Zum „Schlüsselthema Wohnungsbau“ meinten im Wahlkampf alle Parteien, der öffentliche Mietwohnungsbau gehöre angekurbelt. Die großen Parteien waren sich einig, dass er nicht mehr nur als „Sozialwohnungsbau“ verstanden werden könne, in dem für die Einkommensschwächsten die Miete für ein Apartment bei 100 bis 200 Euro liegen kann, sondern dass zwischen den freien Mietwohnungsmarkt und die Sozial-Mietwohnungen ein Segment gehöre, in dem der Mietpreis pro Quadratmeter nicht höher wäre als zehn bis zwölf Euro.
Ins Koalitionsabkommen von DP, LSAP und Grünen hat diese Idee ab Seite 31 Einzug gehalten. Zwar steht sie dort nicht so explizit, und konkrete Miet-Beträge werden keine genannt. „Komplett überarbeitet“ werden soll jedoch das Gesetz über die staatlichen Wohnungsbau-Beihilfen, um „die Begriffe Sozialwohnungen und Wohnungen mit moderierten Mietkosten klarer zu definieren“. Logements à loyer modéré aber ist eine Kategorie, die es noch gar nicht gibt. Mit ihr ist das neue Segment gemeint. Schon DP-Wohnungsbauminister Marc Hansen hatte intern untersuchen lassen, was nötig wäre, um „zehn Euro pro Quadratmeter“ zu verwirklichen. Eine Schlussfolgerung lautete, die rechtliche Basis dafür fehle (d’Land, 28.09.2018).
Weil auch die CSV im Sommer für öffentliche Mietwohnungen dieser Art plädiert hatte, könnte der Reform politisch nicht viel im Weg stehen. Doch um viele solche Wohnungen zu schaffen, fehlt es Staat, Gemeinden und den öffentlichen Bauträgern Fonds du logement und SNHBM an Bauland. Um das zu ändern, stehen im Koalitionsprogramm verschiedene Maßnahmen: Ähnlich dem Comité d’acquisition beim Finanzministerium sollen Finanz- und Wohnungsbauministerium ein Ankauf-Komitee für Grundstücke bilden. Leiten soll es die neue Wohnungsbauministerin Sam Tanson (Grüne). Es soll in Eigenregie Grundstücke erwerben. Wer an das Komitee verkauft, soll den Spekulationsgewinn nicht zum Viertelsatz besteuert erhalten, wie das seit Mitte 2016 für Verkäufe an die öffentliche Hand vorübergehend gilt, sondern gar nicht. „Analysieren“ will die Regierung, ob der staatliche Fonds, der das Geld zum Ankauf bereitstellen soll, auch zur Beteiligung für Bürger bei einer gewissen Rendite geöffnet werden könnte – was im Wahlkampf eine Idee der DP war. Dass ein Teil der Rentenreserve für den öffentlichen Wohnungsbau herangezogen werden könnte, erwähnt das Koalitionsprogramm auch, aber nicht im Wohnungsbau-, sondern im Sozialversicherungs-Kapitel.
Scheinen die Steuerbefreiung bei Verkäufen an das Komitee und der Bürgerfonds die Anreizseite zu repräsentieren, wird auf der Zwangsmaßnahmenseite eine „Wertschöpfungssteuer“ auf zu Bauland umgewidmete Flächen angekündigt – aber noch nicht erklärt, wie sie erhoben werden soll. Statt Leerstands- und Brachlandtaxen auf nationaler Ebene festzulegen und um die in acht Gemeinden bestehenden kommunalen Taxen zu ersetzen, soll eine reformierte Grundsteuer „die Grundstücksspekulation konterkarieren“. Erläutert wird allerdings nicht, ob die geänderte Grundsteuer eine kommunale Steuer bliebe und den Gemeinden zu stabilen Mehreinnahmen verhelfen soll, oder ob mit sinkenden Einnahmen gerechnet werden müsste, wenn mehr Bauland mobilisiert würde. Befreit von der reformierten Steuer würden in jedem Fall Eigenheime, die die Besitzer selbst bewohnen.
Vielleicht wäre es politisch unklug, zu viele Details schon im Koalitionsprogramm preiszugeben. Vielleicht sind die Koalitionspartner sich über das Vorgehen selber noch nicht ganz im Klaren. Der parteiübergreifend gemeinsame Nenner, viel mehr für den Mietwohnungsbau zu tun, geht einerseits auf die Einsicht zurück, dass der soziale Fahrstuhl per Eigenheimbesitz nicht mehr für jeden funktioniert. Zweitens wird gefürchtet, dass die hohen Wohnungspreise zum Risiko für Luxemburgs Entwicklung zum Technologiestandort werden könnten: Längst nicht alle jungen Hochqualifizierten, die es hierher zieht, verdienen gleich so viel, dass sie auf dem hochpreisigen Eigenheim-Markt mitbieten können. Drittens schließlich saugt die ungebrochene Preisentwicklung nach oben nicht nur jede staatliche Kaufbeihilfe auf, sondern auch jede Mindestlohnerhöhung und jede Index-Tranche: Der Zusammenhang von Wohn- und Lohnkosten führt die Politik seit zwei, drei Jahren zunehmend in Konflikt mit dem Unternehmerlager. Damit die öffentliche Hand, wenn sie mehr Flächen erwirbt, nicht selber als Preistreiber auf dem Grundstücksmarkt da steht, hält das Koalitionsprogramm fest, dass öffentliche Wohnbauflächen umgehend bebaut würden.
