Als CSV-Abgeordneter war Norbert Haupert besonders aktiv in den Politikbereichen mittelständische Wirtschaft und Wohnungsbau. 2002 zum Beispiel war er parlamentarischer Berichterstatter für eine größere Reform des Gesetzes über die staatlichen Wohnungsbau-Beihilfen. Man konnte deshalb meinen, dass er wusste, wovon er sprach, als er am Morgen des 20. Dezember in der Sendung „Dossier vum Dag“ des Radio 100,7 erzählte: „Die Kirchenfabriken haben nicht geschlafen. Es gibt Kirchenfabriken, die ganz viel Arbeit gemacht haben, die Projekte im sozialen Wohnungsbau gemacht haben, damit sie nachher Einnahmen bekommen können, um die Kirchen, die Katecheten, um das funktionieren zu lassen.“ Norbert Haupert ist heute Verwaltungsratspräsident des Kierchefong, der zum 1. Mai 2018 die Rechtsnachfolge der Kirchenfabriken angetreten hat.
Wie sozialer Wohnungsbau helfen kann, das Funktionieren der katholischen Kirche zu finanzieren, die unter der vorigen liberalen Regierung vom Staat „getrennt“ worden war, ist eine interessante Frage. Wird sozialer Wohnungsbau doch staatlich stark bezuschusst. Besonders viel Geld kann es für „soziale Mietwohnungen“ geben. Gemeinden erhalten bis zu 75 Prozent der Kosten für Neubau oder Renovierung von Mietwohnungen aus der Staatskasse. 70 Prozent können es für die öffentlichen Bauträger Fonds du logement und Société nationale des habitations à bon marché (SNHBM) sein. Muss für Neubauten Bauland erworben werden, hilft der Staat ebenfalls. Die Ausgaben für Planungsstudien subventioniert er auch. Wohnungen, die zum Verkauf „à coût modéré“ bestimmt sind, können ebenfalls bezuschusst werden.
Gewinne sollen daraus möglichst nicht entstehen. Entstehen sie doch, müssen sie erneut in Sozialwohnungen investiert werden – das ist seit 1979 im Wohnungsbau-Beihilfengesetz vorgeschrieben. Eine weitere Regel lautet, dass über jedes einzelne Projekt eine Konvention zwischen Bauträger und Wohnungsbauministerium abgeschlossen werden muss. Sie soll unter anderem festlegen, wie das Ministerium die Verwendung der Zuschüsse kontrolliert. Beschränkt auf öffentliche Projekte ist das Beihilfenregime nicht, von Anfang an stand es auch für private offen. Allerdings dauerte es nach Inkrafttreten des Beihilfengesetzes zehn Jahre, ehe 1989 zum ersten Mal eine Immobilienfirma einen Zuschuss für den Bau von 54 Eigentumswohnungen erhielt. Und erst im Jahr 2000 wurden der Kirchenfabrik Echternach als damals erster zwei Mietwohnungen subventioniert.
Sollte das kleine Geheimnis von den Einnahmen aus dem sozialen Mietwohnungsbau für das Funktionieren der katholischen Kirche darin bestehen, dass die Kirchenfabriken beziehungsweise der Kierchefonds höhere Mieten verlangen als zum Beispiel der Fonds du logement? Land-Informationen nach zahlen Mieter in Apartments der Kirchenfabrik Hellingen bis zu 1 200 Euro im Monat. Und in den Wohnungen, die die Bartringer Kirchenfabrik zu bauen plant, sollen Mietpreise von um die zehn Euro pro Quadratmeter veranschlagt sein. Dass eine Kirchenfabrik nur zwei Mietwohnungen baut wie um die Jahrtausendwende die Echternacher, war bis 2014 üblich. Und es konnten Jahre vergehen, in denen kein einziges Vorhaben einer Fabrique d’église im staatlichen Subventionsprogramm auftauchte. Seit 2015 ist das anders: Nicht nur nahm die Zahl der Mietwohnungsbau-Vorhaben von Kirchenfabriken zu, die Projekte wurden auch umfangreicher. Im aktuell gültigen Subventionsprogramm, das der Großherzog am 1. August 2018 unterschrieb – so ein Programm hat den Rang einer großherzoglichen Verordnung –, stehen zehn Kirchenfabriken-Vorhaben über zusammengenommen 109 Mietwohnungen und sieben Studentenwohnungen. Besonders ausgeschlafen scheinen die Kirchenfabriken in Bettemburg und Bartringen zu sein: Für die Bettemburger stehen an drei Standorten insgesamt 55 Wohneinheiten im Subventionsprogramm, für die Bartringer Kirchenfabrik an einem Standort 32. Der Teilbebauungsplan (PAP) dafür lag bis Dienstag dieser Woche im Bartringer Rathaus zur öffentlichen Konsultation aus. Demnach könnte in drei Phasen eine ganze Siedlung auf der grünen Wiese entstehen und bei 32 Wohnungen nicht Schluss sein.
