Dieses Jahr bekam die Presse nicht mit, was der Transportminister und die Autolobby vor dem Autofestival besprachen. Anstelle des bisher üblichen Empfangs für Autohändler und Journalisten mit dem Minister, traf die Branche François Bausch (Grüne) und die Presse diesmal separat. Den Journalisten erzählten die Vorsitzenden der Händlerverbände Adal, Benji Kontz, und Fegarlux, Philippe Mersch, jeder Motor habe „Vor- und Nachteile“, auch der Dieselmotor sei „nicht unökologisch“. Vom Transportminister ließen die Händler sich dem Vernehmen nach zusichern, die Regierung werde „keine Dummheiten machen und den Markt nicht brüskieren“.
Keine neun Monate vor Ende der Legislaturperiode wäre das Gegenteil überraschend. „Dummheiten“ könnten nicht nur die Autohändler übelnehmen, sondern auch am Auto interessierte Wähler. Aber das Thema ist ein spezielles dieses Jahr: Die „Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure“ (WLTP) wird dazu zwingen, die Geschichte, welcher Antrieb ökologischer ist als der andere, neu zu erzählen. Das könnte Auswirkungen auf die Autosteuern haben.
Bereits zum 1. September vergangenen Jahres begann die WLTP den „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ) zu ersetzen. Der war 1992 in Kraft getreten, seitdem werden nach dem NEFZ Autos auf Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß getestet. Schon seit 1. September 2017 müssen neue Fahrzeugtypen, die für die gesamte EU homologiert werden sollen, die WLTP-Prozedur durchlaufen. Ab 1. September diesen Jahres gilt sie auch für alle Neuwagen, die ihre Erstzulassung erhalten. Das Pikante daran: Im Schnitt ergibt sich aus der WLTP ein 20 Prozent höherer CO2-Ausstoß als mit dem alten Verfahren.
Besonders spektakulär ist das nicht. Der NEFZ wird seit vielen Jahren dafür kritisiert, dass er absurd niedrige Werte ergebe: Wer versucht, mit seinem Auto nur so viel Liter Benzin oder Diesel zu verbrauchen, wie der Hersteller als „Norm“ angibt, weiß, wie schwer das ist. Die WLTP soll für mehr Transparenz sorgen. Ihr liegen längere Tests zugrunde, es wird häufiger beschleunigt und gebremst als unter dem NEFZ, und es werden nicht nur die drei Fahrmodi „innerstädtisch“, „außerhalb von Ortschaften“ und „Autobahn“ simuliert, sondern noch einige mehr. Wenn das die Herstellerangaben zum Normverbrauch transparenter und realitätsnäher macht, kann das keinem unrecht sein. Doch weil daran auch der CO2-Ausstoß hängt, müsste die WLTP zwangsläufig auch zu einer „realistischeren“ Autosteuer führen. In allen EU-Ländern sind die CO2-Emissionen in Gramm pro gefahrenem Kilometer ein Kriterium für die Höhe der Steuer. Aber nur in wenigen Ländern, darunter in Luxemburg, hängt die Steuer im Grunde nur vom CO2-Ausstoß ab.
Was daraus folgen soll, wenn eine neue Messvorschrift um ein Fünftel höhere Werte ergibt, ist nicht nur eine technische Frage, sondern natürlich auch eine politische. Damit es zu keinem Aufstand der Autofahrer kommt, steht schon in der EU-Richtlinie über die neue Norm, für bereits zugelassene Autos blieben die alten Werte gültig. Dass NEFZ nicht mehr zeitgemäß ist, ist schließlich nicht die Schuld der Autobesitzer. Um die friedliche Koexistenz der neuen und der alten Norm zu sichern, wurden EU-verbindliche Umrechnungstabellen geschrieben.
Die Frage, wie das mit Autos werden soll, für die von Anfang an die neuen Normwerte gelten würden, ist schwieriger zu beantworten. Vor allem auch, weil der um rund 20 Prozent höhere CO2-Ausstoß nach dem WLTP-Verfahren nur ein Durchschnittswert ist. Für Fahrzeuge mit Benzinmotor liefert WLTP höhere CO2-Werte, weil Benziner systembedingt mehr CO2 ausstoßen als ein Dieselmotor. Es kommt auch vor, dass kleinere Autos gegenüber größeren schlechter abschneiden, weil ihre Motoren nicht unbedingt für Langstreckenfahrten ausgelegt sind. An Hybridfahrzeuge könnte ebenfalls mehr CO2 gemessen werden: Einerseits, weil in ihnen in diesen Autos in der Regel ein Benzin- und ein Elek-
troantrieb stecken, viel seltener Elektro und Diesel im Duo. Andererseits, weil Hybridautos wegen der zwei Systeme, zu denen auch eine Extra-Batterie für den Elektro-Modus gehört, schwerer sind und dadurch mehr Kraftstoff schlucken.
Wie sich das in der vor allem CO2-abhängigen Autosteuer niederschlagen soll, müsste die Regierung eigentlich noch bis zum kommenden 1. September beschließen, wenn ab diesem Daum jeden Neuwagen die WLTP-Norm gilt. Endgültig entschieden ist das noch nicht, zum Teil aber doch: Abgesehen davon, dass die neue Norm sich auf keinen Fall rückwirkend in der Steuer bemerkbar machen soll, will die Regierung für Luxemburg zwei Jahre „Übergangszeit“ geltend machen. Diese Option räumt die WLTP-Richtlinie den EU-Staaten ein.
Änderungen an der Autosteuer würde es damit erst 2020 geben, aber auf einer regierungsinternen Sitzung am Dienstag wurde schon festgehalten, dass es „keine grundsätzlichen Änderungen“ geben soll. Jedenfalls ist das „im Moment“ die Ansicht der Regierung, teilt das Transportministerium mit. Abgeschlossen seien die Diskussionen noch nicht.
