Ein gutes Jahr werden sich Besucherinnen und Besucher des Musée d‘histoire de la Ville de Luxem-bourg (MHVL) gedulden müssen, bis die neue Dauerausstellung zum 20. Geburtstag eröffnet wird. „Wir wollen unser Profil schärfen und die Stadtentwicklung noch besser erklären“, fasst Danièle Wagener das Hauptanliegen der Generalüberholung zusammen. Wir sitzen in ihrem Büro gegenüber des Museums: Wir, das ist neben der Direktorin und der Journalistin Konservator Guy Thewes, der das Konzept der Runderneuerung inhaltlich verantwortet.
„Im Mittelpunkt wird die Schleifung der Festung 1867 stehen. Wir wollen erzählen, was dies historisch bedeutet und wie sich die Stadt danach verändert hat“, erklärt Thewes. Auch in der aktuellen Ausstellung kommt der Schleifung ein wichtiger Platz zu: Denn erst danach breitete sich die Stadt aus, entstanden neue Wohnviertel, florierte die Wirtschaft.
Um die Szenografie im verwinkelten Gebäude optimal zu gestalten, hat das Museum mit einem Teil des 1,23-Millionen-Euro-Budgets, das für die Transformation insgesamt zur Verfügung steht, Innenarchitekt Tido Brussig engagiert. Kennern ist der Münchner vielleicht ein Begriff; die Ausstellung Au secours anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Luxemburger Roten Kreuzes hatte Brussig ebenfalls mitgestaltet. „Mit ihm werden wir besonders an der Inszenierung im Raum arbeiten, das ist ein Kernanliegen“, unterstreicht Danièle Wagener. Das Städtische Museum im Herzen der Altstadt, das aus vier Bürgerhäusern aus dem 17. bis 19. Jahrhundert besteht, ist ziemlich verwinkelt. Die Orientierung in dem von der Architektin Conny Lentz 1996 transformierten Ensemble fällt nicht immer leicht. „Wir werden ein neues Leitsystem entwickeln“, verspricht die Direktorin. In der Empfangshalle soll der Besucher eine Orientierungshilfe erhalten, die ihm oder ihr die sechs vertikalen Ebenen leichter zugänglich macht.
Hilfreich für die Orientierung über die 2 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche dürfte sein, dass das Museum für seine Dauerausstellung zur chronologischen Gestaltung zurückkehren wird. Nachdem es in seiner ersten ständigen Ausstellung 1996 die Stadtgeschichte bereits chronologisch aufbereitet hatte, legt die aktuelle den Akzent stärker auf Themen, wie die Industriegeschichte, das politische System, Mythen und Helden. „Das neue Konzept wird die chronologische Geschichtserzählung mit thematischen Schwerpunkten verbinden“, sagt Guy Thewes. Einige Details verrät der Konservator, auch wenn er und Wagener betonen, dass „noch nicht alle Entscheidungen gefallen sind“. So soll der Auftakt des Rundgangs die Stadt zeigen, wie sie heute ist. Dabei werden Fakten über die Vielfalt der Bevölkerung ebenso aufgegriffen, wie urbanistische Projekte oder der Einfluss Europas und seiner Institutionen.
Von dort ausgehend, führt der Gang in den Keller. Der Besucher kann sich die Stadtgeschichte im Zeitraffer erschließen: Von den Ursprüngen geht es ins Mittelalter, wo der wachsende Einfluss der Kirche, Reform und Gegenreform einen Schwerpunkt bilden. Der Festungsschleifung im 19. Jahrhundert, der aufkommenden Industrie samt Arbeiterklasse und Bürgertum, sowie der Stadt als Krisenherd im 20. Jahrhundert sind komplette Etagen gewidmet, bis sich der Kreis im Foyer schließt. Die Schleifung der Festung wird als Schlüsselmoment inszeniert. „Wir wollen das Leben in einer Garnisonsstadt zeigen und dabei soziale Gegensätze aufgreifen, etwa zwischen den Lebensbedingungen der Arbeiter und der Ingenieure“, erklärt Danièle Wagener.