Werden auf diese Weise Einnahmen für die katholische Kirche generiert? Bauen öffentliche Träger staatlich bezuschusste Mietwohnungen, müssen sie den Mietpreis mit der Sozialmiete-Formel berechnen. Die ist in einer Verordnung festgelegt und ziemlich kompliziert. Erfasst wird die Zusammensetzung des Haushalts und seine verfügbaren Nettoeinkünfte. Bestimmt wird außerdem eine „gewichtete Fläche“: In sie gehen nicht nur die nutzbare Wohnfläche ein, sondern anteilig auch der zur Wohnung gehörende Keller, ein eventueller Balkon oder Garten sowie Anteile am Espace commun von Mehrfamilienhäusern. Hat das Gebäude einen Fahrstuhl, nimmt die gewichtete Fläche zu, hat sie nur einfach verglaste Fenster, nimmt sie ab.
Als der parlamentarische Ausschuss für Wohnungsbau am 2. Januar 2018 mit Fonds du logement und SNHBM über den öffentlichen Wohnungsbau diskutierte, bemerkte der SNHBM-Direktor, aus der Sozialmiete-Formel ergäben sich Mietpreise von durchschnittlich 3,43 Euro pro Quadratmeter. Das ist im öffentlich zugänglichen Protokoll der Sitzung nachzulesen. Konstruiert man ein Fallbeispiel, zeigt sich Ähnliches. Angenommen, ein kinderloses Paar, von dem der eine Partner den unqualifizierten Mindestlohn bezieht und der andere ein RMG von 800 Euro, bewohnt eine 82 Quadratmeter große Mietwohnung. Zur Wohnung gehören zehn Quadratmeter Balkon, fünf Quadratmeter Keller und fünf Quadratmeter Anteil am Espace commun. Nach der Sozialmiete-Formel hätte das Paar eine Monatsmiete von rund 430 Euro zu zahlen, 5,20 Euro pro Quadratmeter. In Wohnungen von Kirchenfabriken könnte fast doppelt so viel verlangt werden, oder?
Kierchefong-Präsident Norbert Haupert erklärt, auch für die Mietwohnungen der Kirchenfabriken werde die Sozialmiete-Formel angewandt. „Und über jedes Projekt besteht eine Konvention mit dem Ministerium, die kontrollieren das!“, betont er gegenüber dem Land. Die Einnahmen, von denen er im Radio 100,7 sprach, kämen zustande, weil Kirchenfabriken beziehungsweise Kierchefong auf eigenen Grundstücken bauten. „Nehmen wir an, eine Wohnung kostet eine halbe Million Euro, Grundstück inklusive“, rechnet Haupert vor. Entfiele der Grundstückspreis, der in der Regel zwei Fünftel der Gestehungskosten ausmache, blieben 300 000 Euro, und bei 75 Prozent Staatsbeihilfe am Ende 75 000 Euro Kapitalaufwand. „Dafür kann man einen Kredit aufnehmen, der sich innerhalb von zehn Jahren zurückzahlen lässt. Zehn weitere Jahre wirft die Wohnung einen Nettogewinn ab.“ Dass Norbert Haupert von zehn plus zehn Jahren spricht, liegt daran, dass staatlich subventionierte Mietwohnungen nach 20 Jahren auf dem freien Markt verkauft werden dürfen. Fonds du logement und SNHBM dürfen das auch tun.
