Nur einmal, ganz am Anfang, sagt Gilles Hempel „Container“. Dann verbessert er sich schnell und spricht nur noch von „Modulhäusern“. Hempel, studierter Soziologe, ist Geschäftsführer der Agence immobilière sociale (AIS). Die hat sich in den neun Jahren seit ihrer Gründung immer weiterentwickelt, ist zu einem wichtigen Akteur bei der Vermietung von Wohnraum geworden und hat etliche Menschen von existenziellen Sorgen befreit. 520 Wohnungen verwaltet sie zurzeit. Und hat eine neue Idee: Modulhäuser in Baulücken setzen zu lassen und die Wohnungen darin zu AIS-üblichen Bedingungen zu vermieten.
Die Bilder, die Gilles Hempel zeigt, machen keinen schlechten Eindruck. An der Stirnseite eines Modell-Modulhauses fällt die große Terrasse auf, die Holzverkleidung der Fassade wirkt durchaus attraktiv. Dass vor dem Haus ein SUV geparkt steht und kein Kleinwagen, steigert diesen Eindruck natürlich. Die Wohnung im Innern hat knapp 62,5 Quadratmeter Nettofläche. Zur einen Hälfte wird sie von einer Wohnküche eingenommen, die andere umfasst zwei Schlafzimmer, ein Badezimmer, Toilette, eine kleine Abstellkammer und einen Flur. „Das ist aber nur ein Beispiel“, betont Hempel. Die Wohnungen könnten auch größer angelegt werden oder die Häuser mehr Etagen mit jeweils weniger Wohnfläche erhalten. „Das lässt sich gestalten wie mit einem Baukasten.“
Zunehmend bekannt wurde die AIS in den letzten Jahren durch ihre Mittelsmann-Rolle. Wohnungsbesitzer, die nicht selber vermieten wollen, können das über sie tun. Die AIS schließt dann mit dem Besitzer einen Vertrag ab, garantiert die Zahlung der monatlichen Miete und dass die Wohnung in tadellosem Zustand bleibt. Muss sie renoviert werden, erledigt die AIS das auch. Will der Besitzer die Wohnung eines Tages anderweitig nutzen, kann er das, doch für mindestens drei Jahre muss er sich an die AIS binden. Solange vermietet sie die Wohnung an Leute weiter, die auf dem freien Mietmarkt keine Chance haben und keine öffentliche Sozialwohnung finden. Die Höhe der Miete richtet sich nach dem Einkommen und wird zwischen AIS und Mieter individuell vereinbart. Maximal ein Drittel des monatlich verfügbaren Nettoeinkommens kann dafür herangezogen werden, höher als zehn Euro pro Quadratmeter kann die Miete nicht sein.
Ähnlich ist die Modulhaus-Idee gelagert: Baulücken-Besitzer würden ihr Grundstück zum Besatz mit einem Modulhaus zur Verfügung stellen. Durch das Baukastenprinzip ließen die Gebäude sich der Lücke anpassen. Sechs Wochen nach der Bestellung bei dem deutschen Hersteller und der Montage durch die Luxemburger Sozial-Firma Polygone könnten die Module schlüsselfertig stehen, Einbauküche inklusive, sagt Hempel. Die Häuser erreichten ohne Weiteres die Energieklasse B, alle Materialien seien wiederverwendbar oder recyclierbar.
Der Hinweis ist nicht unwichtig, denn die Module sollen nur Wohnungen auf Zeit sein. Hempel hofft, sie könnten schon demnächst den Bestand vergrößern, den die AIS vermieten kann. Zwar wächst er stetig; die von ihr zurzeit verwalteten 520 Wohnungen sind 200 mehr als vor zwei Jahren, und im Monatsschnitt kommen zehn hinzu. Doch auf der Warteliste der AIS stehen 1 300 Personen, der Bedarf ist also viel höher als das Angebot. Vorstellungen, wie viele solche Häuser sich realisieren lassen könnten, gebe es bei der AIS nicht. „Es gibt natürlich viele Baulücken. Aber die werden kaum alle mit solchen Gebäuden bestückt werden.“ Und bisher sei das noch gar nicht möglich: Innenministerium und Wohnungsbauministerium fänden den Ansatz „interessant“. Es seien aber noch „Rechtsfragen“ zu klären.
Welche genau, ist weder vom Innen- noch vom Wohnungsbauministerium zu erfahren. Letzteres bestätigt, „wir prüfen diese Idee“, aber noch mehr mitzuteilen als „eine ganze Reihe unter anderem juristischer Fragen stellt sich“, lehnt die Sprecherin von Minister Marc Hansen (DP) ab. Das Innenministerium, zuständig für den Rahmen kommunaler Planungspolitik, reagierte auf die Anfrage des Land nicht.
