Die Autohändler machen mobil: Eine Delegation der beiden Garagistenverbände Adal und Fégarlux sprach vor zwei Wochen bei der Luxemburger ständigen Vertretung bei der EU vor und hinterließ dort ihr „Nein“ zum Reformvorschlag der EU-Kommission über den Autohandel. „Schnellstens“ werde man die Lobbyarbeit auch auf die sechs Luxemburger Europaabgeordneten ausdehnen, gaben die Garagisten anschließend in einer Pressemitteilung bekannt. Was sich liest, als stünde viel auf dem Spiel bei dieser Reform, die „Brüssel“ plant.
Dabei hatten die Autohändler schon vor Jahren massiv Front gemacht gegen eine Kommissions-Initiative zur Regelung des EU-weiten Autohandels. Ab dem Jahr 2000 verging keine der alljährlichen Pressekonferenzen zwei Wochen vor dem Autofestival ohne schwere Vorwürfe an die Adresse der Kommission und düstere Prognosen zu den Zukunftsaussichten der Branche hierzulande. Heute stellt Fégarlux-Präsident Ernest Pirsch fest: „So schwer getroffen wurden wir damals doch nicht.“ Überschätzen die Händler die Gefahr, die ihnen droht, womöglich erneut?
Damals wie heute will die EU-Kommission den Autohandel grundsätzlich reformieren. Denn für ihn gelten Ausnahmen vom Prinzip des offenen und freien europäischen Binnenmarkts, das schon 1957 im Römischen Vertrag über die EWG festgeschrieben wurde: Die zum Teil sehr engen Beziehungen zwischen Automobilherstellern und von ihnen autorisierten Händlern und Werkstätten durften durch besondere so genannte „Gruppenfreistellungen“ beibehalten werden, wurden jedoch Auflagen unterworfen.
Gruppenfreistellungen gibt es in anderen Branchen auch. Im Automobilbereich aber reichen sie besonders weit: Hersteller erteilen Händlern Konzessionen. Dieses System beschloss der damalige EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti im Jahr 2000 anzugreifen. Sein Argument: Die Autopreise lägen selbst vor Steuern und Abgaben europaweit derart weit auseinander, dass der Markt offenbar nicht richtig funktioniere.
Richten sollten es „objektivierte“ Konzessionsbeziehungen. An die Stelle der Abmachungen à la tête du client sollten allgemeinverbindliche Normen und Standards treten. Das Besondere an der Idee: Sobald ein Händler die Standards eines Herstellers erfüllt, sollte er dessen KFZ vertreiben dürfen. Und nichts sollte verhindern, dass ein Händler unter einem Dach mehrere Marken anbieten würde – vorausgesetzt, er würde den Anforderungen jedes der betreffenden Hersteller gerecht. Damit ein solcher Mehrmarken-Händler nicht dadurch überfordert würde, für sämtliche von ihm vertriebenen Modelle Reparatur- und Serviceleistungen anbieten zu müssen, schlug Monti vor, die noch bestehende Verpflichtung eines konzessionierten Händlers, auch Marken-Werkstatt sein zu müssen, abzuschaffen.
Ungeachtet aller Widerstände von Händlern aus der ganzen EU fanden diese neuen Regeln Eingang in die Verordnung 1400/2002 EG, die seit 2003 die Basis für den europäischen Autohandel bildet. Ende Mai dieses Jahres tritt die Verordnung planmäßig außer Kraft. Ersetzt werden soll sie durch den derzeit diskutierten Entwurf. Und der sieht immerhin vor, den besonderen Schutz für den KFZ-Handel ganz abzuschaffen – mit Wirkung vom 31. Mai 2013. Besonderen Schutz benötige die Branche nicht mehr, fand die Kommission 2009 in einem Bericht zum Erfüllungsstand der Monti-Reform. Im Unions-Vergleich seien die Autopreise nunmehr „ausgesprochen wettbewerbsfähig“. Durch die Liberalisierung könnten sie nur noch wettbewerbsfähiger werden. Drei Jahre Übergangszeit will die Kommission Herstellern und Händlern gewähren, um einander neu zu finden.
Angesichts so weit reichender Reformpläne, die schon in vier Monaten wirksam werden sollen, könnte man sich fragen, weshalb die Kritik aus der Luxemburger Branche erst jetzt laut wird. Die Frist zum Einspruch gegen den Verordnungsentwurf endet am 10. Februar.
Doch einerseits hat der Europäische Rat für Automobilhandel und -reparatur (Cecra) das unter Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes entstandene Projekt schon zerpflückt. Andererseits dürften die Positionen aller Mitglieder von Adal und Fégarlux nicht dieselben sein.
Denn auch in Luxemburg sind viele Garagisten zum Mehrmarken-Vetrieb übergegangen. Die vor sieben, acht Jahren geäußerten schlimmen Befürchtungen traten so nicht ein: Zwar gerieten die Händler unter den Druck der Hersteller, ihre Verkaufsräume so anzupassen, dass es dem Marken-Image der KFZ-Modelle entsprach: Je mehr Marken man vertreiben will, desto mehr Investitionen werden fällig. Doch dass seitdem Autohäuser schlossen, will Fégarlux-Präsident Pirsch nicht allein auf die Monti-Reform zurückführen: „Es gab viele Ursachen.“ Insgesamt habe die Branche den Wandel gut verkraftet. Es kam auch keineswegs zu reihenweisen Übernahmen Luxemburger Händler durch große Gruppen aus dem Ausland. „Der heimische Markt“, sagt Pirsch, „ist noch immer weitgehend derselbe.“
Aber das liegt nicht zuletzt daran, dass Jahr für Jahr der Absatz wuchs. Dass er 2009 um fast zehn Prozent einbrach, nährt offenbar die Sorge, dass 2013 eintreten könnte, was nach „Monti“ ausblieb: ein Konzen-trationsprozess. Absehbar scheint, dass die Händler noch stärker unter den Druck der Hersteller geraten, wenn die bisherigen Regeln weggefallen sind. Und diesem Druck dürften manche Garagisten eher standhalten als andere.