Vor drei Jahren trat das Gesetz über die Parteienfinanzierung als vorerst letzte von mehreren Regelungen zur staatlichen Bezuschussung der Parteien und ihrer Kammerfraktionen in Kraft. Seit wenigen Wochen liegen die Kammerkonten von 2009 und der Bericht des Rechnungshofs über die Parteienfinanzierung im Jahr 2009 vor. Zusammen erlauben sie erstmals ein Gesamtbild der Bezuschussung der Parteien und ihrer Fraktionen während eines Wahljahrs.
„Une dépense nouvelle fort appréciable, dont le budget de la Chambre se ressentira à l’avenir,“ hatte sich am 11. Januar 1968 der Berichterstatter der parlamentarischen Kontenkommission beeindruckt gezeigt, der Gewerkschaftssekretär Marcel Knauf (LSAP) aus Lamadelaine. Er hatte den ersten Ansatz zur Bezuschussung der Parteien gemeint, den am 15. Dezember 1965 vom Kammerbüro beschlossenen neuen Artikel 14, Absatz sieben des Kammerreglements, der vorschrieb: „Pour assurer le fonctionnement des groupes politiques, le Bureau de la Chambre met à leur disposition les locaux et les installations nécessaires. Ainsi que des crédits calculés sur la base de la représentation proportionnelle de chaque groupe à la Chambre.“ Im Laufe der Jahre wurde die Bezuschussung großzügiger und, nach einem kleinen Aufstand der Betroffenen, 1986 auch auf jene Abgeordnete ausgeweitet, die keiner Fraktion von mindestens fünf Deputierten angehören.
Mehr als 30 Jahre nach diesem ersten Ansatz, der Bezuschussung der Fraktionen, folgte dann auf der Grundlage eines Gesetzesvorschlags des damaligen Oppositionsabgeordneten Jean Asselborn (LSAP) der zweite Schritt mit dem Gesetz vom 7. Januar 1999 über die bis dahin auf die kostenlose Postwurfsendungen beschränkte Wahlkampfkostenerstattung. Es besagt in Artikel zwei: „L’État accorde à chaque parti ou groupement politique une dotation destinée à couvrir une partie des frais des campagnes électorales au niveau des élections à la Chambre des Députés et au Parlement européen.“
Schließlich wurde nach der Bezuschussung der Fraktionen und der Wahlkampfkostenerstattung mit dem Gesetz vom 21. Dezember 2007 als vorerst letzter Schritt die direkte Bezuschussung der Parteien eingeführt. Laut Artikel zwei haben seither politische Parteien „droit, en dehors de la dotation leur allouée en application du chapitre IX de la loi électorale modifiée du 18 février 2003, à une dotation annuelle à charge du budget de l’État“. Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag hatte ein Jahrzehnt zuvor schon der Oppositionsabgeordnete Robert Mehlen (ADR) eingereicht.
Betrugen die staatlichen Zuschüsse an die Parteien und ihre Fraktionen im ersten Jahr, 1966, umgerechnet rund 50 000 Euro, so waren es im Wahljahr 2009, dessen Konten gerade abgeschlossen sind, 130 Mal so viel, 6 537 177,80 Euro. Dies entsprach etwa den laufenden Ausgaben des Fremdenverkehrsministeriums oder des Naturkundemuseums. Durch die Wahlkampfkostenerstattung waren die staatlichen Zuschüsse an die Parteien im Wahljahr 2009 deutlich höher als im Vorjahr. Die Wahlkampfkostenerstattung machte 25 Prozent aller Zuschüsse aus.
Die rasch steigenden Kosten erklären sich durch die Verteuerung der Wahlkampagnen – die nach Feierabend unentgeltlich Flugzettel verteilenden Militanten werden zunehmend durch kostspielige „Wesselmänner“, die riesigen Plakatwände, und teure Anzeigen ersetzt. Gleichzeitig scheint sich die parlamentarische Arbeit von der Demokratie zur Technokratie zu entwickeln, was die Beschäftigung einer wachsenden Zahl von Referenten nötig macht.
Durch die Bezuschussung der Parteien und ihrer Fraktionen wurden sie zu kleinen mittelständischen Unternehmen. So belief sich der Umsatz der CSV ohne ihre Fraktion vergangenes Jahr auf 2 027 35,01 Euro, der LSAP auf 1 523 028,50 Euro, der DP auf 1 017 472,86 Euro, der Grünen auf 814 463,12 Euro, der ADR auf 505 208,03 Euro und der Linken auf 204 118,99 Euro. Da kann man sich die politischen Kleinkrämer auch als christlich-soziale Devotionalienhandlung, grünes Reformhaus oder sozialistische Gemischtwarenhandlung vorstellen. Hinzu kommen die Fraktionen, die Europaabgeordneten und die meist lokalen Unterorganisationen, von denen die CSV 134, die LSAP 75 und die DP 88 zählt.
