Warum die Regierung die 5 000 Euro Staatsbeihilfe für den Kauf eines „Null-Emissions-Autos“ 2015 abschaffte und nun rasch vor Beginn des Autofestivals wieder eingeführt hat? 2017 waren an ihre Stelle 5 000 Euro Steuerabschlag getreten. „Wir bekamen von Händlern und Autokäufern aber gesagt, der Abschlag sei nicht verständlich genug, weil sich ja nicht absehen lässt, wie viel genau man damit an Steuern spart“, heißt es aus dem Mobilitätsministerium dazu. Außerdem habe die Regierung verstanden, dass ein Steuerabschlag im Unterschied zu einer Beihilfe „sozial regressiv“ wirkt.
Das mit der Regressivität stimmt natürlich, aber ob demnächst auch Leute mit kleinem Einkommen sich ein batteriebetriebenes Elektroauto anschaffen werden, fragt sich: Der Renault Clio zum Beispiel kostet mit Benzinmotor ab 14 818 Euro. Der ähnlich große Renault Zoé, der europäische Elektro-Bestseller im Jahr 2017, ist ab 24 125 Euro zu haben. Die Differenz von 5 000 Euro zu bezahlen, die auch nach der Prämie vom Staat noch bliebe, ist nicht leicht einzusehen, wenn jemand sich nach einem Auto umschaut. Auch wenn der grüne Energieminister Claude Turmes vor zwei Wochen im RTL Radio betont hat, dem Batterieantrieb gehöre „die Zukunft“, wenn gleichzeitig die Abgasemissionen gesenkt werden sollen; die von Luftschadstoffen wie Stickoxid und Feinstaub und die des Treibhausgases CO2.
Dabei hat Turmes wahrscheinlich Recht. Verglichen mit anderen alternativen Antrieben klappt die Umsetzung einer Kilowattstunde elektrischer Leistung in eine Kilowattstunde mechanischer Fahrleistung beim derzeitigen Stand der Technik in einem Batterieauto dreimal effizienter als in einem Brennstoffzellenauto und achtmal effizienter als in einem Fahrzeug mit elektrisch gewonnenen Synfuel, einem synthetischen Treibstoff (d’Land, 26.01.2018). Dass Elektroautos Benzin- und Dieselfahrzeugen auch aus der größeren ökologischen Perspektive überlegen seien, schrieb die Europäische Umweltagentur EEA im November vergangenen Jahres nach einer Studie: Selbst wenn nicht nur der Fahrbetrieb eines Autos berücksichtigt werde, sondern auch die Produktion all seiner Komponenten und deren „Lebenszyklen“, seien die CO2-Emissionen von Elektroautos zurzeit 17 bis 30 Prozent kleiner als die von Verbrennungsfahrzeugen. Je besser der Strommix in der EU werde, desto größer werde dieser Vorteil. Würden hundert Prozent „Grünstrom“ Realität, sei mit 73 Prozent kleineren „Lebenszyklus-Emissionen“ eines Batterieautos zu rechnen.
Noch immer aber sind diese Fahrzeuge wenig verbreitet. Nicht nur in Luxemburg, wo 2018 ganze 430 Batterieautos ihre Neuzulassung erhielten und der Elektro-Anteil am Bestand der PKW und Kleinbusse mit 1 533 gerade mal 0,34 Prozent ausmacht. In Deutschland lagen die Batterieauto-Zulassungszahlen vergangenes Jahr bei 36 000, etwas mehr als ein Prozent aller Neuzulassungen. Kein Wunder, dass niemand mehr die großen Versprechen erwähnt, die die Regierungen verschiedener EU-Mitgliedstaaten Mitte 2010 gemacht hatten, als Aktionspläne zur Förderung der erneuerbaren Energien an die EU-Kommission geschickt werden mussten: Die deutsche Regierung stellte sich vor, im Jahr 2020 würde eine Million Elektroautos auf ihren Straßen unterwegs sein, die Luxemburger Regierung setzte sich 40 000 oder ungefähr zehn Prozent am Gesamtbestand zum Ziel. Ob sich die aktuellen Zahlen in den verbleibenden zwei Jahren um das 26-fache verbessern lassen? Vermutlich nicht.
Dabei wird die an Elektro-Modellpalette immer breiter. Anfang 2011, sechs Monate nach den großen Ankündigungen, waren in Luxemburg wie sonst in Europa nur die drei ziemlich baugleichen Peugeot iOn, Citroën C-Zero und Mitsubishi iMiev erhältlich. Als Stadtwagen waren sie so klein und mit 34 000 Euro so teuer, dass vor allem öffentliche Verwaltungen und ein paar Firmen, die das für ihr Image wichtig fanden, sie bestellten.
