und kurz vor dem Abgrund kennzeichnet, sondern vielmehr weil sie unsere Gegenwart, auf die die Serie unermüdlich mit nostalgischem Gestus rückblendet, als Utopie verklären möchten.
Die Republik Gilead ist eben nicht das gegenwärtige Amerika, in dem diese June ihre Liebe und ihre Sexua-
lität zu ihrem dunkelhäutigen Mann frei leben darf. Wir sollen uns vielmehr daran erfreuen, so scheint The Handmaid’s Tale uns sagen zu wollen, dass solche düsteren Zustände nur als Filmbilder existieren und durch den Rahmen der Leinwand oder des Bildschirms begrenzt und sozusagen gebannt sind. Die zunehmende Popularität dystopischer Werke ist als Befund für eine desolate Gegenwart schlichtweg falsch. Nicht unsere Zeiten bestimmen die aktuelle Konjunktur dystopischer Stoffe, vielmehr tut dies unsere Nachfrage – es liegt letztendlich daran, was wir konsumieren.