Die Parteien erklären die Bezuschussung damit, dass sie zu den tragenden Elementen der parlamentarischen Demokratie zählen, Interessen gesellschaftlicher Gruppen bündeln und bei den Wahlen zur Debatte stellen. Als solche haben sie sicher nicht weniger Anspruch auf staatliche Zuschüsse als jeder Sportverband. Dazu berief der Motivenbericht des Gesetzesvorschlags zur Parteienfinanzierung seinerzeit den Europarat als Zeugen, der meinte: „Les partis politiques constituent un élément fondamental des systèmes démocratiques des États et un moyen essentiel d’expression de la volonté politique des citoyens“. Die Bezuschussung mache die Parteien auch weniger abhängig von Spendern, denen sie, einmal an der Macht, zu Dank verpflichtet wären. Da private Spender nicht allen Parteien gleich großzügig gesinnt seien, vergrößerten die staatlichen Zuschüsse zudem die Chancengleichheit der Parteien.
Im Gegensatz dazu hatte der Staatsrat in seinem Gutachten zu den Gesetzesvorschlägen von Jean Asselborn und Robert Mehlen 1998 ziemlich einsam und knapp vor den Risiken einer Verstaatlichung der politischen Parteien gewarnt: „En effet, le financement du fonctionnement normal d’un parti risque de créer une dépendance des formations politiques à l’égard du financement public qui peut attenter à leur liberté d’action. En plus, elles courent le risque d’être identifiées à des institutions publiques.“
Die beiden Gesetze und das Kammerreglement wollen, dass die staatlichen Zuschüsse an die Parteien und Fraktionen etwa proportional zur Stärke der Parteien berechnet werden, so dass sie meist aus einem Sockelbetrag und einem im Verhältnis zum Wahlergebnis und zum Fraktionsstatus variablen Teil bestehen. Dadurch kamen die Grünen am besten weg, die 2009 bei den Kammerwahlen 11,71 Prozent der Stimmen, aber 15,65 Prozent der Zuschüsse erhielten. Immerhin macht jeder Prozentpunkt Zuschuss über 65 000 Euro aus. Fast so gut wie den Grünen erging es der DP, die bei 14,98 Prozent der Stimmen 18,34 Prozent der Zuschüsse erhielt. Die LSAP und die ADR erhielten bis auf einige Zehntel Prozent Unterschied zu ihren Gunsten so viele Zuschüsse, wie sie Stimmen hatten. Am schlechtesten erging es der CSV, die 38,04 Prozent der Stimmen, aber nur 32,70 Prozent der Zuschüsse erhielt. Denn bei der größten Partei ist der Einfluss der Sockelbeträge am geringsten. Bei der Linken ist ein Vergleich nicht möglich, weil sie im ersten Halbjahr dem Parlament nicht angehörte. Die KPL ging völlig leer aus, weil sie zwar seit 90 Jahren als Partei operiert, aber derzeit kein Abgeordnetenmandat innehat.
Der durch Gesetz mit der Überwachung der Parteikonten beauftragte Rechnungshof beanstandet sehr wenig in seinem Bericht für 2009. Er bemängelt, dass einige Lokalsektionen von Parteien ihre Konten nicht ordnungsgemäß unterschrieben hatten und sorgt sich vor allem, dass die gesetzliche Höchstgrenze für Parteispenden von 250 Euro dadurch umgangen werden kann, dass die Spenden als unbegrenzte Beiträge von Ehrenmitgliedern ausgegeben werden. Mitgliedsbeiträge über 280 Euro jährlich haben vor allem rund 40 Grüne gezahlt.
Der Rechnungshof wundert sich aber auch, dass keine Partei Naturalspenden empfangen haben will – so als habe kein einziger Metzgermeister im Land Wahlplakate seiner Partei mit dem Firmenlieferwagen transportiert oder Bratwürste fürs Grillfest gespendet. Um die Parteikonten besser vergleichen zu können, schreibt ein großherzogliches Reglement vom November 2010 einen einheitlichen Kontenrahmen für Parteien vor; an einer Reform des Gesetzes von 2007 wird gearbeitet (d‘Land, 25.6.10).
Die Entwicklung bei der Bezuschussung der Parteien und ihrer Fraktionen muss aber noch nicht abgeschlossen sein. Schon Robert Mehlen hatte sich in seinem Gesetzesvorschlag von 1998 über die Parteienfinanzierung und die Wahlkampfkostenerstattung gewünscht, dass auch die Kampagnenkosten des Gemeindewahlkampfs erstattet würden, und zwar zu 35 000 Franken oder 868 Euro pro Kandidat. Bei 3 165 Gemeinderatskandidaten 2005 hätte Mehlens Vorschlag 2,75 Millionen Euro gekostet. Doch so weit wollten die anderen Parteien Ende der Neunzigerjahre nicht gehen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Forderung bis zu den Gemeindewahlen im Oktober erneut laut wird. Allerdings war bei den Debatten über die Sparmaßnahmen vergangenes Jahr selbst von jenen Parteien, die den Staat am lautesten aufforderten, seine laufenden Ausgaben und Transfers zu kürzen, keine auf die Idee gekommen, die staatlichen Zuschüsse an die Parteien zu senken.