Doch auf die Frage nach den Mieten in den Wohnungen in Hellingen und wie sie in Bartringen geplant sind, räumt Haupert ein: „Ich weiß das nicht, ich habe aber mal gehört, es könnten zehn Euro pro Quadratmeter gefragt werden.“ Genaueres wisse das Wohnungsbauministerium. „Die haben die Konventionen, und fließen für ein Projekt zu viele Zuschüsse, müssen sie der Staatskasse rückerstattet werden.“
Das Wohnungsbauministerium kann aber ebenfalls nicht sagen, wie hoch die Mieten in den Kirchen-Wohnungen sind. „Ich habe diese Zahlen nicht zur Hand, das müssten Sie die Kirchenfabriken fragen“, sagt Diane Dupont, Erste Regierungsrätin und Generalkoordinatorin im Ministerium. Sagen kann sie aber, dass Kirchenfabriken und mit ihnen alle privaten Bauträger die Sozialmiete-Formel nicht anwenden müssen. Doch offenbar kann das Ministerium bisher nicht richtig kontrollieren, ob die Subventionen richtig eingesetzt werden, wenngleich auch mit Kirchenfabriken oder Kierchefong Konventionen über jedes Projekt existieren: „Wir sind dabei, uns einen Mechanismus zu geben, um stichprobenweise zu kontrollieren“, sagt Diane Dupont. Die Kirchenfabriken-Projekte hätten erst unlängst „an Umfang zugenommen“. Als der Regierungsrat am 19. Dezember eine Aktualisierung des Subventionprogramms guthieß, die noch nicht in Kraft und auch noch nicht publik ist, sei „rund ein Dutzend“ weiterer Vorhaben in das Programm aufgenommen worden.
Weil Diane Dupont auch dem Verwaltungsrat des Fonds du logement vorsteht, kann sie die Frage beantworten, ob der Fonds aus der Sozialvermietung Nettogewinne erzielt: „Eher nicht, das liegt auf der Hand.“ Wie die Dinge liegen, profitieren die Kirchenfabriken demnach davon, dass für Promoteurs privés, die im sozialen Mietwohnungsbau aktiv werden, die Regeln weniger streng sind als für Gemeinden und öffentliche Träger.
Dabei können zehn Euro Quadratmeter-Miete nicht unsozial genannt werden: Vermietet die Agence immobilière sociale Wohnungen stellvertretend für Privatbesitzer, sind zehn Euro der Plafond. Auf dem freien Markt wird oft das Doppelte verlangt. Da mag es angehen, wenn Kirchenfabriken, aber auch ASBL oder Stiftungen, die als Privatträger Mietwohnungen bauen, zehn Euro berechnen. Der Unterschied ist nur, dass öffentliche Träger das nicht können. Und dass Kierchefong und Kirchenfabriken die Möglichkeiten, die das geltende Regelwerk bietet, offenbar ausnutzen, um den Kirchenbetrieb finanzieren zu helfen. „Natürlich wurde mit den Wohnungsbauprojekten die Konvention zur Abschaffung der Kirchenfabriken antizipiert“, sagt Norbert Haupert. Bleibt abzuwarten, inwiefern die Regierung das Beihilfengesetz „grundlegend“ ändert. Im Koalitionsvertrag ist das vorgesehen. „Sozialwohnung“, aber auch „Location à coût modéré“, womit zehn bis zwölf Euro Quadratmetermiete gemeint sein sollen, würden erstmals klar definiert. Vielleicht wird dadurch am Ende auch die Trennung von Kirche und Staat klarer als heute. Und etwas weniger gütlich.