Heute reichen drei Hände nicht mehr, um die handelsüblichen Modelle aufzuzählen. Ungefähr jeder zweite große Hersteller hat wenigstens ein Batteriemobil im Angebot; bei Renault, Volkswagen, Hyundai oder Kia sind es mehrere. Vom Nissan Leaf, dem Elektro-Pionier in der Kompaktwagenklasse, gibt es seit 2018 die zweite Generation mit einer stärkeren Batterie. Das neue Model 3 der Luxusmarke Tesla ist mittlerweile auch in Luxemburg zu haben.
Für dieses Jahr ist viel Neues angekündigt. Etwa ein weiterentwickelter Renault Zoé mit mehr Batterieleistung und ein ähnlich großer Honda Urban EV. Oder eine Elektro-Version des DS3 von Peugeot-Citroën und des Opel Corsa, ein verbesserter Kia Soul EV sowie ein Elektro-Mercedes der Größenordnung A-Klasse. 2020, erzählen Branchenkenner, komme noch mehr. Der kompakte VW ID zum Beispiel, der vermutlich im Herbst auf der IAA in Frankfurt vorgestellt werden und im Basispreis unter 30 000 Euro kosten soll. Ob dann der Durchbruch kommt, zumal mit Nachhilfe vom Staat?
Schwer zu sagen. Einerseits ist nicht klar, wer bisher Batterieautos kaufte. Eine regelrechte Automarktforschung, am besten eine unabhängige, gibt es in Luxemburg nicht. Und noch sind die Zahlen klein, Änderungen lassen sich schnell falsch interpretieren: So könnte man glatt den Eindruck haben, dass sich für Batterieautos breitere Käuferschichten zu interessieren beginnen. Denn 2017 hatte die Zahl der Neuzulassungen 386 erreicht. 155 davon aber betrafen Teslas Luxuskarossen Model S (ab 108 000 Euro) und Model X (ab 113 000 Euro). Vergangenes Jahr nahmen die Neuzulassungen auf 430 zu, aber darunter waren nur 86 Teslas und in den Top fünf (siehe Kasten) rangierten neben dem Tesla Model S drei im Preisbereich 35 000 bis 38 000 Euro sowie der preiswertere Renault Zoé.
Doch von breiteren Käuferschichten zu sprechen, wenn von ein paar hundert Elektroautos in einem Preisbereich zum nächsten 50 Fahrzeuge mehr oder weniger verkauft werden, wäre ziemlich kühn, wenn dem auf der anderen Seite rund 50 000 neue Benzin- und Dieselautos gegenüberstehen. Händler äußern sich ungern präzise zu ihren Verkäufen. Der Nissan-Händler Car Avenue zum Beispiel, der drei Niederlassungen hat, erklärt, vom Bestseller Leaf sei 2018 mehr verkauft worden als in den Zulassungszahlen steht: „Wir haben hundert Stück verkauft, aber zugelassen wurden oder werden manche erst dieses Jahr.“ Doch nicht nur Privatleute waren unter den Käufern, auch Taxiunternehmer und der Staat: „16 Autos verkauften wir ans Umweltministerium und die Polizei.“
Dabei könnten auch Privatleute einen Vorteil aus einem Batterieautokauf ziehen. Nicht nur den Gedanken, etwas zum Umweltschutz beizutragen. Der deutsche Automobilclub ADAC rechnete vor drei Monaten aus, Batterieautos seien im „Vollkostenvergleich“ mit ähnlich leistungsstarken und ähnlich ausgestatteten Benzin- und Dieselautos „oft überraschend günstig“. Der elektrische BMW i3s etwa schneide mit 53,6 Cent pro Kilometer besser ab als der benzinbetriebene BMW 218i Active Tourer mit 60,6 und die Dieselvariante 218d Active Tourer mit 57,4 Cent pro Kilometer. Teslas Luxus-SUV Model X sei mit 131,9 Cent pro Kilometer günstiger als der Audi SQ7 TDI mit 137,7, und der VW E-Golf ähnlich günstig wie der Benziner-Golf 1.5 TSI und der Diesel 1.6 TDI.
Auf Luxemburg übertragen lassen sich diese Zahlen nicht ohne Weiteres. Der ADAC hatte sämtliche Kosten zusammengefasst, vom Kaufpreis über alle Betriebs- und Wartungsaufwände bis hin zum Wertverlust. Völlig andere Resultate ergeben dürften sich in Luxemburg aber nicht: Strom ist in Deutschland im EU-Vergleich teuer, in Luxemburg dagegen sehr preiswert. Andererseits sind die Katalogpreise für Batterieautos in Luxemburg oft besonders hoch – trotz vergleichsweise niedrigem Mehrwertsteuersatz hierzulande.