Dafür werden bekannte Exponate neu arrangiert, darunter die grandiosen Holzmodelle, die die Stadt in verschiedenen Epochen nachbilden. Derzeit können Interessierte sich über Touchscreens in den Ort hineinzoomen, um anhand von Fotos oder Filmen mehr über das Gebäude zu erfahren. Als die alte permanente Ausstellung eröffnet wurde, waren die Multimedia-Stationen der letzte Schrei. Seitdem hat sich viel getan, sodass auch hier eine Generalüberholung fällig wird: „Der Besucher soll künftig integral an der Station nachvollziehen, wie sich die Grundrisse der Stadt im Laufe der Jahrhunderte verändert haben“, preist Guy Thewes das neue System an. Tablets und eine App sollen über die Stadtwerdung aufklären. Wem das nicht so liegt, der bekommt klassisches Infomaterial an die Hand.
Der Besucher wird an den geplanten 17 Stationen zur Interaktion eingeladen, er kann Zeugenaussagen zuhören, kleinere Filme aus dem Archiv des Centre national de l’audiovisuel abspielen oder wertvolle Fotos aus der Zeit studieren. „Die Erfindung der Fotografie fiel zeitlich in etwa mit der Schleifung zusammen; wir haben ausdruckstarkes Material, darunter stereoskopische Fotos, die wir dem Publikum näherbringen wollen“, verrät Danièle Wagener. Besucher, von denen die meisten aus Luxemburg und Umgebung stammen, können die Informationen in drei Sprachen abrufen. Unter den 35 000 Gästen pro Jahr (das sind durchschnittlich etwa hundert am Tag) befinden sich auch Besucher von weiter Ferne. Ein neues Kinderprogramm ist geplant; zudem wird der Rundgang für Menschen mit Behinderungen zugänglich sein.
Die neue Ausstellung wird auf unterschiedlichen Elementen aufbauen: Schlüssel-Exponate wie die Gründungsurkunde der Stadt dürfen nicht fehlen, ebenso wenig wie Stadtlöwe und Münzen. Kruziale Momente der Stadtgeschichte, wie die Industrie und später die Ansiedlung der Banken, werden reflektiert, ebenso, was es für die Stadt bedeutet, zunächst Gemeinde und dann Hauptstadt zu sein, die noch dazu einen wichtigen Platz im europäischen Bund innehat und deren Internationalität sich nicht zuletzt in der Bevölkerungsstruktur widerspiegelt. Thewes und sein Team wollen die Erneuerung nutzen, um neue Exponate auszustellen. „Wir haben in den vergangenen Jahren vieles hinzugekauft oder gespendet bekommen“, sagt der Kurator. Darunter Geschäftseinrichtungen, Spielzeuge aus bestimmten Epochen und anderes mehr. Ein Höhepunkt der aktuellen Ausstellung, der Trompe l᾽œil, eine spektakuläre illusionistische Malerei des französischen Künstlers Antoine Fontaine im Runderker des MHVL, die den Marché-aux-Herbes des 17. Jahrhunderts unter spanischer Besatzung nachzeichnet, bleibt erhalten.
Bei anderen symbolträchtigen Exponaten, wie dem Renert oder der Schueberfouer, die für die Identität prägend sind, ist nicht sicher, ob und wie sie in der neuen Ausstellung Platz finden werden, soll doch der neue Fokus stärker auf der Stadtentwicklung liegen und weniger auf Heldengeschichten und Mythen. „Wir werden nicht alle Traditionen zeigen können“, sagt Danièle Wagener. Einige Themen werden, wie heute schon, in spezialisierten Führungen vertieft, andere durch Themenabende. Bis zur voraussichtlichen Eröffnung im Juni 2017 bleibt dem Team des Stadtmuseums für den Feinschliff ja noch etwas Zeit.