Wäre es nicht schön, einen einheitlichen Wasserpreis zu haben? Denn von Gemeinde zu Gemeinde streuen die Bruttopreise enorm und liegen pro Kubikmeter zwischen 12,43 Euro in Mompach und 4,09 Euro in Lintgen. Wie sollen die Bürger im kleinen Land das verstehen? Zumal in Zeiten, da alles teurer wird? Das hatte im Mai vergangenen Jahres auch der Premier als Problem erkannt und in seiner Erklärung zur Lage der Nation versprochen, der Innenminister werde „im Herbst“ ein Modell für einen „nationalen Einheitspreis“ vorlegen. Anschließend werde mit den Gemeinden der Weg zum Einheitspreis diskutiert.
Am 20. Dezember, also gerade noch am letzten Tag im Herbst, kam Innenminister Jean-Marie Halsdorf (CSV) der Ankündigung nach und veröffentlichte ein 30 Seiten langes Papier seines Wasserwirtschaftsamts1. Es enthält eine gute und viele schlechte Nachrichten. Die gute: Der Einheitspreis ist theoretisch machbar. Er könnte bei 6,24 Euro pro Kubikmeter liegen, Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung inklusive. Denkbar wäre auch ein Einheitspreis nur fürs Trinkwasser; dieser läge voraussichtlich bei 3,11 Euro.
Die wichtigste schlechte Nachricht aber lautet: Für die meisten Bürger brächte ein Einheitspreis keine Entlastung. Der Gesamt-Einheitspreis würde das Wasser für 89 Prozent der Bevölkerung teurer machen. Im Großraum Luxemburg-Stadt müssten die Haushalte dann mit durchschnittlichen jährlichen Mehrkosten von 226 Euro rechnen, im Landessüden mit 204 Euro. In den Städten im Norden dagegen würden im Schnitt 27 Euro an jährlichen Wasserkosten gespart und im ländlichen Raum 112 Euro.
Ginge man nur für die Trinkwasserversorgung auf einen Einheitspreis über, stiege für noch immer 63 Prozent der Bevölkerung der Trinkwasserpreis. Im Großraum Hauptstadt entstünden den Haushalten dann Mehrkosten von 76 Euro im Jahr, im Süden wären es 66 Euro. Stadtbewohner im Norden würden im Trinkwasser-Szenario nicht mehr sparen, sondern hätten im Schnitt 37 Euro pro Jahr mehr zu zahlen. Im ländlichen Raum wäre die Trinkwasserrechnung um 44 Euro kleiner als heute.
Ob die Gemeindeverantwortlichen, wenn, wie geplant, im März die Preisdiskussion beginnt, der Meinung sein werden, dass solche Preisunterschiede sich den Bürgern vermitteln lassen? Das ist eine der Fragen, die sich stellen wird. Eine zweite betrifft einen weiteren Solidaritätsaspekt: Der CSV-Abgeordnete und Tandeler Bürgermeister Ali Kaes ruft seit sechs Jahren nach der „Solidarität“ der Stadtgemeinden mit den Landgemeinden, die vor allem darunter leiden würden, dass ihnen der Unterhalt ihrer Infrastruktur Wasser-Gestehungskosten verursacht, die sich nun mal nicht drücken und mit der relativ geringen Zahl der Verbraucher nur zu hohen Preisen decken lassen.