Dass die Regierung sich lieber Zeit lässt, hat natürlich auch mit dem Wahltermin zu tun. Ob es vielleicht doch „grundlegende Änderungen“ geben könnte und was das sein soll, wird in der Übergangszeit von der nächsten Regierung zu beantworten sein.
Doch selbst wenn sich wenig ändern würde, müsste die Erzählung, welcher Antrieb „ökologischer“ sei als der andere, neu gesponnen werden. Nicht einmal zwei Jahre ist es her, da gab die Regierung und ihr voran die grüne Umweltministerin das Motto aus, der PKW-Bestand gehöre nach und nach „entdieselt“. Die Leute waren sensibilisiert durch die „Diesel-Affäre“, die im Herbst 2015 zunächst eine von VW war, seitdem aber so gut wie jeden Hersteller erfasst hat, und Luftqualitäts-Bilanzen ergaben, dass an „Hotspots“ im Land der zulässige Grenzwert für das giftige Stickstoffdioxid weit überschritten wird. Von dem geben Dieselmotoren mehr ab als Benziner. Die Anfang 2017 in Kraft getretene Steuerreform führte zwar nicht für die gesamte Luxemburger Autowelt, aber für das Firmenwagen-Leasing Anreize ein, lieber ein Benzin- als ein Dieselauto zu wählen.
Wie die Zahlen vom vergangenen Jahr aussehen, scheint Botschaft „Entdieselung“ verstanden worden zu sein: Noch 2011 war Luxemburg mit fast 77 Prozent Dieselanteil bei den Neuwagen EU-Spitze. Sechs Jahre später ist der Dieselanteil an den Neuzulassungen auf 53,9 Prozent gefallen, der Benzinanteil auf 42,4 Prozent geklettert. Mit Blick auf die Stickoxid-Emissionen macht das einen erfreulichen Eindruck. Doch wenn das WLTP-Verfahren höhere CO2-Werte ergibt und obendrein vor allem für Benzinautos, besteht womöglich weniger Anlass zum Stolz.
Daran liegt es auch, dass die Autohändler sich bemühen zu erklären, „jeder Antrieb hat Vor- und Nachteile“. Neben dem Hersteller, der ihnen per Konzession Vorschriften macht, fürchten die Händler nur noch den verunsicherten Kunden, der lieber gar kein Auto kauft als das falsche. Und noch gibt es die vielen Elektro-Autos nicht, mit denen auch der Massenmarkt in Richtung „Elektromobilität“ orientiert werden könnte. Zwar wurden vergangenes Jahr mit 386 Stück so viele Batterie-Autos neu zugelassen wie noch nie, und damit wesentlich mehr als die 145 im Jahr zuvor. Auch die Hybrid-Neuzulassungen nahmen zu, lagen mit 1 550 Autos fast doppelt so hoch wie 2016 mit 797 Stück. Was aber, wenn Hybridfahrzeuge wegen höherer CO2-Werte aus der WLTP-Prozedur demnächst weniger ökologisch aussehen? Und zumindest bisher werden reine Elektro-Autos oft von Leuten erworben, die viel Geld haben und sich ein Luxusmobil aus der Autoschmiede von Elon Musk an die Steckdose hängen möchten (siehe: „Zwei Fünftel Tesla“).
Weil Teslas die Auto-Ökobilanz Luxemburgs vermutlich nicht retten werden, muss man schon wissen, wohin man will mit den Emissionen. Leider sorgt das neue Testverfahren nur für einen Transparenzschub beim CO2. Stickoxide fallen nicht unter WLTP, für die gilt die „Euro-Norm“. Das könnte die Verwirrung perfekt machen.
Wenn die Regierung sich Zeit lässt mit der Autosteuer, wird auch Spielraum gewonnen, um zu sehen, was im Ausland geschieht. In Deutschland etwa ist schon von veränderten Steuern für Neuwagen ab September dieses Jahres die Rede. Abwarten, was im Ausland geschieht, ist auch ein Ansatz, um sich klar zu werden, wohin das Leasing von Firmenwagen gelenkt werden soll, das besonders häufig Grenzpendler nutzen. Ein Anreiz zu wenig oder eine kleine Strafe zu viel – und sie könnten ihr Auto im Wohnsitzland kaufen, statt es sich in Luxemburg als „Sachleistung“ zusätzlich zum Gehalt vom Betrieb zur Verfügung stellen zu lassen und der ordert es per Leasing. Deshalb sind nicht nur die Händler, sondern auch der Leasing-Verband sehr interessiert, was die Regierung macht.
Aber wie es aussieht, macht sie keine Dummheiten. Es interessiert sie nicht einmal stark, welche Auswirkungen die mit der Steuerreform eingeführten Anreize aufs Leasing hatten. Lediglich im Juli wurde das analysiert, aber nur ansatzweise; die Zahlen waren nicht repräsentativ. Nachrecherchiert wurde bisher nicht. Eine große Bilanz soll Ende dieses Jahres gezogen werden. Vermutlich von der nächsten Regierung, die dann auch den Firmenwagen-Interessenten eine neue Geschichte von der Ökologie der Antriebe erzählen und neue Anreize setzen müsste.
Zwei Fünftel Tesla
Die 2017 fünf meistverkauften Elektro-Marken in Stück und ihrem Prozentanteil an den 386 insgesamt neu zugelassenen Elektro-Autos:
1. Tesla Model S90 (23%)
2. Renault Zoé77 (20%)
3. Tesla Model X65 (17%)
4. BMW i333 (85%)
5. Smart Fortwo26 (67%)