Nicht zu Unrecht finden die Koalitionspartner, „nur eine konzertierte Aktion kann eine adäquate Antwort“ auf das Wohnungsproblem sein. Am Rande des Parteikongresses der Grünen am Dienstag hieß es, der neuen Regierung müsse ein „Erwartungsmanagement“ gelingen. Vielleicht ahnt Sam Tanson, die neue grüne Wohnungsbauministerin, was auf sie zukommt: Sie war eine der wenigen, die die Partylaune der Kongressdelegierten nicht so recht teilen mochte.
Erwartungen sollen offenbar in alle möglichen Richtungen bedient werden. Die Besitzer, immerhin das Gros der Wähler, wünschen sich sinkende Preise erst, wenn den Kindern der Eigenheimkauf schwer fällt; alles andere wäre kapitalistisch irrational. Weil „Spekulation“ deshalb nicht nur politisch, sondern auch juristisch ein heikler Begriff ist, soll „analysiert“ werden, ob brachliegendes Bauland zeitweilig an die öffentliche Hand vermietet werden könnte – was für den Besitzer nicht nur eine Grundrente abwürfe, sondern sogar steuerlich gefördert werden könnte; das ist eine DP-Idee. „Studiert“ werden sollen die Anhebung des Maximalbetrags zur Anwendung des super-reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf Wohnraum; die Ausweitung der Staatsgarantie beim ersten Eigenheimerwerb, die des Bëllegen Akt je nach Anzahl der Kinder im Haushalt und die des Nullzins-Kredits der „Klimabank“, so dass jeder Besitzer sein Eigenheim vergünstigt energetisch sanieren könnte.
Mietern auf dem freien Markt wird in Aussicht gestellt, nicht mehr „einseitig“ die Vermittlungskosten einer Immobilienagentur tragen zu müssen. Die Entwicklung der Mieten soll „besser kontrolliert“ werden; allerdings wird noch nicht erklärt, was das bedeuten soll. Rolle und Zuständigkeiten der Mietkommissionen sollen „verstärkt“ werden; weshalb und inwiefern, ist noch offen. Ausgebaut werden sollen Initiativen zur Vermietung, wie die Agence immobilière sociale sie vor neun Jahren startete. „Studiert“ werden soll, ob der Fonds du logement in diese Richtung ebenfalls aktiv werden könnte, und darüberhinaus auch „moralische Personen“, denen dann steuerliche Erleichterungen gewährt werden könnten.
Wie ernst die „konzertierte“ Aktion gemeint ist, wird sich auch an der Rolle ablesen lassen, die die Gemeinden darin spielen. Als Anfang des Jahres der DP-Wohnungsbauminister eine große parlamentarische Debatte ausgelöst hatte, ging es dort vor allem um das Verhältnis von Staat und Gemeinden im Wohnungsbau und die anstehende Neuauflage des Pacte logement von 2008. Bisher schoben die Regierungen die Schuld für wohnungsbaupolitisches Scheitern gerne den Gemeinden zu. Die verlangten im Gegenzug mehr Geld für kommunalen Wohnungsbau und für Infrastrukturen, die für mehr Einwohner nötig sind. Das Koalitionsprogramm stellt in Aussicht, der Staatszuschuss zum Bau kommunaler Wohnungen könne von derzeit 75 Prozent auf bis zu hundert Prozent steigen. Kleinere Gemeinden sollen einen „Berater-Pool“ nutzen können, ähnlich den Energieberatern von My Energy für staatlich-kommunale Klimapakte. Versprochen wird den Gemeinden auch, die Verwaltungsvereinfachung für kommunale Planungen fortzusetzen. Wo im großen Stil gebaut werden soll, wird der Plan sectoriel logement festlegen, wenn er demnächst in Kraft tritt.
Ein schlüssiges Programm? Man wird sehen. Entgegen der Ressortbezeichnung ist der Wohnungsbauminister und nun: die Ministerin für nicht viel zuständig und angewiesen auf die Mitarbeit ihrer Kolleginnen und Kollegen im Kabinett. Zur Bereitstellung der Gelder hat der Finanzminister das letzte Wort, zur Planung von Wohnungsbauvorhaben die Innenministerin bei Mitsprache der Umweltministerin. Der vielen Akteure wegen wollte die DP im Wahlkampf Innen- und Wohnungsbauministerium zusammenlegen und die für Genehmigungen zuständigen Abteilungen des Umweltministeriums dazu. Für die Grünen kam das beinah einer Kriegserklärung gleich. Im Radio 100,7 sagte DP-Verhandlungsführerin Corinne Cahen gestern, „weil wir einen Sitz verloren und die Grünen drei gewonnen haben“, sei nun alles anders gekommen. Aber in der vorigen Legislaturperiode hatte nicht nur der DP-Fraktionspräsident öffentlich geklagt, Umweltvorschriften seien die große Hürde für den Wohnungsbau. Innerhalb der Regierung waren LSAP-Innenminister Dan Kersch und die grüne Umweltministerin Carole Dieschbourg deshalb immer wieder aneinandergeraten. Wie die konzertierte Aktion vorankommt, wird auch Aufschluss geben über den innerbetrieblichen Zustand der neu-alten Koalition. Und ob es womöglich hilft, dass für Wohnungsbau, Inneres und Umwelt mit Sam Tanson, Taina Bofferding (LSAP) und Carole Dieschbourg nun drei Ministerinnen zuständig sind.