Die Zurückhaltung ist nicht ganz überraschend, kurz nach den Wahlen. Neben Rechtsfragen stellen sich auch politische. Juristisch müsste zum Beispiel geklärt werden, wie die Gemeinden Modulhäuser in ihren Gebäudebestand integrieren könnten. Inwiefern sie es tatsächlich tun, bliebe ihnen über die kommunale Bautenverordnung zu regeln. Doch abgesehen davon war die Frage, wie mit Baulücken umzugehen sei, eine der am meisten diskutierten in der Wohnungsbaupolitik der letzten Legislaturperiode. Die DP-LSAP-Grüne-Regierung beschloss Ende 2014 ein „staatliches Baulückenprogramm“. Allerdings hatte eine landesweite Kartografie im Auftrag des Wohnungsbauministeriums nicht nur 957 Hektar an Baulücken erfasst – acht Mal die Fläche von Belval mit Cité des sciences, Rockhal, neuen Wohnbauten und so fort. Der Abgleich der Satellitenbilder mit den Grundbucheintragungen ergab, dass sich 94 Prozent der Baulücken in Privatbesitz befanden. Der Plan der Regierung war, die Flächen nach und nach in öffentlichen Besitz zu nehmen (d’Land, 24.4.2015). Aber nur die Grünen waren bereit, die Privatbesitzer dazu notfalls im öffentlichen Interesse zu enteignen – bei angemessener Entschädigung natürlich. DP und LSAP zogen es vor, sie für den Verkauf zu „sensibilisieren“. Die CSV war derselben Meinung.
Anscheinend aber klappt das kaum, obwohl das Wohnungsbauministerium den Gemeinden einen in Deutschland entwickelten Leitfaden zur Verfügung gestellt hat. Er soll in Gemeinden in Baden-Württemberg und Bayern geholfen haben, bis zu 50 Prozent der Baulückenbesitzer zum Verkauf zu bewegen. In Luxemburg dagegen stellte das Wohnungsbauministerium vor einem Jahr fest, trotz „mehrfacher Ermahnung“ hätte bis dahin nicht eine Gemeinde dem Ministerium ein „Feedback“ über ihre Gespräche mit den Besitzern erteilt (d’Land, 6.10.2017). Vertreter des Gemeindeverbands Syvicol klagten wenig später in einem Treffen mit dem parlamentarischen Wohnungsbauausschuss, die Gemeinden hätten „Probleme, die Besitzer zu kontaktieren“. Und gelinge das, hätten sie „keine Argumente, sie vom Verkauf der Flächen zu überzeugen“, da sie „keine Gegenleistung“ anbieten könnten. Die Mitte 2016 vorgezogene Maßnahme aus der Steuerreform, bei Verkäufen an die öffentliche Hand den Spekulationsgewinn nur zum Viertel-Satz zu besteuern, war der Gegenleistung anscheinend nicht genug.
Die Idee der AIS wird daher in einem politisch komplizierten Kontext „geprüft“. Nach Gilles Hempels Modell könnten Besitzer, die Baulücken zur Verfügung stellen, mit einer monatlichen Rente von 200 bis 250 Euro rechnen. In seinen Augen wäre das keine Belohnung für Flächen-Zurückhaltung, sondern ein Anreiz, sie der AIS zu überantworten. Wenigstens für fünf Jahre, danach könnte das Modulhaus wieder demontiert werden, falls der Grundstücksbesitzer das will. Fünf Jahre sind laut AIS-Kalkül erforderlich, damit alles in allem die in den Modulwohnungen maximal mögliche Miete die Kosten deckt, die Monatsrente an den Besitzer hergibt und ein Viertel der Anschaffungskosten des Baus beglichen werden können. Die anderen drei Viertel müsste der Staat über sein mehrjähriges Wohnungsbau-Subventionsprogramm beisteuern.
Gilles Hempel glaubt, falls brachliegendes Bauland höher oder überhaupt besteuert wird, könne sein Ansatz für die Besitzer eine „Ausweichmöglichkeit“ sein, durch die sie Wohnraum schaffen helfen, die Fläche ihnen aber erhalten bliebe. Dass die Bewohner der Modulwohnungen stigmatisiert werden könnten als „die, die mit ihren Wohnungen irgendwann weg müssen“, befürchtet er nicht: „Alle Mietverträge, die wir abschließen, sind nur welche auf Zeit.“ Die meisten Mieter fänden lange vor Ablauf der Frist eine Alternative.
Letztlich berührt das politische Fragen. Eine Rente auf Baulücken, auch wenn sie nur 2 500 Euro im Jahr betrüge, ginge in eine andere Richtung als der bisher angestrebte Verkauf an die öffentliche Hand. Ob Modulbebauung als „Ausweichmöglichkeit“ gegenüber einer Steuer wünschenswert wäre, fragt sich auch. Und natürlich, ob es überhaupt eine Steuer geben soll. Im Wahlkampf versprach sogar die CSV eine „hohe“ Steuer. Die DP schloss jegliche neue Steuer aus, LSAP und Grüne plädierten für eine. Die Steuerfrage, und die was mit den Baulücken wird, könnte damit nicht nur die Verhandlungen zu „Gambia 2.0“ beschäftigen, sondern falls die scheitern, auch die nächsten,