Das Konstrukt anonymer Tarnfirmen, um Vermögen zu verschleiern und so Milliardenbeträge vor dem Fiskus zu verstecken, kennt die Welt spätestens seit den Panama Leaks. Kann es sein, dass auch katholische LebensschützerInnen Formen von Tarnorganisationen benutzen, um ihre Anti-Abtreibungs-Ideologie in Luxemburger Schulen und Kindergärten zu propagieren?
Der Verdacht liegt nahe, schaut man sich die Verbindungen von www.schoul-hiewan.lu an. Die Plattform, die zum Ziel hat, „dass durch eine kompetente Aufklärung in der Sexualität nur noch erwünschte und gewollte Schwangerschaften entstehen“, wird von Hebammen betrieben und organisiert Ateliers in Schule und Kindergarten. Eine der Hebammen ist überdies bei niddamour.lu aktiv, eine Organisation, die sich ihrerseits die Aufklärung über Sexualität und Schwangerschaft zur Aufgabe gemacht hat. Im Atelier „Woher kommen die Babys“ sollen Kinder „das Leben“ feiern, sie lernen „die Schönheit von Schwangerschaft und Geburt entdecken“. Validiert sei das drei- bis vierstündige Atelier, das sich an Grundschulen richtet, im Rahmen des Schoul-hiewan-Projekts ... durch das Erziehungsministerium. Im Atelier „Magic Woman“, dessen Inhalt sich an pubertierende Mädchen richtet, sollen diese „die Reise des Lebens, die Empfängnis“ eines Babys, die Geburt kennenlernen. Und verstehen, wie sich ihr Körper darauf vorbereite, „das Wunder des Lebens zu empfangen“.
Wer hier nicht den Jargon der Lebensschützer erkennt, sollte den Namen der Hebamme recherchieren und wird unter vienaissante.lu fündig. Der katholische Verein kommt direkt zur Sache und nimmt kein Blatt vorm Mund: „Die Vereinigung für den Schutz des ungeborenen Lebens verfolgt ein einfaches Ziel, und zwar die in Luxemburg seit Jahren steigende Zahl der Abtreibungen weitmöglichst zu verringern. Sie findet sich nicht ab mit der Tötung von so vielen ungeborenen Menschenleben. Für ihre Mitglieder kann eine Abtreibung niemals Ausdruck der Würde der Frau sein.“ Im Juni 2018 luden VN-Präsident André Grosbusch und Vizepräsidentin Marie-Josée Frank „verschiedenartige Lebensschutzorganisationen“ ein, darunter Nid d’Amour sowie eine Dozentin von invict4.lu respektive fertilitycare.be.
Auf Land-Nachfrage bestätigt das Erziehungsministerium, es habe über den Service de coordination de la recherche et de l’innovation pédagogiques et technologiques (Script) mit schoul-hiewan eine Konvention. Eine Verbindung zwischen der Hebammen-Plattform und den Lebensschützern sei bisher nicht bekannt. Die Aussage erstaunt. Denn im Herbst hatten Mitarbeiterinnen des nationalen Referenzzentrums zur sexuellen und affektiven Gesundheit, Cesas, einen Kurs von invict4.lu besucht, organisiert vom Schulungsinstitut INFPC, das dem Ministerium untersteht. Ihnen fielen die Lebensschutz-Terminologie und einseitige Inhalte auf. Das Cesas, gegründet, um eine ideologische Vereinnahmung der Sexualerziehung zu verhindern, meldete den Kurs dem interministeriellen Begleitkomitee; in dem ist auch das Erziehungsministerium vertreten. Mit Folgen: Kurz darauf war der Workshop aus dem Angebot von lifelong-learning.lu verschwunden; dieses Jahr steht er wieder im Programm.
Man werde genau prüfen, ob unter schoul-hiewan.lu „Lebensschutz-typische“ Inhalte in Schulen und Maisons relais gelangt seien und sämtliche Angebote auf den Prüfstand stellen. Bis dahin werde man keine weiteren Interventionen autorisieren, heißt es nun seitens der Script-Leitung. Schulen sind gesetzlich verpflichtet, weltanschaulich neutral zu sein. Vielleicht sollte der Script in Düdelingen Bescheid sagen: Die Stadt im Süden bietet von März bis Juli ein Atelier von Nid d’amour für Schulklassen und Gruppen in Kindergärten an – im Rahmen des Internationalen Frauentags.