Wer darf Psychotherapie betreiben? Über diese Frage haben Ärzteschaft und Psychologenverbände seit Anfang der 90-er Jahre debattiert. Schnell beantwortet ist sie vom Standpunkt der Krankenkassen her: Nur Psychiater und Neuropsychiater können psychotherapeutische Leistungen abrechnen. Daneben ist Allgemeinmedizinern eine so genannte unterstützende Psychotherapie erlaubt, sofern sie nicht länger als sechs Sitzungen à 15 Minuten dauert. Ob er jedoch psychotherapeutisch kompetent ist oder nicht, darüber entscheidet der Allgemeinmediziner selbst. Wie sämtliche Psychiater und Neuropsychiater, die bei der Kasse abrechnen. Eine spezielle Qualifikation in Form einer psychotherapeutischen Zusatzausbildung muss man nicht nachweisen, da es in Luxemburg kein allgemein gültiges Berufsbild des Psychotherapeuten gibt. Aus dem gleichen Grund ist es auch legitim, wenn von den 41 im Branchen-Telefonbuch unter der Rubrik "Psychologen" Verzeichneten 16 sich daneben noch "Therapeut" nennen. Den deutlichsten Unterschied zu einem Psychiater verspürt der Patient oder Klient beim Psychologen darin, dass dieser Geld verlangt - im Schnitt 3 000 Franken pro Therapiesitzung. Daran ändert auch eine Überweisung vom Arzt nichts.
Qualitätssicherung und der Schutz der Klienten oder Patienten vor unseriösen Angeboten standen im Mittelpunkt der Diskussionen mit dem Gesundheitsministerium um den Entwurf eines großherzoglichen Reglements über das Psychotherapeutenstatut. Schulübergreifend wollten Psychologen und Ärzteschaft Standards für das Berufsbild und eine Psychotherapieausbildung festlegen, die öffentliche Förderung dieser Ausbildung garantiert und auch psychotherapeutisch tätigen Psychologen die Abrechnung der Therapiekosten bei den Krankenkassen ermöglicht wissen. Bis zum Herbst 1997 waren beide Seiten sich sehr nahe gekommen, aber dann zerstrit-ten sich die Psychologen untereinander über das so genannten Delegationsprinzip: Nur, falls ein Arzt eine Psychotherapie beim Psychologen verschriebe, hätten die Krankenkassen die Kosten dafür rückerstatten sollen, ähnlich wie für eine Kinesitherapie. Manche Psychologen sahen darin pragmatisch einen gangbaren ersten Schritt, andere meinten, die Ärzte könnten damit weiterhin die Psychotherapie "psychiatrisieren". Der ungelöste Konflikt führte nicht nur zum völligen Einschlafen der Diskussion bis Ende letzten Jahres, sondern auch zur Krise in Psychologenverbänden.
Langjährige Teilnehmer an den Diskussionen wie die Psychologen Alfred Groff und Gilbert Pregno führen die Blockade auch darauf zurück, dass letzten Endes doch keine der beiden Seiten völlig bereit war zur Offenlegung und Infragestellung der Qualifikationen. Unter den Psychologen aber wollten zu viele den Schutz des Therapeutenberufs gar nicht wirklich: "Gäbe es die Abrechnung mit den Krankenkassen, könnten zwar", sagt Gilbert Pregno, "viel mehr Psychologen freischaffend als Therapeuten arbeiten. Heute gibt es allenfalls 20 richtige Freiberufler." Aber da die Mehrzahl eine Festanstellung hat und nur nebenbei therapeutisch praktiziert, sei der Druck zur Klärung der Therapeutenfrage nicht groß genug.
Im nahen Ausland tut oder tat man sich ähnlich schwer mit der Erarbeitung von Psychotherapiegesetzen. Eine EU-weite Regelung gibt es nicht. Und wenn schon im Ausland erst neuerdings in verstärktem Maße an Universitäten Zusatzstudiengänge für Psychotherapie eingerichtet werden, fällt einem Nicht-Uniland wie Luxemburg die Definition eines neuen Berufsbildes, das so stark an Standesgrenzen rührt, doppelt schwer.