Vielleicht ist die Annahme gar nicht abwegig, dass manch ein Hersteller seinen Benzin- und Dieselautos nicht mit Elektrofahrzeugen Konkurrenz machen will: So kostet der E-Golf in Luxemburg ab 38 050 Euro, während der preiswerteste Golf-Klassiker mit Benzinmotor nur knapp 18 000 Euro kostet. Der Unterschied kommt aber nicht nur durch die Motorisierung zustande, sondern auch durch die Ausstattung. Der Golf mit Verbrennungsmotor ist in drei Austattungs-Verianten zu haben, der E-Golf nur in einer, und die ist üppig. Wie das zu erklären ist, konnte ein Marketing-Verantwortlicher von Autodistribution Losch nicht sagen, versprach sich zu erkundigen, meldete sich bis Redaktionsschluss dieses Artikels jedoch nicht zurück. Die Entscheidung dürfte aber eine des VW-Konzerns sein: In Deutschland sind die Unterschiede aufgrund der Ausstattung dieselben. Daraus folgt: Schon wenn ein Hersteller wie VW mehr Extras als Option statt standardmäßig anböte, könnten die Preise für Batterieautos sinken.
Tesla ist ein anderes Beispiel. Firmengründer Elon Musk hatte angekündigt, mit dem Model 3 ziele man „auf den Massenmarkt“. Danach sieht der Einstiegspreis von von 35 950 US-Dollar, der in den USA verlangt wird, zwar nicht gerade aus, doch dieses Modell mit Hinterradantrieb ist in Luxemburg, wie zum Beispiel auch in Österreich, gar nicht bestellbar. Das zeigt ein Blick in den Online-Konfigurator auf der Tesla-Internetseite. Hierzulande beginnt das Angebot erst mit dem allradgetriebenen Model 3 mit Dualmotor für 56 900 Euro, das in den USA 42 950 Dollar kostet. Allerdings ist der Allrader mit Dualmotor in Österreich 1 500 Euro preiswerter als in Luxemburg. Was davon zu halten ist, hatte die Europa-Pressestelle von Tesla bis Redaktionsschluss noch nicht erläutert. Geht das Hersteller-Marketing davon aus, hierzulande lieber weniger, aber teuerer zu verkaufen? Der Basispreis des E-Golf liegt in Luxemburg 2 180 Euro höher als in Deutschland. Als Benziner und Diesel dagegen ist der Golf preiswerter als östlich von Mosel und Sauer.
Sollte man sich wünschen, dass chinesische Hersteller stärker auf dem europäischen Markt mitbieten? Wieso nicht, denn mit 1,1 Millionen wurden die weltweit meisten Batterieautos 2018 in China neu zugelassen, und das deutsche Forschungsinstitut Center for Automotive Management hält chinesische Hersteller wie BYD und BAIC neben Tesla, Hyundai und Renault für besonders innovativ bei den Batteriemobilen. Auf jeden Fall zu wünschen bliebe eine EU-Elektrostrategie für Zuschüsse, aber auch für die Infrastruktur: Nicht jedes Land installiert so eifrig Ladesäulen wie Luxemburg, aber immerhin klärt das europäische „Nachlade-Roaming“ sich dank einer EU-Richtlinie. Dass die „Kreislaufwirtschaft“ der Batterieauto-Bestandteile noch viel besser werden müsse, fand vergangenes Jahr auch die EU-Umweltagentur. Denn „seltene Erden“ für Elektromotoren werden in China unter für die Arbeiter fürchterlichen Gesundheitsbedingungen extrahiert, und im Kongo fördern Kinder das in Batterien verwendete Kobalt aus dem Boden. Schwer zu sagen, ob das mehr oder weniger schlimm ist als alle geopolitischen Implikationen von Petrolprodukten. Klar ist aber: Schon wegen seiner CO2-Bilanz kommt Luxemburg nicht daran vorbei, für Batterieautos zu tun, was sich tun lässt.
Top fünf
Diese Batterieauto-Modelle lagen 2018 bei den Neuzulassungen an der Spitze
Nissan Leaf 73
Tesla Model S 60
Renault Zoé 57
Hyundai Ioniq Electric 53
VW E-Golf 34
Neuzulassungen an Batterieautos insgesamt: 430
Quelle: SNCA