„Das ist eine prinzipielle Frage“, meint André Hoffmann, und nein, zufrieden sei er mit der Antwort der Unterrichtsministerin nicht. Der Escher Abgeordnete von déi Lenk hatte sich in einer parlamentarischen Anfrage auf einen Vorfall an der Steinforter Grundschule bezogen. Dort hatten Eltern sich darüber beschwert, dass ihre Kinder, die den laizistischen Moralunterricht besuchten, von einer Schulfeier ausgeschlossen wurden. Die Religionslehrerin habe zum Schulbeginn am 15. September mit allen Kindern, die am Religionsunterricht teilnehmen, eine katholische Messe besucht. Dabei wären die anderen Kinder in der Schule zurückgeblieben. Dadurch würden „die Kinder, die dieser religiöser Gruppierung nicht zugehörten, ganz klar diskriminiert“, empört sich ein Vater in einer E-Mail, die dem Land vorliegt.
Um den Besuch aller im Religionskurs eingeschriebenen Kinder mög-lich zu machen, hätten überdies Klassenlehrer die Katechetin in die Kirche begleitet. „Cette pratique soulève évidemment la question de la neutralité religieuse de l’école“, kritisiert nun André Hoffmann und fragt die Ministerin, wie ihre Position zu dieser Praxis sei.
Die Antwort macht stutzig. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Lehrer zur Rentrée Kinder in eine katholische Messe mitgenommen hätten, schreibt Mady Delvaux-Stehres, und fügt hinzu: „(...) je ne pense pas qu’il s’agisse dans ce cadre d’une manifestation de croyance religieuse de la part des titulaires concernés, mais plutôt de la mise en œuvre d’un accord de surveillance entre enseignants.“ Um die Aufsicht der Kinder zu gewährleisten, sei es ausnahmsweise möglich, dass Klassenlehrer die Kinder begleiten, heißt es in dem Antwortschreiben weiter. Die ausgefallenen Stunden seien als Religionsunterricht zu werten.
Ein bemerkenswerter Zusatz. Artikel 4 im Grundschulgesetz scheint eindeu-tig: „Dans le respect de la liberté de conscience des élèves et à l’exception des cours d’instruction religieuse et morale, la formation scolaire ne privilé-gie aucune doctrine religieuse ou poli-tique.“ Artikel 5 untersagt Lehrern zu-dem, durch ihre Kleidung oder das Tra-gen von Zeichen ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion zu demons-trieren. Das müsste konsequenterweise auch für den Besuch einer katholischen Messe gelten, schlussfolgert Hoffmann.
Lehrer, die Kinder in eine Messe begleiten, als reinen Akt der „Sur-veillance“ abzutun, ist an sich schon bemerkenswert. Die beauf-sichtigenden Lehrer mögen keine religiösen Motive gehabt haben, die Symbolhaftigkeit, die ein solcher Besuch in den Augen Dritter haben kann, lässt sich kaum leugnen. Wenn dieser Besuch zudem als Religionsstunde zu bewerten ist, wie es heißt, dann erscheint das Argument des Ministeriums erst recht fragwürdig.
Noch wichtiger ist aber, und darauf geht die Ministerin zu keinem Moment ein, ob es für eine – neutrale – Schule eine gute Idee ist, den ersten Schultag mit einer katholischen Messe zu begehen, und dabei bestimmte Kinder auszuschließen, oder ob es für die Schulgemeinschaft nicht besser wäre, zusammen zu feiern. „Das Ministerium ist da neutral“, betont Guy Strauss, Leiter der Ab-teilung Grundschule. Immerhin: Die Kritik am Messebesuch zum Schulbeginn kann er nachvollziehen, das sei aber „nicht mehr so häufig“, meint Strauss, sondern geschehe „allenfalls in ein paar Landgemeinden“. Andere verstehen die Aufregung nicht. Man habe wichtigere Probleme, heißt es im Ministerium.
Ob sich die Verantwortlichen da nicht irren? Die LSAP mag der CSV versprochen haben, das heiße Eisen Religionsunterricht nicht anzu-packen, und scheint sich daran zu halten: Nachdem ihre liberale Vorgängerin Anne Brasseur während ihrer Amtszeit ihren Beamten den Auftrag gab, die Möglichkeiten für einen einheitlichen Werte-unterricht zu prüfen und einen Aktionsplan hierzu zu erarbeiten, ist davon unter der sozialistischen Unterrichtsministerin nichts mehr zu hören. Dabei liegt der Aktionsplan fertig geschrieben in einer Schublade und wurden etliche Lehrer für viel Geld für einen einheit-lichen Werteunterricht geschult. Die Mitarbeiterin im Ministerium, die den Plan aufgestellt hat, hat im Juli gekündigt, offenbar aus Frust, dass sich in der Sache nichts bewegt. Und wer mit Parteimitgliedern an der Basis spricht, trifft durchaus auf Stimmen, die das Stillhalteabkommen kritisieren. Für sie setzt die LSAP damit in einer programmatischen Kernfrage ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel.
Ignorieren kann die Ministerin das heikle Thema jedenfalls nicht: André Bauler, DP-Abgeordneter und Mitglied der parlamentarischen Bildungskommission, hat nun in einer Anfrage nachgehakt, wie es um besagten Aktionsplan steht, wie viel die Vorarbeiten bisher gekostet haben und vor allem, was die Ministerin mit dem Plan anfangen wird. Wenn sie denn etwas damit anfangen will.