Der Punkt „Infrastruktur“ ist ein ziemlich gewichtiger. Denn die EU-Wasserrahmenrichtlinie, die für Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung das Kostendeckungsprinzip vorschreibt, fasst alle Leistungen für Versorgung der Wasserkunden, für Ausbau, Unterhalt und Instandsetzung der Infrastruktur zusammen. Damit entspricht der kostendeckende Bruttopreis den Wasser-Gestehungskosten. Darin aber sind rund 70 Prozent Fixkosten versteckt, und diese Fixkosten enthalten nicht nur Funktionskosten für die Infrastruktur und Personalkosten für die öffentlich besoldeten Mitarbeiter. Sondern auch Kosten und Abschreibungen für den Infrastrukturausbau, den verschiedene Gemeinden zum Teil jahrzehntelang vernachlässigt haben, während andere ihre Quellen, Kanäle und Leitungen vorbildlich pflegten. Wiederum andere hätten, meint zumindest das Wasserwirtschaftsamt, durch „surdimensionnnement systématique des ouvrages, dédoublement de la structure administrative et technique, choix systématique d’équipements haut de gamme, embellissement excessif d’ouvrages à caractère fonctionnel“ Zusatzkosten generiert, die „nutzlos“ seien. Halsdorfs Bericht vermeidet es, Namen zu nennen. Der Minister stellt aber klar: „Il est important de veiller à ce que l’introduction d’un prix unique à l’échelle nationale ne dilue pas les ‚mauvais’ investisseurs dans la masse des opérateurs irréprochables.“
Das ist die zweite schlechte Nachricht für den Einheitspreis. Denn wie soll festgestellt werden, welche Investionen „schlecht“ waren? Dass Gemeindevertreter, die sich in diesem Sinne „nichts vorzuwerfen haben“, gegenüber diesem Aspekt der Einheitspreisdebatte sehr sensibel eingestellt sein werden, ist andererseits sehr wahrscheinlich: Kaes’ bisherige Vorstöße Richtung Einheitspreis waren nicht zuletzt daran gescheitert, dass die großen Stadtgemeinden klar gemacht hatten, für versäumte und verfehlte Investitionen anderer mitzuzahlen, komme nicht in Frage.
Eine weitere schlechte Nachricht für den Einheitspreis besteht in der Feststellung, dass er nur zu haben wäre, wenn den Gemeinden die derzeitige Wasser-Zuständigkeit entzogen und sie auf eine andere Körperschaft übertragen würde. Dafür aber wären nicht nur Gesetzesänderungen nötig, sondern zum Teil auch Verfassungsänderungen. Etwa, wenn die Wasserversorgung verstaatlicht, einer Privatgesellschaft oder einer öffentlichen Einrichtung übertragen würde. Am einfachsten schiene es, dem Bericht nach, eine „Agence de compensation“ zu gründen, die als staatliche oder interkommunale Stelle die verschiedenen Wasser-Gestehungspreise feststellt und Finanzausgleiche organisiert. Sie könnte sogar, ähnlich wie die Regulierungsbehörde ILR das beispielsweise für die Energienetze tut, ein jährliches „Benchmarking“ organisieren und die Wasser-Operateure auf ihre Kosteneffizienz hin überprüfen.
Ob die Aussicht auf einen solchen Akteur vielen Gemeinden gefallen würde, um einer Minderheit von Bürgern Preisvorteile zu verschaffen, ist derart fraglich, dass der nationale Einheitswasserpreis politisch außer Reichweite zu liegen scheint. Aber noch etwas fällt auf an dem Einheitspreis-Papier: 6,24 Euro pro Kubikmeter ist nicht viel weniger als jene sieben Euro, die Halsdorf im März 2011 als landesweit „harmonisierten“ Preis ins Spiel gebracht hatte. Einstellen sollte dieser Preis, der überdies auch die Kritiken von Landwirten, Hotel- und Campingplatzbetreibern berücksichtigen soll, sich dadurch, dass die Gemeinden eine Rechenvorlage des Wasserwirtschaftsamts anwenden. Sie setzt für jede Verbrauchergruppe unterschiedliche Anteile von Fix- und variablen Kosten an und deckelt für Kleinverbraucher Trink- und Abwasserpreis auf maximal jeweils 3,50 Euro. Bis Ende November letzten Jahres aber war nur in 32 Gemeinden ein nach diesem Schema berechneter Trinkwasserpreis und nur in 29 ein so aufgestellter Abwasserpreis verabschiedet worden. Manche Gemeinden würden, steht in dem Papier nicht ganz ohne vorwurfsvollen Unterton, halt lieber Politik gegen den Minister machen.
Peter Feist
Kategorien: Landwirtschaft, Wasser
Ausgabe: 11.01.2013